Dienstag, 3. März 1998

3. März

"Doch nicht etwa zu dieser Loveparade?"
"Nein. Nils hat da irgendwas von Probetraining erzählt. Also nicht direkt in Berlin. In so einem vorort, Luckenwalde oder so."
"Du willst nach Berlin zum Ringen?"
"Mom, bitte, nicht ich sondern Nils. Also vielleicht. Aber vielleicht nehmen sie ihn ja auch nicht. Aber ich dachte, da könnte ich mitfahren."
"Aber nicht mit dem Auto." War das jetzt Moms einzige Sorge?
"Nein, wahrscheinlich mit der Bahn. Und nein Lisa, Nutella paßt nicht mehr auf mein Marmeladenbrötchen."
"Von mir aus. Ich verstehe zwar nicht, warum man nach Berlin oder in die Provinz nach Brandenburg zum Ringen fahren muss, aber ich verstehe ja in letzter Zeit sowieso immer weniger."


So, dann wäre DAS jetzt wenigstens schon mal in die richtige Bahn geleitet. Und mit nur sehr wenig Lügen.

Ich habe doch tatsächlich Muskelkater vom Training mit Walter. Schon verrückt. Da habe ich noch vor kurzem geglaubt, ich würde gar nicht so schlecht ringen und dann taucht er auf und ich fühle mich wieder wie der totale Anfänger. Aber ja eigentlich auch gar kein Wunder, wenn der sein ganzes Leben nichts anderes gemacht hat. Jedenfalls habe ich Nils gesagt, dass ich heute nicht zum Krafttraining gehen kann.
"Benji hat eh gesagt, dass ich zu viel mit Kraft und zu wenig mit Technik mache."
"Ach so und deshalb machst du jetzt kein Krafttraining mehr? Nur weil dieser Clown dir irgendwas erzhält."
"Nein, meine Güte", ich wechselte rasch das Thema: "Ich habe heute früh übrigens mit meinen Eltern gesprochen, es geht alles klar. Wir fahren nach Berlin."
Nils grinste: "Tim und die großen Städte. Wo führt das alles hin?"

Montag, 2. März 1998

2. März

"Was haben deine Eltern eigentlich gesagt?"
"Wozu?"
"Dass wir nach Berlin fahren."
"Ich habe ihnen noch gar nichts davon gesagt." Shit! Natürlich, ich kann ihnen ja schlecht sagen, dass ich mit meinem Freund zusammen nach Berlin zur größten Schwulenparade fahre. In meinem Kopf arbeitete es.
"Hast du deinen Eltern schon was gesagt?"
"Ja, ich habe gesagt, dass ich nach Luckenwalde zum Probetraining fahre."
"Nach Luckenwalde. Zum Probetraining. Das stimmt doch jetzt nicht. Oder doch? Hat sich doch jemand gemeldet von den Sichtungskämpfen?"
"Nein."
"Du lügst also deine Eltern an."
"Ja natürlich. Jetzt tu doch nicht so überrascht. Das machst du doch genau so. Andauernd. Oder erzählst du ihnen, was mit uns ist? Was wir im Bett machen?"
Das ist schwierig. Natürlich hat er recht. Aber irgendwie ist das doch etwas anderes, eine Sache zu verschweigen, nicht die ganze Wahrheit zu sagen oder eben ganz direkt anlügen.Von einer Minute auf die andere war meine gute Stimmung weg.
"Ich könnte natürlich mal in Luckenwalde fragen, ob wir da ein Probetraining mitmachen können. Dann gehen wir erst zum Probetraining und hinterher zur Parade."
"Und ich werde ganz bestimmt zusammen mit dir in die Bundesligamannschaft von denen aufgenommen."
"Vielleicht ja als mein persönlicher Assitent."
"Das könnte dir so passen." Ich warf mich auf Nils und wir rollten halb kichernd, halb ernsthaft auf der Matte rum bis Mahmout dazwischen ging: "Ihr hab nachher noch genug Zeit, euch auszupowern. Jetzt begrüßt erst mal unseren Neuzugang."
Schon wieder jemand Neues, dachte ich, hoffentlich nicht wieder so ein Schnuckel wie Marcel, der sich dann als halber Arsch entpuppt.
"Das ist Walter", stellt Mahmout den Neuen vor.
"Walter. So, so", gluckste Kevin und fing sich dafür einen bösen Blick vom Trainer ein.
Walter sah gar nicht so aus als würde er Walter heissen. Er war etwa genau so groß wie ich und so wie ich das einschätzen konnte war er wahrscheinlich sogar in der gleichen Gewichtsklasse. Walter kam also aus Kasachstan, oder Usbekistan, oder Lampukistan... jedenfalls aus irgendeinen dieser stan-Länder, die plötzlich überall auftauchten. Jedenfalls in meiner Wahrnehmung. Wieso heißt jemand von dort Walter?
Mahmout teilte ihn mir jedenfalls als Trainingspartner zu. "Na dann viel Spaß", Nils grinste, was ich erst gar nicht verstand. "So schlecht wird er ja wohl nicht sein", meinte ich.
Ich sollte recht behalten. Aber nicht so, wie ich eigentlich gedacht hatte. Und mir wurde klar, warum Nils so gegrinst hatte.
Walter ist... ich weiss gar nicht wie ich das beschreiben soll, er ist eisenhart. Schon beim Einfädeln merkte ich, dass er jede Bewegung total präzise und sehr energisch machte. Als es dann an das Trainings des ersten Griffs ging, bekam ich fast keine Luft mehr, so heftig packte er zu.
"Hey, langsam, das ist doch nur Grifftraining."
"Tut mir leid. Ich kann mich nicht immer so bremsen."
"Ach ja", rief Mahmout in die Runde, "Walter war übrigens ein paar Mal Jugendmeister in seiner Heimat."
Das war es also. Na toll. Nils, hatte wohl so was geahnt, deshalb hatte er so gegrinst. Und ich hatte das ganze Training über so einen Crack als Trainingspartner, wo jeder Griff, den er ansetzte weh tat. Nicht dass er wirklich brutal war. Aber alles was er machte war so präzise, die Kraft war so auf den Punkt. Und dann war sein Körper so merkwürdig hart, dass allein schon jeder Kontakt mit ihm weh tat.
Ich war jedenfalls froh als das Training mit ihm vorbei war. Auf einen Sparringskampf habe ich gleich ganz verzichtet.
"Na, hat er dich am Leben gelassen?"
"Ich glaube, morgen tut mir alles weh."
"Dann nimm halt eine Tablette Ibu bevor zu Schlafen gehst und höre auf zu jammern."
"Du hast gut reden, du hast ja nicht mit ihm trainiert."
"Aber jetzt", meinte Nils, stand auf und ging zu Walter rüber.
Du meine Güte, dachte ich. Das muss doch jetzt nicht sein. Aber es war ein richtig ausgeglichener Kampf. Das was Nils an Kraft und Härte fehlte, machte er tatsächlich durch seine diversen Techniken und seine Wendigkeit wieder wett. Am Ende hatte jeder von beiden einen Kampf gewonnen.
"Hat Spaß gemacht", sagte er als er sich neben mich auf die Matte fallen ließ. Und ich glaubte ihm das sogar. Mein kleiner verrückter Nils. Endlich hat er mal einen vernünftigen Gegner im Training.

Auf dem Heimweg unterhielten wir uns darüber, was wir alles in Berlin an dem Wochenende machen würden. Bestimmt gibt es eine Party nach der Parade. Oder mehrere. Ich bin wieder total aufgeregt. Und ich werde Mom und Dad sagen, dass wahrscheinlich ein paar Leute vom Verein planen, im Juni nach Luckenwalde zu einem Probetraining zu fahren und dass ich ganz gerne mitfahren würde. Natürlich würde ich nicht zum Probetraining gehen, dafür wäre ich schließlich viel zu schlecht. Und so hätte ich jedenfalls nicht ganz gelogen, nicht ganz richtig. Oder so.
"Dir scheint es ja richtig gut zu gehen."
"Ja, allerdings. Hast du davon gewußt? Ich meine von Nils' Geschenk?"
"Nein, absolut nicht. Er hat absolut nichts durchblicken lassen."
"Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet er mit mir zum Christopher Street Day nach Berlin fährt."
"Er liebt dich eben."
Ich nickte. Ja, Doris hat recht. Und ich liebe ihn auch. Und ich bin glücklich. Ich habe so coole Freunde, eine tolle Familie und den liebsten Nils der Welt. Der grinste mich heute sowieso den ganzen Tag an. Ich glaube er freut sich total, dass ihm die Überraschung so gelungen ist


Ich war so aufgedreht, dass ich beinahe einen Unfall während der Fahrstunde gemacht hätte weil ich zu schnell in die Kurve an der Autobahnabfahrt gefahren bin. Also ganz so richtig ist Autofahren nicht mein Ding.

Jetzt mache ich mich fertig für's Training. Ich bin immer noch total aufgedreht und voller Energie

Sonntag, 1. März 1998

1. März

"Und das ist nur für dich. Naja, eigentlich für uns beide... ach mache es einfach auf..."
Nils hatte mir diese kleine Schachtel gegeben und ich hatte absolut keine Ahnung, was da drin sein könnte.

Aber vielleicht ja lieber der Reihe nach. Es ist alles so durcheinander, aber so schön durcheinander.
Kurz nachdem ich den letzten Eintrag gemacht habe, war Nils aufgewacht: "Komm sofort hierher", flüsterte er, "ich habe Lust auf dich."
Und ich hatte Lust auf ihn. Wir beide waren so geil aufeinander, dass wir so schnell und so viel abspritzen wie schon lange nicht mehr. Es war so toll.
"Mein kleines Sexmonster. Du hast gerade Sex mit einem Minderjährigen gehabt, ist dir das klar?"
Ich glaube, für den Bruchteil einer Sekunde muss ich wohl komisch geguckt haben, denn Nils zog mich sofort zu sich: "Hey, das war doch nur ein Scherz. Wann stehen deine Eltern auf?"
"Ich glaube, die sind nicht so sehr das Problem. Die kommen schon lange nicht mehr unangekündigt in mein Zimmer. Lisa allerdings... naja, anklopfen gibt es für sie nicht."
"Warum ist das alles nur so schwierig?"
"Ich weiß es nicht. Willst du noch duschen?"
"Lieber nicht. Das ist vielleicht wirklich zu brenzlig."
Ich schlich mich ins Bad, nahm frische Handtücher, machte sie naß und ging zurück in mein Zimmer.
"Ganz schön clever."

Es war schon eine merkwürdige Situation. Schweigend zogen wir uns an. Bevor wir mein Zimmer verließen noch ein ewig langer Kuß. Dann ganz leise nach unten schleichen, niemand da, alles ruhig.
"Wir sehen uns heute Abend wieder, ok?"
"Aber auf jeden!"

Zurück in mein Zimmer, ein Schlachtfeld. Na toll, Nils hat seine Sporttasche vergessen. Ich stopfe sie in den Schrank und arbeite mich durch das Chaos, sammele alles zusammen, Handtücher, Bettwäsche, meine Sportklamotten, bringe alles runter in den Keller in die Wäschebox.

Fenster aufmachen, ein ganz klein wenig Frühling, irgendwo singen tatsächlich schon Vögel. Habe ich in Hamburg Vögel singen gehört? Ich kann mich nicht erinnern.

Kurze Zeit später klopft Phil an meiner Tür: "Na, ist die Luft rein?"
"Ja, alles klar. Obwohl das alles schon sehr strange ist."
"Kann ich mir vorstellen. Lisa ist schon ganz hibbelig, sie will dir unbedingt ein Geburtstagslied vorsingen, das sie im Kindergarten gelernt hat."
"Na dann..."
 Es war toll, ich hätte beinahe geheult, dann kamen noch Mom und Dad und Oma dazu. So perfekt.

"Wie war es gestern Abend? Ich meine wohl eher heute früh?"
"Wahnsinn, und ihr wusstet alle davon?"
Mom und Dad grinsten. "Jetzt haben wir also zwei erwachsene Söhne", meinte Dad.
"Volljährig vielleicht ja, aber erwachsen...?", meinte Mom.

Dann kam die Geschenke-Orgie. Eigentlich mag ich ja gar nicht so sehr, Geschenke zu bekommen. Aber andererseits... Ich bekam einen neuen, größeren Monitor für meinen Computer. Yeah, bei dem alten Teil war wirklich fast alles nur noch verschwomme. Dann bekam ich tatsächlich ein Paar neuer Ringerschuhe und zwei neue Trikots.
"Wie seid ihr denn darauf gekommen?"
"Hast du dir deine Schuhe mal angeguckt? Ich weiss ja nicht, wie das bei euch so ist, aber ich glaube, wenigstens intakt sollten sie schon noch sein."
"Wie habt ihr denn...?"
Blick zu Phil. Der machte mit den Augen eine Bewegung, die mir alles erklärte: Nils!
Dann ein toller Bildband über den Architekten, der Paris im 19. Jahrhundert neu geplant hat und noch ein paar andere Dinge.

Aber das Verrückteste kam wirklich von Oma: Ein Sextant!
"Der hat deinem Großvater gehört. Und da du dich so für Astronomie und Mathematik interessierst dachte ich..." Wahnsinn, ich glaube ich habe den halben Nachmittag daran rumgepfriemelt, eine Anleitung aus dem Internet herausgesucht, ausprobiert.

Und dann essen, essen, essen, essen. Ich weiß ja nicht wie das bei anderen Familien so ist, aber meine Eltern scheinen bei Feiern immer zu glauben, dass noch ein Busladung ausgehungerter Ringer kommt, die das alles wegessen wird. Ich war sooooo satt, vor allem hat Oma ihren tollen Apfelkuchen gemacht. Ich hätte fast den ganzen Kuchen alleine aufessen können, wenn ich nicht irgendwann kurz vor dem Platzen gewesen wäre.

Ich ging vor die Tür, ich brauchte Luft. Nicht dass das alles zu viel gewesen wäre, aber ich brauchte einfach einen kleinen Augenblick für mich, durchatmen, verdauen. Irgendwann kam Dad dazu: "Jetzt bist du also auch volljährig."
Ich nickte nur und guckte ins Tal.
"Ist alles in Ordnung?"
"Doch. Ja. Mir geht's gut."
Er schaute mich an. Einfach nur so. Aber trotzdem fing mein Gehirn an zu arbeiten. Was passiert jetzt?
"Ich weiß", begann er, "dass das alles, der Umzug, die neue Schule, neue Freunde, dass das alles sicher nicht leicht für dich war."
"Dad, das ist schon ok. Ja, es war nicht leicht. Und ja, wenn ich ehrlich bin, wäre ich jetzt wirklich lieber in Hamburg, in unserem Haus. Aber jetzt bin ich hier. Jetzt sind wir hier. Ich habe neue Freunde gefunden, die Schule ist ok, der Verein ist ok und..."
Ich bekam gerade noch rechtzeitig die Kurve. Der Wein, den es zum Mittag gegeben hatte, war noch in meinem Kopf.
Er nickte. Dann sagte er: "Wenn es irgend etwas gibt, worüber du reden möchtest..."
Ich guckte ihn an. Das ist die Gelegenheit, dachte ich. Endlich könnte ich sagen, was wirklich mit mir los ist. Dass ich schwul bin, dass ich einen Freund habe. Einen Freund, der sogar letzte Nacht hier in diesem Haus war und mit mir geschlafen hat. Doch mir fehlte der Mut. Verdammt noch mal. Wenn ich das jetzt schreibe, könnte ich fast irre werden. Warum habe ich das nicht gemacht? Weiss er etwas? Ahnt er etwas? Will er es mir leicht machen? Oder glaubt er vielleicht nur, dass die ganz Umzugssache für mich so schwer ist?
"Alles ok, wirklich. Mir geht es gut."
Er nickte. Lisa kam auf uns zugestürmt: "Guck mal, was ich gemalt habe..."

Als nach dem Abendessen dann Nils, Doris, Clemens, Flo kamen, war es mir fast ein bissele zu viel. Also nicht wirklich zu viel, ich freute mich, aber ich war einfach müde, kaputt, körperlich völlig fertig. Der Wettkampf gestern, die Überraschungsparty, dann Nils bei mir, kaum geschlafen. Nein ich war wirklich glücklich aber ich merkte, wie mein Körper rebellierte. Egal, ich werde nur einmal 18 Jahre alt.

Und dann holte Nils sein Geschenk hervor: "Und das ist nur für dich. Naja, eigentlich für uns beide... ach mache es einfach auf..."
Eine kleine Schachtel. Ich guckte fragend in die Runde. Für den Bruchteil einer Sekunde schoß es mir in den Kopf, dass da vielleicht zwei Ringe drin liegen könnten. Aber nein, das würde er nie machen.
"Wisst ihr etwa was es ist?"
Doris schaute an die Decke. Was um alles in der Welt haben sie alle hinter meinem Rücken organisiert und geplant? Es ist so verrückt.
Ich hatte echt Herzklopfen, als ich die Schleife öffnete und den Deckel abhob. Zuert verstand ich nicht, was das war: Ein Bahnticket, zwei Bahntickets. Nach Berlin. Dann eine Hotelbuchung. Berlin. Darunter ein Computerausdruck aus dem Internet: "Christopher Street Day Berlin 1998".

Wir fahren nach Berlin. Nils, mein Nils und ich fahren zusammen nach Berlin. Zum Christopher Street Day! Nils geht mit mir zusammen dorthin!!?! Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich konnte nichts sagen, ich nahm ihn einfach nur in die Arme und drückte ihn, drückte ihn und heulte. Irgendwoher hörte ich Flo fragen, was denn "Christopher Street Day" eigentlich sei. Egal. Wieso sollte er das wissen? Doch für mich war es das beste Geschenk. Nils und ich zusammen. Ganz offen, keine Angst, kein Verstecken. Kopf hoch und rausschreien: "Schaut alle her: Das ist mein Freund, ich liebe ihn und niemand hat das Recht, sich da einzumischen!"
"Aufwachen, wir sind da!"
Ich war tatsächlich auf der Rückfahrt eingeschlafen. Nils küsste mich auf die Stirn: "Los jetzt, wir müssen aussteigen."
Die anderen waren anscheinend alle schon ausgestiegen. Im Bus war es wunderschön warm aber als ich ausstieg und auf dem Parkplatz vor unserem Vereinshaus stabd traf mich der eisige Wind.
"Wo sind denn die anderen?"
"Die sind schon drin, wir sollen alle noch mal zusammen kommen."
"Wie spät ist es denn?" wollte ich wissen.
"Keine Ahnung."
Also taperte ich Nils hinterher. So langsam wurde ich wieder etwas klarer im Kopf. Vermutlich wollte uns Dimitri noch irgendwelche tollen Tips mit auf den Weg geben.
Und dann machte ich dir Tür zur Trainingshalle auf. Da standen sie alle in einem großen Kreis, da standen sogar noch Doris und Phil und alle schrieben: "Happy Birthday!"
Es dauerte ein paar Sekunden bis ich alles in meinem Kopf zusammenbekam. Tatsächlich, die Uhr in der Halle zeigte kurz nach zwölf.
"Was ist denn, ich meine wie..."
Ich kam nicht weiter, Nils hob mich hoch, als würde er einen Überwurf machen wollen, übergab mich an Flo, der weiter an Kevin und dann die ganze Mannschaft durch. Ich wurde getragen, gedreht, durch die Luft gewirbelt, hin und her geschüttelt bis mich schließlich am Ende Phil und Doris auffingen.
Irgendwo knallte ein Sektkorken, aus den Lautsprechern kam "Happy Birthday" von Stevie Wonder und ich stand da und konnte das Ganze immer noch nicht fassen. Händeschütteln, Schulterklopfen. Ich konnte immer noch nichts sagen. Sogar Werner und Dimitri waren dageblieben gratulierten mir.
"Zum Glück", sagte Nils, "bist du eingeschlafen. Sonst hätte der Busfahrer noch einen Umweg fahren müssen."
"Alles Gute zum Erwachsenwerden", Phil drücke mich und danach Doris: "Jetzt bist du volljährig und bestimmt wirst du ja irgend wann auch mal erwachsen", lachte sie.
Das war wirklich die geilste Geburtstagsüberraschung überhaupt. Ich kriege jetzt noch ein Gänsehaut wenn ich daran denke.

"Wie habt ihr denn das alles so hinbekommen?" wollte ich wissen. Phil fuhr uns nach Hause und sagte: "Nils hat das alles organisiert und er hat angerufen, als ihr in Degendorf losgefahren seid."
Nils grinste und schien sich total zu freuen, dass seine Überraschung so gelungen war. "Zum Glück paßte das alles mit der Zeit so perfekt. Sonst hätten wir irgendwie improvisieren müssen, Dimitri hätte irgendwas noch besprechen müssen und so."
Ich schüttelte den Kopf: "Ihr seid verrückt."
"Nils ist verrückt", sagte Doris, "wir waren einfach nur da."
Ich drückte sie ganz fest: "Danke."
"Nächster Halt: Tannenhof."
"Wir sehen uns heute Abend bei mir, ok?"
"Aber klar", sagte Doris.

"Ist das alles verrückt." In meinem Kopf, drehte sich alles und das lag nicht am Wettkampf, nicht an den Kämpfen. Phil hielt an der Kreuzung, wo er zu Nils abbiegen musste. Wir guckten uns alle drei an. "Haben Mom und Dad eventuell auch eine Überraschungsparty geplant?" wollte ich wissen.
"Nein", sagte Phil. Ich habe ihnen von der Aktion bei euch erzählt und ihnen gesagt, dass es bestimmt spät wird. Sie pennen also garantiert schon. Ich guckte zu Nils und dann zu Phil, dann wieder zu Nils. Er nickte.
"Eure Entscheidung", meinte er.
Ich nickte auch. Phil fuhr weiter. Unser Haus lag war dunkel, Mom, Dad und Oma schliefen also wirklich. Phil versuchte so leise wie möglich den Wagen in die Auffahrt rollen zu lassen. Leise die Tür aufschliessen, lange Übung. Leise die Treppe rauf. Mein Zimmer. Tür abschließen. Nils und ich fallen übereinander her. Ich kann nicht anders, ich fange an zu heulen. So glücklich bin ich.

Jetzt ist es mitten in der Nacht. Nein, eigentlich schon am Morgen. Nils schläft still und friedlich neben mir. Ich bin 18 Jahre alt. Ich bin volljährig. Ab jetzt kann ich eigentlich alles machen, was ich will. Niemand kann mir vorschreiben, was ich tun soll. Aber stimmt das wirklich? Bin ich jetzt wirklich so frei, das ich alles machen kann? Nein, ich kann nicht morgen früh mit Nils ganz selbstverständlich zum Frühstück runtergehen. Ich muß ihn irgendwie aus dem Haus schmuggeln, wir müssen uns verstecken, als wenn wir etwas gemacht haben, was illegal ist.
Aber ich will mich jetzt nicht ärgern. Der Tag war viel zu schön. Nils, mein Nils hat mir die größte Überraschung überhaupt gemacht. Und die Jungs im Verein, Doris, Phil... alle waren da.
Es war, nein es IST schön!

Samstag, 28. Februar 1998

28. Februar

„Das ist echt gut, was du da machst. Paß auf seine Beine auf, er klammert sich damit gerne fest.“
Seltsamerweise waren da weder Werner noch Dimitri in der Ecke sondern Nils. Nils als Coach. Alles ist verrückt. Ich hatte tatsächlich die erste Runde gegen Benji gewonnen, ich konnte es gar nicht glauben. Ich hatte das gemacht, was ich am besten konnte: Mit maximaler Kraft schnell sein. Doch leider verlor ich die zweite und die dritte Runde. Aber irgendwie war ich doch zufrieden. Zum ersten Mal merkte ich, dass ich auch gegen so jemanden wie Benji gewinnen konnte. Irgendwie. Es war jedenfalls nicht unmöglich.
Er kam nach dem Kampf zu mir: „Du bist richtig gut geworden.“
„Danke.“
„Ehrlich, ein paar Mal wußte ich echt nicht, was ich machen sollte. Wenn du jetzt noch an deinerTechnik arbeitest...“
„Wie jetzt?“
„Du machst zu viel mit Kraft.“ Er zog mich von den anderen weg. „Auch wenn ich das jetzt vielleicht nicht sagen sollte, denn du bist ja immerhin in meiner Gewichtsklasse und wir werden bestimmt noch ein paar Mal gegeneinander antreten. Aber ich meine das ehrlich: Versuche mal mehr mit Technik zu machen. Dann brauchst du nicht so viel über Kraft zu ringen.“
Ich nickte. Er hatte Recht, ich versuche immer, das was mir an Technik fehlt durch Kraft auszugleichen.
„Wir sehen uns beim Pizzaessen.“ Er zottelte zu seinen Leuten. Irgendwie mag ich ihn. Er ist lustig, fröhlich, immer gut drauf, alle Leute in seinem Verein scheinen ihn zu mögen. Ich glaube, ich wäre gerne so ein bißchen wie er.

Beim Pizzaessen? Wieso? Nils kam auf mich zu: „Wir machen heute das Pizzabuffet hier zusammen mit den Jungs von Degendorf. In einer halben Stunde im Saal.“
Nicht dass ich nicht tierischen Hunger gehabt hätte. Aber ich guckte auf die Uhr an der Wand. Schon nach sieben. Pizza essen, vielleicht zwei Stunden, dann ist es neun, halb zehn. Anfahrt um zehn, in Bergbach um elf. Toll, ganz toll. Mein Geburtstag irgendwo auf dem Weg von unserem Vereinsheim zu mir nach Hause. Ein toller achtzehnter Geburstag.

Ich habe mir den Bauch vollgeschlagen. So viel Pizza habe ich schon lange nicht mehr in mich hineingeschaufelt. Irgend jemand hatte wieder einmal heimlich Bier organisiert. Ich weiß nicht, ob die Trainer und Betreuer das wirklich nicht mitkriegen oder nicht mitkriegen wollen.

So langsam driftete ich weg. Das Essen, das Bier, vielleicht auch die Tabletten, der Streß des Wettkampfs fiel von mir ab. Ich setzte mich auf den Heizungssims und schaute mir die Szene an: Zwei Mannschaften, die eben noch gegeneinander um Punkte gekämpft hatten qutschten, feierten und tranken zusammen. Dazwischen Freunde, sogar Mädels, Trainer, Betreuer und ein paar Eltern. Nils schien Dimitri irgendeinen Griff mit weit ausholeden Armbewegungen zu erklären, ein türkischer Vater versuchte heftig gestikulierend dem Trainer der Degendorfer irgend etwas klar zu machen. Neben ihn stand ein dürres Degendprfer Mädel und versuchte Silvio anzubaggern, der gelangweilt auf sein Bier starrte.
Flo kam auf mich zu: „Na, wir spielen wohl wieder Einzelschicksal, was?“
„Ich male gerade ein Bild.“
„Was?“
„In meinem Kopf.“
„Ach so?“ Er setzte sich neben mich und schaute sich die Szene genau so wie ich an.
„Schon verrückt das Ganze.“
„Nicht verrückt“, sagte er, „ganz normal. Willst du noch ein Stück Salami-Piz...“
„Wenn ich auch nur noch ein Stück Pizza sehe, dann sterbe ich.“
„Ich wollte mich noch mal bedanken. Wegen der Sche mit Ina.“
Ich schloß die Augen und schüttelte mit dem Kopf: „Schon ok, wenn es was gebracht hat, freue ich mich.“
Er boxte mich leicht auf den Arm. Ich glaube, das ist die Art, wie Hetero-Jungs sich bedaken.
Nils kam zu uns: „Wir fahren los. Wollt ihr noch Pizza mitnehmen.“
„Nein!“ schrien Flo und ich.
Nils grinste.

Im Bus zurück. Ich weiß gar nicht, wie spät es ist. Aber eigentlich ist es egal. Es war ein schöner Abend, ein schöner Tag. Ich schreibe Tagebuch. Neben mir Nils, halb eingeschlafen. Sein Knie an meinem. Ich schaue mich um, wir sitzen in der letzten Reihe, niemand, der uns sehen könnte. Ein rascher Kuß, er lächelt: „Du bist verrückt“, murmelt er.
"Das mit dem Umsteigen wird auch immer schwieriger."
"Wir wollten dich ja in Stuttgart abholen, aber du wolltest ja nicht."
Oma immer noch so halsstarrig. Außerdem wäre Fliegen ja noch viel einfach gewesen. Aber sie fährt halt gerne Zug.
"Dass ihr aber auch hierher ziehen musstet..."
Ich nickte heftig, zumindest innerlich. Ich freue mich, dass sie da ist. Unsere Familie endlich wieder zusammen. Ausserdem bringt sie immer ein Stück Hamburg mit. Wir sind vom Bahnhof noch zum Wochenmarkt gefahren, weil Mom einkaufen wollte. Ich sehe Oma, wie sie über diesen kleinen schwäbischen Markt hier läuft und es ist so, als würde sie in Nienstedten über den Marktplatz gehen, ein bißchen vornehm aber nicht überheblich. Ich frage mich, wie Opa eigentlich war. Die einzigen Erinnerungen, die ich an ihn habe sind total unklar und ich weiß noch nicht einmal, ob ich die nicht nur von den Fotos habe, die ich gesehen habe.
Irgendwie seltsam. Morgen werde ich achtzehn sein und ich denke über Oma und meinen toten Opa nach.

Gleich muss ich los zum Wettkampf. Den ganzen Tag schon habe ich tierischen Muskelkater und die Gelenke tun mir auch weh, von dem Spezialtraining gestern. Ich weiß ja nicht, ob das wirklich so toll ist, so heftig vor einem Wettkampf zu trainieren. Aber Nils ist der Spezialist. Ich beschließe etwas gegen die Schmerzen zu nehmen, ich habe keine Lust, schon VOR dem Kampf gehandicaped zu sein. Also Voltaren und Ibuprofen. Rein damit!

Freitag, 27. Februar 1998

27. Februar

Ich bin fertig, kaputt, kann mich kaum bewegen. Nils hat mich zwei Stunden lang über die Matte gescheucht. Würfe, Beinangriffe, Bodenlage. Ich weiß gar nicht mehr was alles. Und ich weiß fast schon nicht mehr, wie ich jetzt nach Hause gekommen bin.

Doch ich weiß, dass wir Sex unter der Dusche hatten, dass natürlich jeden Moment jemand hätte reinkommen können. Dass wir es aber trotzdem getan haben und dass es total toll war!
"Wir haben morgen Wettkampf, Rückrunde gegen Degendorf."
"Morgen? Ich dachte erst nächste Woche."
"Guckst du eigentlich ab und zu auch mal auf den Wettkampfplan? Irgendwann wirst du mal einen Wettkampf verpassen und wir werden deinetwegen den Kampf als verloren gewertet kriegen."
"Ich bin mir sicher, du wirst mich immer rechtzeitig erinnern."
Nils verdrehte die Augen. Ich habe aber echt gedacht, dass das erst nächste Woche ist. Und das ist echt blöd. Oma kommt morgen wegen meines Geburtstages extra aus Hamburg. Den hätte ich ja beinahe auch noch vergessen und ich wollte doch eigentlich den Abend davor mit Nils zusammen verbringen. Jetzt ist wieder alles durcheinander und dann auch noch Auswärtskampf. Das heißt wir werden irgendwann um 10 Uhr am Abend wieder zurück sein, total fertig vom Wettkampf und dann habe ich zwei Stunden später schon Geburtstag. Wow, 18 Jahre! Eigentlich klasse. Vielleicht erwarten ja alles, dass ich eine große Party mache. Aber ich will gar keine Party, eigentlich will ich nur mit Nils zusammen sein, vielleicht noch mit Doris, Clemens und Phil, vielleicht noch mit Flo. Und wenn dann alle gegangen sind, sind nur noch Nils und ich zusammen und er schläft in meinen Armen ein. Mein Gott, ist das kitschig.
"Tim?! Wo bist du denn wieder?" Doris hatte wohl schon eine halbe Ewigkeit vor mir gestanden.
"Ich stelle mir gerade vor... ach egal."
"Feierst du gar nicht in deinen Achtzehnten rein?" fragte sie.
"Doch, und wenn alle gegangen sind, wird Nils in meinen Armen einschlafen", murmelte ich.
"Was?" Beide guckten mich entgeistert an.
"Nichts, nein gar nichts. Ich werde meinen 18. Geburtstag vermutlich in unserem stinkigen Vereinsbus zwischen Degendorf und Bergbach verbringen."
"Unser Bus stinkt nicht. Außerdem sind wir dann schon längst wieder zurück."

Ich erklärte ihnen, dass ich wahrscheinlich den ganzen Tag mit meiner Familie verbringen werde und ich ganz bestimmt keine große Party mache. Aber eigentlich könnten sie ja am Sonntagabend tatsächlich vorbeikommen, einfach so. Keine Riesenparty, aber einfach ein bissele feiern. Essen wird sowieso noch da sein und zu trinken auch.
"Also keine Party-Party sondern so ein Stehempfang?"
Was sollte ich denn sagen? Mir ist echt nicht nach Party. Dabei bin ich gar nicht schlecht drauf. Ich habe im Moment nur echt keine Lust auf die ganze Organisation, das Chaos, das Austicken bestimmter Leute. Das ist mir alles viel zu viel. Außerdem ist das alles viel zu kurzfristig. Warum habe ich mir eigentlich nicht schon viel früher darüber Gedanken gemacht? Vielleicht hätte ich ja die total verrückte Idee gehabt.

Jedenfalls sagte ich Doris und Flo, dass sie am Sonntagabend einfach vorbeikommen sollen, Nils wird ja hoffentlich sowieso da sein und dann ist gut. Vielleicht frage ich ja auch noch Tobi.

"Gehen wir heute Abend in die Tofa?" fragte ich Nils nach der Schule.
"Nein, wir treffen uns um sechs in der Halle."
"Wer?"
"Na, wir beide. Du und ich."
"Wieso?"
"Wir haben morgen Wettkampf und du trittst gegen Benji an."
"Ja doch, und ich werde verlieren und gut ist."
Das war ja nun genau das Falsche, Nils rastete fast aus und ich willigte ein, nur damit er endlich Ruhe gibt. Ich glaube immer mehr, dass ich nichts mehr unter Kontrolle habe, dass ich nichts mehr auf die Reihe bekomme, dass alles um mich herum nur noch passiert ohne dass ich darauf irgendwie Einfluss habe. Verrückt!

Donnerstag, 19. Februar 1998

19. Februar

"Wollen wir?"
Marcel stand vor mir und wollte einen Sparringskampf machen. Ich saß gerade mit Flo zusammen und wir redeten über Ina.
"Nee lass mal, heute nicht."
"Ok, dann ein anderes Mal." Er dreht sich um und ging zu Kevin.
"Verpiß dich", murmelte ich vor mich hin. Flo guckte mich fragend an: "Hast du Angst, dass du wieder ausrastest?"
"Nicht wirklich. Oder vielleicht doch. Hast du mitgekriegt, was er letzte Woche nach meinem Wurf gesagt hat? 'Du bist wirklich keine Schwuchtel'"
"Vielleicht dachte er, dass das ein Kompliment ist?"
"Na klar... ein Hetero macht MIR Komplimente wenn er sagt, dass ich keine Schwuchtel bin."
"Du bist ja auch keine."
"Wie jetzt?"
"Na, keine Schwuchtel. Du bist vielleicht schwul, aber eine Schwuchtel..." Ich war etwas verwirrt. Nein, nicht etwas, so ziemlich dolle verwirrt.
Nils setzte sich zu uns. Wir schwiegen. Ich hatte Flo noch gar nicht gesagt, dass Nils inzwischen weiß, dass er es weiß, dass...: "Ich habe Nils gesagt, dass du Bescheid weißt."
Nils guckte an die Decke und verdrehte die Augen.
"Gottseidank", sagte Flo, "das macht macht das alles ja viel einfacher."
"Wenn du irgendwem davon erzählst..." Nils' Stimme klang echt gefährlich.
"Nimm dich mal nicht so wichtig. Ok? Glaubst du, ich habe es nötig, das irgendjemandem zu erzählen? Warum? Wenn ihr beide nicht wollt, dass es jemand erfährt, warum sollte ICH das dann jemandem erzählen?"
Nils guckte mich mit offenem Mund an und ich war auch total baff von dieser einfachen Logik. Das war Flo!
Er stand auf. "Wenn jetzt eh keiner mehr ringen will, dann gehe ich jetzt duschen."
"Überhaupt", meinte Nils. "Was wollte Marcel denn von dir?" Meine Güte, diese Eifersucht.
"Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm ringe."
"Sieht so aus als wenn du NICHT wolltest."
"Er hat mir letzte Woche nach dem Wurf gesagt, dass ich garantiert nicht wie eine Schwuchtel ringe. Ich meine, wenn er auch noch so niedlich, geil oder sonst wie aussieht. Da habe ich echt keine Lust mehr mit ihm zu ringen. Wer sagt denn sowas: 'Du ringst nicht wie eine Schwuchtel'?""
"Machst du ja auch nicht. Du ringst eher untermittelmässig, aber du ringst nicht wie eine Schwuchtel."
Das war mir alles zu viel. Manchmal scheint die halbe Welt verrückt zu sein. Oder ich, keine Ahnung. Ich wollte meinen Kopf wieder frei bekommen: "Lass uns eine Runde ringen."
Nils guckte mich ganz erstaunt an: "Das haben wir ja schon lange nicht mehr zusammen gemacht."
Ich nickte: "Wenn du meinst ich bin untermittelmässig, dann muss ich doch besser werden, oder?"
"Da ist was dran."

Ich verlor drei Sparringskämpfe hintereinander. Aber immerhin nicht untermittelmässig. Ganz so leichtes Spiel wie früher hatte Nils diesmal nicht.



Mittwoch, 18. Februar 1998

18. Februar

"Nichts."
Wir saßen nach dem Training wieder am Rand der Matte, schauten gelangweilt dem Männertraining zu und ich musste Nils endlich danach fragen, was er gedacht hat, als Silvio diesen Spruch mit der Schwuchtel gemacht hat.
"Wie jetzt? Nichts? Das glaube ich dir nicht. Du willst mir doch nicht erzählen, dass dir das total am Arsch vorbeigeht."
"Mensch, das war ein blöder Spruch. Mehr nicht."
"Nils, ich glaube dir nicht. Warum musstest du gaaanz dringend mit Werner sprechen? Verdammt noch mal, der Penner hat mich beleidigt und der Penner hat dich beleidigt. Nils, ich bin schwul und du bist schwul und du sagst, das war nur ein dummer Spruch?!"
Nils schwieg. Dann begann er ganz leise: "Genau aus dem Grund. Genau deshalb darf es niemand wissen. Wir können es niemandem erzählen. Wir dürfen es niemandem mehr erzählen, es wissen sowieso schon zu viele Leute. Verstehst du nicht? Du verstehst nicht, warum ich es niemandem sagen will? Der Spruch von Silvio ist der Grund , warum ich so vorsichtig bin, warum ich nicht will, dass irgendjemand erfährt, dass du, dass ich..." Nils schaffte es nicht einmal mehr das Wort 'schwul' auszusprechen.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Von seinem Standpunkt aus, hatte er Recht damit, alles zu verheimlichen. Aber ich will nicht so leben. Und waren nicht Doris, Phil und Flo der beste Beweis dafür, wie gut es gehen kann? Überhaupt Flo. Ich wollte Nils nicht länger anlügen: "Flo weiß es."
Nils guckte mich an. Dann machte er die Augen zu. "Warum machst du das Tim? Warum musst du es überall rumerzählen? Verdammt noch mal, du siehst doch was passiert. Flo hat das bestimmt rumerzählt." Nils' Stimme wurde panisch und er fing an zu zittern. Eigentlich hätte ich in den Arm nehmen müssen, aber das ging in der Halle natürlich nicht. Ich versucht so langsam und so ruhig wie möglich zu reden: "Flo hat nichts weiter erzählt. ER war da und hat mir geholfen am Donnerstag."
"Bitte Tim, erzähl es niemand mehr. Bitte. Du weißt nicht wie das hier ist. Es darf keiner weiter wissen. Bitte!" Nils flehte wirklich.
"Versprochen!"

Er ist mein Freund. Er ist der, den ich liebe.Und ich will nicht, dass er Angst hat!

Dienstag, 17. Februar 1998

17. Februar

"Ein bissele schneller kanscht scho' fahre'"
Heute war Autobahn dran und ich fand mich richtig gut. Auch wenn ich nicht sooo schnell gefahren bin. Ich hatte immer wieder die blöde Idee, was wohl passieren würde, wenn ich das Lenkrad jetzt einfach mal loslassen würde. Bekloppt. Habe ich natürlich nicht gemacht.

Nach dem Krafttraining war mir noch nach richtigem Training. Ich fragte Nils, ob er noch eine Stunde mit mir trainieren will. Er guckte mich ganz erstaunt an: "Was ist denn plötzlich mit dir los?"
"Keine Ahnung, ich habe einfach Lust noch ein wenig Sparring zu machen."
Es war eine schöne Trainings-Session. Das haben wir lange nicht mehr gemacht, einfach ganz locker, Angriff und Verteidigung üben. Ohne viel Kraft aber trotzdem mit Technik.
"Nicht schlecht", meinte Nils, "ich glaube neben deinen Wutausbrüchen ist wirklich deine Schnelligkeit deine Stärke."
"Wutausbrüche?"
"Na klar, wenn du über irgendwas sauer bist, dann ringst du viel aggressiver und besser."
"Ich weiß nicht ob das unbedingt besser ist. Ich kriege manchmal dann echt Angst vor mir selber."
"So lange du dich unter Kontrolle hast ist doch alles ok."
"Und was, wenn ich das mal nicht habe?"
Nils zuckte mit den Schultern.

Montag, 16. Februar 1998

16. Februar

"Übrigens war dein Wurf am Donnerstag echt klasse."
"Du hast doch gar nicht zugeguckt. Du hast mit Werner gequatscht."
"Natürlich habe ich ihn gesehen. Wenn du es jetzt noch schaffst, die Energie genau im richtigen Moment einzusetzen, dann wirst du echt klasse."
Ich glaube, Nils hat immer noch nicht verstanden, warum ich so ausgerastet bin. Ich glaube er hat es echt nicht verstanden, wie es mir nach dem Spruch von Silvio ging.

Und ich frage mich, wie Silvio eigentlich darauf gekommen ist, den Spruch zu machen. Flo hat zwar gesagt, dass da nichts ist, aber trotzdem ist da verdächtig.

Jedenfalls war das Training heute wie immer und Silvio machte keinen dummen Spruch. Nein, es war nicht wie immer. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es doch anders ist. Eigentlich war ich fast von Anfang an richtig ein Teil der Mannschaft. Ich war lustig, habe rumgeblödelt, ganz oft alles gar nicht so ernst genommen. Manchmal war ich genervt und ruhig und dann war es auch ok. Manchmal habe ich verloren gewonnen, manchmal habe ich gewonnen und alle fanden es toll. Doch heute hatte ich den Eindruck, dass sie mich richtig respektieren; so wie sie Nils als Super-Crack-Ringer respektieren. Naja, ok nicht ganz so. Und niemand hat ja auch wirklich etwas gesagt. Aber vielleicht bin ich ja wirklich ein bißchen weiter aufgestiegen. Durch so eine Aktion? Durch so einen Wutausbruch? Vielleicht bilde ich mir das Ganze ja auch nur ein.

Ich ging nach dem Training nicht mit den anderen in die Umkleide. Ich blieb auf der Matte sitzen und schaute der Männermannschaft beim Training zu. Nils kam dazu: "Was ist los?"
"Ich weiß nicht. Ich will noch nicht gehen."
"Ist alles in Ordnung?"
"Ja. Echt. Ich will einfach nur noch ein bißchen hier sitzen und nachdenken."
"Worüber denn?"
"Über alles, über nichts. Keine Ahnung."
Nils sah ratlos aus. Should I stay or should I go. Eigentlich sollte das keine Frage sein. Er setzte sich neben mich. "Mein kleiner verrückter Tim", flüsterte er. Und ich hätte ihn genau in dem Moment so gerne in den Arm genommen und geküsst, meinen kleinen, nicht mehr ganz so großen, verrückten Nils.
"Shit!"
Ich bin gerade aufgewacht. Ich habe immer wieder an das Gespräch zwischen mir und Nils am Samstag denken müssen. Bis in meinen Traum rein ging das. Und auf einmal fiel mir ein, was ich gesagt hatte. Ich war mir erst nicht ganz sicher, aber ich habe es auch so aufgeschrieben: 'Der Einzige, der da war und der mit geholfen hat war Florian.'
Damit habe ich eigentlich gesagt, dass Flo Bescheid weiß. Zwar nicht direkt, aber doch irgendwie. Shit, hoffentlich hat Nils das nicht wirklich mitbekommen, oder nicht so verstanden.

Sonntag, 15. Februar 1998

15. Februar

"Gibt es eigentlich irgend etwas, was du nicht besser kannst?"
"Nein, echt jetzt mal, wenn du quasi die Verlängerung der Strecke durch den Schwerpunkt der Kugel nimmst, dann hast du den Aufprallpunkt..."
"Tim...?"
"Ja?"
"Halt einfach den Mund und laß mich spielen."
Jaja, ich konnte ja mal wieder meine Klappe nicht halten. Zum Glück war Nils nicht wirklich sauer und es war ein schöner Abend. Eigentlich so, als wäre nie etwas gewesen.
Ich frage mich, ob das bei anderen schwulen Jungs auch so ist. Immer dieses Hin und Her, dieses Verstecken, dieses Angst haben.Ok, Jonas braucht sich nicht mehr zu verstecken nachdem es die ganze Schule weiß. Aber was ist mit seinem Freund? Wie war das vorher?
Jetzt bin ich zu Hause und Nils fehlt mir. Es wäre so schön, wenn er jetzt neben mir liegen würde. Einfach nur so. Obwohl ich schon bei dem Gedanken daran einen Ständer bekomme.
"Hey, wie geht's dir?" Das war Flo. Das war tatsächlich Flo am Telefon.
"Eigentlich wieder ganz ok."
"Es tut mir echt leid, was da passiert ist am Donnerstag."
"Du kannst du nichts dafür. Überhaupt: Danke, dass du nicht mitgelacht hast und danke, dass du hinterher da warst."
"Kein Ding. Was hat Nils gesagt?"
Ja, ich überlegte. Was hat Nils eigentlich gesagt. "Ich glaube für ihn ist das Alles noch viel schwerer als für mich. Ich fand es einfach nur schlimm, dass ER nicht da war, dass er einfach unsichtbar war. Aber wir haben darüber geredet und vielleicht verstehe ich ihn etwas besser."
"Ich glaube ich könnte das nicht, immer dieses Versteckspiel."
"Wie war Nils eigentlich früher?" Ganz plötzlich war mir diese Frage eingefallen, "also bevor ich nach Bergbach gekommen bin."
"Was meinst du? Ich weiß gar nicht, ich glaube er hatte mal eine Freundin, aber ich weiß nicht mehr, wer sie war. Und sonst, sonst war er so wie jetzt auch. Nicht anders, aber ich habe auch nicht wirklich viel mit ihm gequatscht."
Der Flo. Vielleicht muss ich wirklich immer wieder daran denken, dass es ein paar Leute gibt, mit denen ich richtig reden kann, die wissen, dass ich schwul bin und die alle damit kein Problem haben. Das macht das alles wenigstens ein bißchen einfacher.
Jetzt gibt es erst mal Mittag und später treffe ich mich mit Nils zum Billard.

Samstag, 14. Februar 1998

14. Februar

"Warum machst du das alles nur so kompliziert?"
Ich dachte, ich höre nicht richtig.
"Was mache ich denn kompliziert?" Ich versuchte ruhig zu bleiben.
"Du machst aus allem immer einen totalen Aufstand. Ich fahre nach Leipzig, du bist sauer. Jemand macht einen dummen Spruch und du wirfst deinen Gegner durch die halbe Halle."
Ich schwieg und wusste nicht, was ich sagen sollte. Vielleicht hatte er ja irgendwo auch ein bisschen recht, aber nein, so stimmte das doch alles nicht. Ich guckte runter ins Tal. Es war saukalt und eine saublöde Idee von Nils, sich hier oben zu treffen. Ich versuchte, das Ganze auszudröseln, eines nach dem anderen. Ich erklärte ihm, warum ich wegen Leipzig so sauer war. Dass es nicht deswegen war, weil er mit anderen Jungs zusammen war und auch nicht deswegen, weil es um seine Zukunft als Ringer ging.
"Ich komme in deiner Zukunft nicht vor", sagte ich und versuchte, ihm in die Augen zu gucken.
Jetzt schwieg Nils und ich glaubte, dass er zum ersten Mal verstand, wo das Problem liegt.
"Natürlich bist du da, ich meine, auch in Zukunft, aber..."
Und wieder hatte ich dieses seltsame Gefühl. Was ist, wenn Nils sich irgendwann einmal entscheiden muss? Wird er sich für mich, für UNS entscheiden? Und ich habe die totale Panik, dass er das nicht machen wird. Er wird sich immer für das Ringen entscheiden, er wird sich immer dafür entscheiden niemandem zu sagen, dass er schwul ist, er wird sich immer dafür entscheiden, sich zu verstecken.
Und dann guckte ich ihn wieder an, meinen Nils. Mein Nils, der gar nicht mehr nur stark war, mein Nils, der mir immer öfter so klein und so schwach vorkam. Ich konnte nicht anders und nahm ihn in den Arm und drückte ihn.
"Ich will doch nur, dass wir zusammen sind, dass wir zusammen bleiben", flüsterte ich und hielt ihn fest. "Ich will, dass wir füreinander da sind."
"Das sind wir doch."
"Das sind wir nicht." Ich löste meine Umarmung und schaute ihm in die Augen. "Ich habe dich gebraucht. Als die Sache mit Silvio und Kevin war, habe ich dich gebraucht. Und du warst nicht da. Du bist weggelaufen. Und der Einzige, der da war und mir geholfen hat war Florian, der war da als du weggelaufen bist. "
"Ich bin nicht..."
"Nils, bitte...!" Ich klang plötzlich wie mein Vater: "Du bist weggelaufen, weil du nicht wusstest, was du machen solltest."
Er schwieg und biss sich auf die Unterlippe. Ich hatte recht gehabt. Er hatte wirklich Angst, Angst, dass wenn er zu mir steht, er in diese ganze Sache mit Silvio mit reingezogen wird. Und dann sagte ich etwas total verrücktes. Ich weiß nicht wieso. Vielleicht, weil ich nur noch ihn sah, vielleicht weil er nie wieder dieser große, starke, tolle Nils sein würde, der er immer für mich war, vielleicht, weil ich ihn plötzlich sah wie er wirklich war. Ich nahm seinen Kopf in meine Hände, küsste ihn und sagte: "Wenn du willst, wird es niemand erfahren. Wir bleiben für uns, wir passen aus, niemand braucht es zu wissen, dass wir zusammen sind, niemand wird wissen, dass wir schwul sind."
Was hatte ich da gesagt? Aber vielleicht war es ja die einzige Möglichkeit, Nils davon zu überzeugen, dass wir zusammen gehören. Ihm zu zeigen, dass ich ihn liebe. Und ich meine es wirklich ernst. So lange, wie wir zusammen sind, ist alles gut.
Und plötzlich fing er an zu weinen. Die Tränen liefen über sein Gesicht. Ich küsste sie weg. "Warum ist das alles so schwer?" fragte er.
"Wenn wir zusammen sind, ist es nicht mehr so schwer", war das einzige was mir einfiel.
Nils schwieg. Eine halbe Ewigkeit schwieg er. Es war mittlerweile dunkel geworden und noch kälter. Ich zitterte.
"Lass uns irgendwohin gehen, wo es warm ist", schlug er vor. Ich nickte nur noch, so kalt war mir.

"Ein Glühwein? Jetzt. Im Februar."
"Warum nicht?"
"Weihnachten ist vorbei."
Wir waren schweigend zurück nach Bergbach getapert und waren schließlich im Melody gelandet. Ich brauchte irgendwas, was mich wieder ins Leben zurück holte. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so gefroren hatte. Aber es gab tatsächlich Glühwein.
"Was passiert, wenn die mich tatsächlich irgendwo wollen, wo du nicht hin willst? Schifferstadt oder Köllerbach?"
Ich schüttelte den Kopf: "Ich weiß es nicht. Vielleicht wollen sie dich ja in Luckenwalde haben, das ist doch in der Nähe von Berlin. Oder vielleicht auch hier."
Nils zuckte mit den Schultern: "Ich weiß es nicht."
"Wir reden drüber, wenn es so weit ist. Ok? Aber wir reden drüber. Zusammen!" Ich hatte keine Frage gestellt, ich hatte einfach gesagt, was wir machen werden.
Nils guckte mir lange in die Augen, dann sah er sich um und plötzlich küsste er mich. Nils küsste mich in der Öffentlichkeit. Und auch wenn uns niemand sah wurde mir heiß und kalt.

"Wir sehen uns morgen, ok?"
"Ok."
Der Abschied an unserer Kreuzung ist immer so schön und gleichzeitig so grausam.

Jetzt sitze ich in meinem Zimmer. Gehe jedes Wort, jeden Blick, jeden Kuss noch einmal in Gedanken durch. Ich weiss, dass Nils DER ist, den ich liebe, den ich immer lieben werde. Ich hätte ihn jetzt so gerne bei mir. Neben mir. Einfach nur wissen, dass er da ist.

Aber ich weiss, er ist da!



Freitag, 13. Februar 1998

13. Februar

"Du bist an einem Freitagabend zu Hause? Fas ist ja ganz ungewöhnlich. Bist du krank?"
Mom klang tatsächlich besorgt. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich will nicht weggehen, ich will nirgendwohin gehen. Sitze in meinem Zimmer, höre unendlich traurige Musik.
"Wo warst du gestern? Ich habe auf dich gewartet nach dem Training."
"Ich hatte was mit Werner zu besprechen."
"Und dann bist du einfach so verschwunden? Einfach so, ohne mir Bescheid zu sagen. Ohne dich von mir zu verabschieden? Du bist einfach so abgehauen, nachdem was da passiert ist."
"Was hätte ich denn machen sollen? Du hast doch einen perfekten Schulterwurf hinbekommen."

Ich guckte Nils an. Ich versuchte irgend etwas in seinem Gesicht zu lesen. Und plötzlich war mir klar, was ich sah: Es war Angst. Nils hatte tatsächlich Angst. Er war nicht da gewesen, weil er Angst hatte. Er konnte mir nicht helfen, weil er Angst hatte. Er konnte mir nicht helfen, verdammt, ICH mußte ihm helfen. Ich ging auf ihn zu, wollte ihn in den Arm nehmen. Er wich zurück: "Tim!"
Ja, verdammt noch mal, es war große Pause und wir standen auf dem Schulhof. Aber was sollten wir machen? Wir haben uns beide, wir beide gegen den Rest der Welt. Gegen die Idioten, die nicht verstehen können, das sich zwei Jungs genau so lieben können wie ein Junge und ein Mädchen. Warum halten nicht wenigstens wir zusammen? Doch Nils drehte sich um: "Wir reden morgen. Morgen Nachmittag an unserer Stelle am Kochertalweg", sagte er und ging in Richtung Glaskasten.

Es ist aus. Es muß aus sein. Das war es. War das alles? War das jetzt wirklich alles? Ich kann nicht mehr denken, ich kann nicht mehr schreiben. Alles verschwindet, Nils ist weg. Was wäre passiert, wenn ich zu Silvio gegangen wäre und vor allen anderen gesagt hätte: 'Ja, ich bin schwul! Hast du damit ein Problem?' Was wäre passiert? Was hätte NILS gemacht? Ich habe Angst vor der Antwort, obwohl ich sie kenne. Nils, mein Nils hätte mich nicht mehr gekannt. Mich nie wieder abgesehen. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer paßt alles zusammen.
Ich kann nicht schlafen. Ich heule nur noch. Es ist als wenn um mich herum alles verschwindet. Es ist nichts mehr da. Niemand. Verdammt noch mal Nils, du fehlst mir. Genau jetzt. Warum bin ich nur so alleine?

Donnerstag, 12. Februar 1998

12. Februar

"Na, jetzt kannst du nicht mehr ringen wie eine Schwuchtel. Jetzt zeig mal, was du kannst." Dimitri hatte Marcel und mich zum Sparringskampf  eingeteilt, was Silvio veranlaßte durch die ganze Halle zu grölen. Von einer Sekunde auf die andere wurde mir kochendheiß. Es war, als wenn mir jemand den Boden unter den Füssen weggezogen hätte. Stille, warum zum Teufel war es nicht still? Nein, alles lachte, grölte, kicherte. Alle schienen das einfach nur lustig zu finden. Nur Nils guckte krampfhaft auf den Boden und Flo warf mir einen Blick zu, als würde er sich für die anderen entschuldigen wollen.

Ich versuchte meinen Kopf wieder klar zu bekommen. Bloß nichts anmerken lassen. Doch was sollte ich machen? Ich konnte nicht mitlachen. Es ging nicht. Ich merkte, wie die Wut in mir hochstieg. Am liebsten wäre ich auf Silvio losgestürmt. Statt dessen stapfte ich auf die Matte und tat so, als würde mich das alles kalt lassen. Doch je ruhiger ich nach außen wirkte, desto mehr kochte die Wut in mir hoch.

Und diese Wut bekam nun Marcel ab. Ich hatte noch nie so einen perfekten Schulterwurf zustande gebracht. Noch dazu einen  Schulterwurf bei einem Gegner, der zwei Gewichtsklassen über mir war. Ich hörte den Knall, als er auf der Matte landete, ich spürte tatsächlich, wie der Boden bebte und ich hörte wie Marcel aufschrie: "Scheiße nochmal!"

Ich bekam einen tierischen Schreck. Was hatte ich gemacht? Was war passiert? Doch zum Glück hatte er sich nichts getan. "Schon alles in Ordnung", meinte er, als er meinte erschrecktes Gesicht sah: "Du bist wirklich keine Schwuchtel." Er lachte über seinen eigenen Witz, machte einen Highfive mit Silvio und trainierte mit Kevin weiter.

Was um alles in der Welt ging da ab? Wie kommt Silvio plötzlich auf diese Scheiße? Und Marcel? Was ist denn das für ein Arsch? Ich wollte mit Nils reden, doch der ging gerade mit Werner in Richtung Trainerbüro.

Ich taperte in die Umkleide. Mein Herz schlug wie wild, ich war wütend, ich wollte irgendetwas kaputtschlagen. Doch da war nichts. Ich versuchte die Tränen zurückzuhalten, doch das klappte nicht. Die Tür ging auf und ich verstecke mein Gesicht im Handtuch. Keiner soll mich so sehen, wenn mich die anderen so sehen bin ich tot.

"Tim, ich bin's. Alles in Ordnung?" Flo. Gottseidank war es Flo. Ich wischte die Tränen aus meinem Gesicht und schüttelte den Kopf: "Nichts ist in Ordnung."
"Laß ihn reden. Silvio ist ein Penner, das wissen alle."
"Alle, ja, alle haben gelacht. Alle fanden das total lustig. Was läuft hier gerade für ein Ding? Was ist hier los? Weißt du irgendwas?"
"Nichts, da läuft bestimmt nichts. Das ist einfach nur Silvio. Für den ist jeder, der nicht so ist wie er schwul." Vielleicht hatte er ja recht. Aber ich fühlte mich plötzlich so klein. So verletzlich, so gedemütigt.
"Tim, du musst wieder reingehen und zwar schnell. Sonst wird es nämlich wirklich verdächtig."
Er hatte recht. "Und jetzt setze wieder deinen arroganten Hanseatenblick auf."
"Was?"
"Deinen typischen Eigentlich-langweilt-ihr-mich-alle-Blick, den du so perfekt beherrschst."
"Was? Ich? Also..." gerade wollte anfangen zu motzen, als ich plötzlich loslachen musste.
"Ok", meinte Flo, "lachen geht natürlich auch."

Kein Nils. Kein Nils weit und breit. Nachdem er mit Werner in Richtung Trainerbüro getapert war, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Nicht mehr auf der Matte, nicht mehr nach dem Training in der Umkleide. Ich warte vor der Halle, dann ging ich noch mal rein. Niemand war mehr da, nur noch das Putzteam. War Nils echt schon gegangen? Ohne mich? Ohne mit mir zu reden?

Ich taperte alleine nach Hause. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal nach dem Training alleine nach Hause gegangen bin. Was war plötzlich los? Wo war er?

Ich habe versucht ihn anzurufen. Er geht nicht ans Telefon, niemand von seiner Family. Was geht hier ab????

Mittwoch, 11. Februar 1998

11. Februar

"Und worüber wollt ihr nun genau reden?"
"Wie es weitergeht mit uns."
"Wollt ihr euch etwas trennen?"
"Nein, natürlich nicht, aber..."
"Was denn dann. Herrjeh, was seid ihr Männer kompliziert."
Doris versteht das nicht.
"Nils geht vielleicht nach dem Abi irgendwo hin, in irgendein Provinznest, nur damit er da in der Bundesliga oder sonstwo ringen kann und ich, ich weiß niht, was ich dann machen soll."
"Aber bis zum Abi ist es doch noch ewig hin. Wollt ihr denn JETZT schon so weit planen?"
"Nils plant, ich gar nicht."
"Du hast doch auch schon Pläne für die Zeit nach dem Abi."
"Ja, aber doch realistische Sachen und vor allem Sachen mit ihm zusammen."
"Wartet doch einfach ab, was passiert. Warum macht ihr denn alles so kompliziert? Laßt das doch einfach auf euch zukommen und wenn es an der Zeit ist Entscheidungen zu treffen, dann setzt euch zusammen. Aber doch nicht jetzt schon."

Vielleicht hat Doris ja recht. Vielleicht ist es jetzt wirklich noch viel zu früh, dass ich mir Gedanken darüber mache, was mit Nils und mir nach dem Abi wird. Aber die ganze Sache mit Leipzig hat mich so durcheinander gebracht. Und irgendwann in den nächsten Tagen kriegt er schließlich Bescheid, welcher Verein ihn will. Oder auch nicht. Vielleicht will ihn ja gar kein Verein? Oder vielleicht Luckenwalde? Das wäre ja wenigstens in der Nähe von Berlin. Ich werde noch irre, jetzt mache ich schon wieder Pläne für uns, für ihn.

Das Training rauschte heute an mir vorbei. Ich machte die Griffe mechanisch, war froh, dass Marcel brav und fleissig mit Kevin trainierte. Und Nils und ich unterhielten uns über belanglose dinge auf dem Heimweg. Abschiedskuss und nun bin ich wieder alleine zu Hause.

Das ist doch alles eigentlich so bekloppt. Warum ist das Leben nur so kompliziert wenn man schwul ist. Es ist so ungerecht! Wir müssen immer aufpassen, irgendein Theater spielen. Der darf es nicht wissen, der weiß es, darf es aber nicht weitererzählen. Die Eltern anlügen. Nein, ich habe keine Zeit für eine Freundin. Ja, irgendwann, na klar. Ich bin heute bei Nils, um Sachen vom Training durchzugehen... Ich will das alles nicht mehr. Ich will nicht mehr lügen, will mich nicht mehr verstellen!!!
Das ist alles so Scheiße!!!!!

Dienstag, 10. Februar 1998

10. Februar

"Ich weiß es nicht, echt nicht."
Ich hatte Nils gefragt, wann er denn nun Bescheid bekommt, welcher der vielen Bundesligavereine sich um ihn reißt. Naja, nicht ganz so. Aber er meinte, daß sie sich irgendwann eben bei ihm melden.
"Aber was passiert denn, wenn zum Beispiel Schifferstadt sagt 'Ja, den Nils wollen wir.' Was machst DU dann?"
"So richtig habe ich mir das noch nicht überlegt."
Na toll! Das war ja mal wieder typisch Nils.
"Wie jetzt? Willst du die Schule wechseln, nach Schifferstadt gehen, nur um da weiter zu ringen?" Meine Stimme war wahrscheinlich etwas zu laut, denn einige Leute im Kraftraum guckten zu uns rüber. Dabei fällt mir ein, ich muß gleich mal nachgucken, wo Schifferstadt überhaupt ist.
"Nein, ich mache auf jeden Fall hier das Abi fertig."
"Na wenigstens etwas...", murmelte ich.
"Tim..."
"Ja?"
"Du könntest ja mitkommen."
Ich guckte ihn an. Er meinte das ernst. Er meinte das wirklich ernst und glaubt echt, daß ich mitgehe, wenn er zu irgendeinem Ringerverein in die Pampa geht.
Und plötzlich, ganz plötzlich passierte etwas mit mir. Ich weiß nicht wie und ich weiß nicht warum. Es war irgendwie seltsam: Plötzlich hörte ich mich sagen: "Ich glaube, wir müssen uns wirklich mal über uns sprechen. Wie es mit uns weitergeht."
Als ich das gesagt hatte, wurde mir klar, WAS ich da eigentlich gesagt habe. Und mir wurde heiß und kalt. Nils guckte mich an. Ich versuchte etwas in seinen Augen zu lesen. Doch meine eigenen Gefühle waren viel zu stark. Ich hätte ihn in diesem Augenblick einfach nur so gerne in Die Arme genommen, ihn festgehalten und ihn nie wieder losgelassen.
Nils nickte.
"Samstag?"
"Samstag." Damit verschwand er in der Umkleide.
"Na das kann ja heiter werden."
Mein Fahrlehrer ist echt eine Motivationsbremse. Ich meine, es gibt doch noch mehr Straßen auf der Welt als die in der viel zu engen Altstadt von Bergbach. Ich merkte wie mir echt abwechselnd heiß und kalt wurde. Und dabei hatte ich mich echt so auf die Fahrschule gefreut.

Jetzt gehe ich erst mal zum Krafttraining, meinen Frust loswerden.

Montag, 9. Februar 1998

9. Februar

"Es war einfach total geil."
Nils war der umschwärmte Mittelpunkt. Seine Augen glänzten und ich sah, wie er irgendwo im siebenten Ringerhimmel schwebte.

Blöderweise konnte ich ihn nicht vom Bahnhof abholen, denn erstens hatte er mir gar nicht gesagt, wann er überhaupt ankommt und dann hatte mich Doris gefragt, ob ich mit ihr in die Klinik komme um Lena abzuholen. Anscheinend konnten Clemens und ihre Eltern nicht oder vielleicht hatte sie auch einfach keine Lust, auf irgendwelche Diskussionen. Naja, dann also nach Der Schule in die Klinik, Papierkram, zu Doris nach Hause, Quatschen, mit Lena spielen. Dann zu mir, Sportsachen packen und dann noch fast eine halbe Stunde zu spät zum Training. Und so konnten wir uns gar nicht richtig begrüßen. Die ganze Szene kam mir so unwirklich vor.

Und ich mußte immer wieder daran denken, was wohl passieren würde, wenn Nils erfährt, dass ich am Samstag mit Marcel trainiert habe. Obwohl eigentlich, eigentlich hat er ja auch mit anderen Leuten am Wochenende gerungen, warum ich nicht auch? Ich merke, wie ich mir schon wieder irgendelche Sachen zurechtbastele. Na wenigstens trainierte Kevin mit Marcel heute richtig.

Dann endlich auf dem Heimweg: Allein mit Nils. Doch die Stimmung war immer noch seltsam. Nicht ganz so seltsam wie die Tage vor seiner Fahrt, aber es war nicht wie früher.
"Was hast du für ein Gefühl", wollte ich wissen?
"Ich weiß es nicht. Nein, es war auf jeden Fall toll, und ich glaube ich war nicht schlecht."
"Du bist nie schlecht", ich versuchte einen Scherz zu machen. 
"Es waren echt jede Menge Leute da, aus ganz Deutschland, aus Schifferstadt, Köllerbach, Luckenwalde..."
Ich frage mich, warum Ringen anscheinend immer nur an solchen komischen Orten populär zu sein scheint. Vielleicht weil es in dort außer dem Spielmannszug, der Freiwilligen Feuerwehr und dem Ringerverein nichts Spannendes gibt?
"Und bestimmt viele hübsche Jungs...", ich wußte nicht, warum mir das so rausgerutscht war. Nils blieb stehen, sein Redeschwall hatte aufgehört und er guckte mich an: "Warst du DESHALB so komisch in den letzten Tagen? Glaubst du ich bin wegen der anderen Jungs da hin gefahren?" Nein, das glaubte ich wirklich nicht. Ich weiß auch nicht, warum mir das so rausgerutscht war. Natürlich war es mir durch den Kopf gegangen, was Nils an den Abenden in Leipzig machte. Auf der anderen Seite wußte ich, daß er an diesem Wochenende kaum etwas anderes als Ringen im Kopf gehabt haben dürfte.
Statt zu antworten nahm ich ihn einfach in den Arm. Wieder einmal war es mir total egal, ob uns jemand sah. "Du hast mir gefehlt", flüsterte ich. 
"Du hast mir auch gefehlt."
Ein langer Kuß. Nils ist wieder da. Es ist wie immer!

Sonntag, 8. Februar 1998

8. Februar

"Hi, wie geht's? Alles klar bei dir? Ich wollte dir nur sagen, dass die Kämpfe vorbei sind. Aber wir kriegen noch gar nicht Bescheid. Erst irgendwann in den nächsten Wochen. Echt blöd."
Nils! Wie ich mich freute, seine Stimme zu hören. Ich war schon halb eingeschlafen. Es klang so, als wenn er in irgendeiner Halle steht. Naja, Telefon werden sie in der JUH nicht auf dem Zimmer haben. Morgen kommt er zurück.

Ich habe ihm nichts von meinem Training mit Marcel erzählt. Was hätte ich ihm auch erzählen sollen. Soll ich es ihm überhaupt erzählen? Und wenn Marcel davon erzählt?
"Bin ich fertig."
"War es zu heftig?"
"Nein, schon ok. Mir fehlt eben im Moment die Kondition."
Eigentlich hätte es mir ja Spaß machen sollen, mit Marcel zu trainieren. Aber so richtig spannend fand ich es dann doch nicht. Der Gewichtsunterschied ist schon zu merken, auch wenn wir nur auf Geschwindigkeit und Technik trainiert haben. Aber wenigstens bin ich richtig schön ausgepowert, eigentlich ein ganz gutes Gefühl.

Und ich muß an Nils denken. Was er jetzt wohl macht. Er hat eigentlich so gar nichts erzählt wie der Zeitplan da ist. Oder vielleicht hat er es auch erzählt und ich hatte nur nicht zugehört. Und plötzlich wurde mir heiß und kalt: Wir waren das ganze letzte Jahr eigentlich fast immer zusammen und jetzt ist er irgendwo out in the middle of nowhere zusammen mit jeder Menge anderer Jungs. So eine Scheiße! Warum bin ich nicht mitgefahren? Andererseits, so wie ich Nils kenne gibt es für ihn nur Ringen, Ringen und Ringen. Und was, wenn wirklich irgendein anderer Verein ihn haben will? In Sachsen, Thüringen, Luckenwalde oder sonst wo?
Und mir fällt auf, dass ich keine Ahnung habe, was ER eigentlich – außer dem Ringen – nun wirklich nach dem Abi machen will.


Ich gehe Laufen, es ist bitterkalt und ich kriege den Kopf nicht frei. Nils mit anderen Jungs in irgendeiner Jugendherberge. Nils und sein Traum vom Ringen. Ich und mein Traum von Hamburg oder Berlin oder sonst wo. Nur nicht Bergbach, Schwaben, Baden…

Samstag, 7. Februar 1998

7. Februar

"Schön, daß du da bist."
Irgendwas hatte mich zum Bahnhof getrieben. Ich wußte, daß Nils' Zug ganz früh losfuhr. Ich brauchte keinen Wecker. Da stand er, mein Nils. Auf dem Weg nach Leipzig. Und er freute sich, mich zu sehen. Er zog mich in eine Ecke vom Bahnsteig, wo uns niemand sehen konnte und gab mir einen langen Kuß.
"Ich drücke dir die Daumen", hörte ich mich sagen. Und das war noch nicht mal gelogen. Was für ein Wahnsinn. An diesem Wochenende entscheidet es sich, ob Nils, mein Nils, irgendwo nach dem Abi in irgendeiner Liga ringt und ich drücke ihm die Daumen, daß er möglichst gut abschneidet und nicht hier bei mir bleibt. Ich muß ja reichlich bekloppt sein!
Der Zug fuhr ein. Ich sah, wie Benji den Bahnsteig langrannte.
"Jeez, der kommt auch mit? Da haben sich ja zwei Verrückte getroffen", lachte ich.
"Sieht ganz so aus", sagte Nils und stieg ein. Ein lange Blick zum Abschied ehe sich die Türen schlossen. Scheiß verspiegelte Scheiben. Der Zug rumpelte aus dem Bahnhof. Ich blickte ihm lange hinterher. Heiko würde nie einem Zug hinterher gucken, nicht mal eine Sekunde. Heiko! Und wie auf Bestellung rief er am Vormittag bei mir an.
"Hi, na du, was geht?"
"Nichts."
"Wieso?"
"Weil es mir scheiße geht. Deshalb."
"Hey, ich war in Stuttgart."
"Ja, ich weiß. Ich habe versucht, dich anzurufen und deine Mom hat gesagt, daß du hier unten bist. Was hast du denn hier gemacht?"
"Ist doch egal."
"Wie? Egal? Warum hast du dich nicht mal gemeldet?"
"Das wäre irgendwie doof gewesen. Ich habe ja keine Zeit gehabt, bei dir vorbeizukommen. außerdem hätte es auch nicht gepaßt."
Es hat nicht gepaßt? Ich frage mich echt, wer hier der Bekloppte ist. Ich hätte ihm eigentlich so viele Sachen an den Kopf werfen wollen, so von wegen, daß er sich ja bestimmt eine Stunde Zeit hätte nehmen können, wenn er schon den weiten Weg von Köln nach Stuttgart gekommen ist. Daß er sich wenigstens hätte melden können, wenn ich ihm irgendwas bedeuten würde. Nichts habe ich gesagt. Ich weiß nicht, warum ich es nie schaffe, Heiko zu sagen, warum ich sauer auf ihn bin. Es geht einfach nicht. Vielleicht liegt es ja da dran, daß ich Angst habe, daß ich ihn dann ganz verliere. Ich weiß es nicht.
"Tim?"
"Ja."
"Bist du noch da? Du sagst nichts."
"Sorry, ich war mit den Gedanken woanders."
"Warum hast du denn bei mir angerufen?"
Warum hatte ich damals bei ihm angerufen? Wegen Marcel und Nils und überhaupt. Aber ich hate keine Lust mehr, ihm das zu erklären: "Keine Ahnung, einfach so."
"Was machen deine Männer?"
"Nils ist in Leipzig, zum Talentscouting."
"Ach du Scheiße. Und du bist nicht dabei?"
"Ich glaube nicht, daß sich auch nur irgendein Trainer für MICH interessieren würde."
"Ich meine ja auch nicht zum Ringen, sondern vielleicht ja einfach um ihm die Daumen zu drücken."
"Vielleicht will ich ja gar nicht, daß er irgendwo anders hingeht?"
"Das ist ein Argument. Und was machst du heute noch? Ich meine, du hast ja jetzt fast sturmfreies Wochenende."
"Hallo? Hast du schon vergessen. Ich habe einen Freund."
"Na und, man kann doch trotzdem Sex haben."
"Mein Gott, kannst du nur an das Eine denken?"
"Was ist denn los mit dir? Bis du sauer?"
"Warum sollte ich sauer sein?"
"Du BIST sauer. Du bist sauer, weil ich nicht Bescheid gesagt habe, daß ich in Stuttgart bin."
"Ich weiß auch nicht. Vielleicht ist das alles im Moment einfach zu viel für mich."
"Du ertrinkst ja wieder in Selbstmitleid."
"Du bist ja eine ganz tolle Hilfe.
"Wenn du mir nicht sagst, was los ist, kann ich dir auch nicht helfen."
Ich hatte einfach keine Lust mehr, mit Heiko zu sprechen. Es war ihm egal, was ich dachte, es war ihm egal, wie ich mich fühlte. Ich sagte ihm, daß ich mich wieder melden würde und legte auf. Was sollte das bringen? Vielleicht versteht mich ja wirklich keiner außer ich mich selber.
Auf jeden Fall mache ich mich jetzt fertig und gehe zum Training mit Marcel.

Freitag, 6. Februar 1998

6. Februar

"Am liebsten würde ich sie ja heute schon wieder rausholen."
"Mein Gott, die werden schon wissen, was sie da machen."
"Aber es geht ihr doch schon viel besser."
Ich merke etwas ganz seltsames an mir: Ich kann nicht mehr argumentieren. Ich will nicht mehr argumentieren. Wenn Leute mir etwas sagen, womit ich nicht einverstanden bin, dann fällt mir nichts mehr richtig ein, was ich antworten kann. Und ich habe keine Kraft mehr, dagegenzuhalten. Ich weiß nicht, woran das liegt. Aber wenigstens geht es der Kleinen besser.

Morgen fährt Nils nach Leipzig. Es ist immer schlimmer dieses Gefühl, daß wir auseinanderdriften. Ich weiß nicht, er wird mir auf einmal so fremd. Verdammt, das ist doch mein Nils, mein Freund. Mein Nils, den ich liebe. Geliebt habe. Noch liebe? Ich habe das Gefühl, daß ich alle Sachen, die um mich herum passieren, nicht mehr beeinflussen kann. Es ist wie im Film. Es gibt ein Drehbuch, und alles läuft danach ab. Ich kann gar nichts selber machen, selber entscheiden. Ich würde gerne den Abend mit Nils zusammen verbringen. Aber er geht heute mit seinen Eltern groß Essen. Toll, wahrscheinlich zur Feier des Tages. Nils auf dem Weg in die Bundesliga. Also treffe ich mich mit Flo zum Billard. Ich werde ein bißchen zuhören, was er mir von Ina erzählt. Ich werde ein, zwei, drei, ganz viele Bier trinken und vergessen, was um mich herum ist. Und ich werde früh schlafen gehen, denn morgen trainiere ich mit Marcel.

Donnerstag, 5. Februar 1998

5. Februar

"Sie muß auf jeden Fall ein paar Tage in der Klinik bleiben."
Uff, Doris mußte Lena heute Mittag in die Klinik bringen, weil sie keine Luft mehr gekriegt hat. Sie haben sie wohl gleich an Sauerstoff angeschlossen. Zum Glück geht es ihr jetzt schon wieder besser. Manchmal habe ich den Eindruck, als wenn es so Knoten im Raum-Zeit-Kontinuum gibt, an denen die ganze Welt umzukippen droht. Ich habe jedenfalls tierisch lange mit Doris telefoniert. Und so bin ich eine ganze Stunde zu spät zum Training gekommen. Und ja, na klar, wer trainiert mit Marcel? Nils! Natürlich. Vielleicht sollte ich ihm so einen Streß machen, wie er mir. Aber vor den Anderen geht das natürlich nicht.
"Tim, geht das vielleicht auch weniger brutal?"
"Was ist?"
"Das ist Ringen und kein Ultimate Fighting", motzte Flo.
"Sorry."
"Ist das jetzt so wild, daß Nils mit Marcel ringt?"
"Du hast keine Ahnung."
"Also anscheinend ist es so wild. Habt ihr da jetzt so eine Art Konkurrenzkampf, oder was? Hallo? Woher weißt du überhaupt, daß Marcel schwul ist?"
"Marcel ist nicht schwul. Bestimmt nicht."
"Und wieso dann die ganze Aufregung?"
"Ich rege mich doch gar nicht auf."
"Nein, du hast mir nur eben fast den Arm gebrochen."
"Sorry, tut mir leid."

Ich legte mich auf die Matte und schloß die Augen. Ist das alles so kompliziert oder mache ich das alles so kompliziert.
"Hey, wollen wir eine Runde ringen?"
Ich öffnete die Augen und vor mir stand Marcel. Ich mache bestimmt nichts kompliziert. Ich nicht!
Ich gewann. Sogar ziemlich easy.
"Ich kriege das nicht hin", meinte er, "ich bin echt zu langsam."
Mir schoß eine Idee durch den Kopf: "Samstag ist doch wettkampffrei. Laß uns einfach am Nachmittag hier in der Halle treffen. Dann können wir ein bißchen trainieren. Schnelligkeit und Technik."
Und Marcel lächelte. Er blickte mir in die Augen und lächelte. "Super", sagte er.
Ich grinste. Ich trainiere am Samstag mit Marcel!
"Mach so was nie wieder mit mir."
Ich stand da und schaute Nils einfach nur an. Ich stand da und schaute ihn einfach nur an. Ich war irgendwie abgegessen. In meinen Gedanken antwortete ich ihm: 'Und wenn, was passiert dann?'
Aber ich sagte nichts. Ich stand nur da und schaute ihn an.
"Bist du sauer, weil ich nach Leipzig gehe?"
Ich wollte ganz automatisch 'Nein' sagen, aber das wäre gelogen gewesen. Ich war übergerascht, daß Nils irgendwie wenigstens irgendwas zu begriffen haben schien.
"Es ist alles so plötzlich. Plötzlich gehst du von einer Woche auf die andere nach Leipzig, weil da irgendwelche Talentscouts kommen. Du fragst mich nicht, ob ich mitkommen will. Du fragst mich nicht, was ich überhaupt, davon halte, daß du vielleicht irgendwann weggehst."
"Aber das haben wir doch schon ein paar Mal besprochen."
"Das haben wir nie wirklich besprochen. DU hast gesagt, was du willst, und das war's."
"Das hast du auch."
Ich kam nicht weiter. Und ich merkte, wie ich wieder sauer wurde.
"Und wieso willst du plötzlich mitkommen nach Leipzig."
"Ich will gar nicht mitkommen."
"Na siehst du. Wieso soll ich dich denn dann fragen. Du würdest dich eh nur langweilen."
Ich guckte an die Decke und zählte die Styroplatten. Das war doch alles nicht wahr. Das KONNTE doch alles nicht wahr sein.
"Baggerst du deshalb an Marcel rum? Weil du sauer bist, daß ich nach Leipzig gehe?"
"Nein, verdammt noch mal nein!" Jetzt wurde es mir aber langsam zu viel. Sind denn alle um mich herum verrückt geworden?
"Ich baggere nicht mit Marcel rum."
"Erzähl doch nicht so einen Scheiß! Du bist ja das ganze letzte Training mit ihm zusammen gewesen."
"DU warst ja beschäftigt."
"Na klar, und dann mußt du natürlich sofort mit jemandem trainieren, der zwei Gewichtsklassen über dir ist. Alles klar."

Diese Diskussion mit Nils brachte nichts. Sie brachte vor allem auch deshalb nichts, weil Nils plötzlich anfing, völlig seltsame Sachen abzulassen, auf die ich einfach nichts mehr sagen konnte. Plötzlich sagte er: "Vielleicht sollten wir darüber reden, wenn ich aus Leipzig zurück bin. Dann sehe ich vielleicht ein bissele besser, wie es bei mir mit dem Ringen weitergeht.
Ich nickte. Ich hatte keine Kraft und auch keine Lust zu argumentieren. Wenn er aus Leipzig zurück ist. Wenn ER entschieden hat, wohin er geht.

Mittwoch, 4. Februar 1998

4. Februar

"Seit wann läßt du dich denn werfen?"
"Was?" Ich hatte Nils' Frage sehr gut verstanden, aber ich brauchte Zeit, um mir eine Antwort zu überlegen.
"Du läßt dich doch sonst nur total selten beim Training werfen. Und heute hat dich Marcel eine halbe Stunde lang per Schulterwurf auf die Matte befördert."
"Mahmout hat gesagt, Marcel muß das üben."
"Mit dir?"
"Ich war gerade da."
"Erzähl mir doch nicht so nen Scheiß", Nils wurde richtig laut. "Jeden, der mit dir bisher Würfe üben wollte, hast du abgeblockt. Aber heute bei Marcel, war das anscheinend überhaupt kein Problem. Herr Tim läßt sich werfen. Herr Tim läßt sich sogar sehr gut werfen. Erst links, dann rechts."
"Geht's dir noch ganz gut? Was ist denn los mit dir?"
"Was los ist mit mir? Ich will wissen, was los ist mit DIR?"
"Nichts! Mein Gott, ja ich habe mit Marcel trainiert und es hat mir auch Spaß gemacht. Ja und? Darf ich das jetzt nicht? Wo ist das Problem?"
Wir standen an unserer Kreuzung und schrien uns an.
"Das Problem ist, daß du mit ihm Sachen machst, die du mit anderen im Training nicht machst."
"Weißt du, das ist mir jetzt echt zu blöd", sagte ich und stapfte los. "Wir sehen uns morgen. Vielleicht hast du dich bis dahin etwas beruhigt."
"Tim! Tim, verdammt noch mal, warte!"

Ich drehte mich nicht um. Ich wollte mich nicht umdrehen. Ich war hin und hergerissen zwischen Wut, Verwirrung und was weiß ich. Ich merkte, wie die Tränen in mir aufstiegen. Ich wollte nicht, daß Nils mich so sah. Und ich wußte ja nicht einmal richtig was los war, was los ist mit mir. Ich habe mir Marcel beim Training gegriffen. Mahmout hat etwas komisch geguckt, aber weil Flo heute nicht da war und Nils mit Werner extra trainierte, hat er wahrscheinlich nichts gesagt. Ok, ich gebe zu, ich mag keine Würfe. Und Marcel hat sie auch nicht besonders toll gemacht. Aber ich habe nichts gesagt. Ich war eine geduldige Wurfpuppe. Es ist verrückt. Es ist total daneben. Aber es hat mir nichts ausgemacht. Ich hatte keine Angst. Und so ließ ich mich durch die Luft schleudern und fand es gleichzeitig irgendwie cool mit Marcel zu trainieren. Und ich habe etwas ganz erschreckendes festgestellt: Er lernt verdammt schnell. Verflucht schnell. Ich hatte echt Schwierigkeiten, ihn beim Trainingskampf zu besiegen. Am Ende des Trainings schien Mahmout jedenfalls zufrieden zu sein und meinte anerkennend so was wie: "Du hast dich heute ja mal richtig gut werfen lassen. Sehr gut."

Als ich Nils in der Umkleide traf, zog er die Mundwinkel nach unten. Den halben Weg nach Hause sprach er kein einziges Wort. Bis er mich irgendwann fragte, warum ich mich ausgerechnet von Marcel die ganze Zeit werfen gelassen habe.

Es ist total strange. Wenn ich mir überlege, warum und wieso... dann komme ich auf eine ganz komische Sache. Es macht schon irgendwie Spaß, mit Marcel zu trainieren und mit ihm zu ringen. Aber viel mehr Spaß macht es, daß ICH es bin, der mit ihm trainiert. Ich, nicht Nils und kein anderer. Obwohl, bei den anderen wäre es mir egal. Das ist doch total bekloppt. Nein ist es eigentlich nicht. Ich merke schon wieder, wie sich in meinem Kopf alles im Kreis dreht.
"Hast du das echt vergessen mit der Exkursion?"
"Ja doch."
"So was habe ich ja noch nie gehört. Wie kann man denn so was einfach vergessen?"
"Ist ja gut jetzt."
Es war mir egal. Es war mir scheißegal. Ich habe tatsächlich vergessen, daß wir heute eine Exkursion machen wollten. Das heißt, die anderen haben sie gemacht, während ich im Kursraum saß und mich wunderte, daß niemand kam. Und ich konnte noch nicht mal irgend jemand einen Vorwurf machen, daß er mir nicht Bescheid gesagt hätte.
"Hat Tim wieder seine bockigen fünf Minuten?"
"Tim hat nicht seine bockigen fünf Minuten, Tim ist einfach nur schlecht drauf."
"Du bist irgendwie fast immer schlecht drauf."
"Stimmt doch überhaupt nicht."
"Manchmal glaube ich, du wirst irgendwann mal depressiv."
Ich saß nur da und guckte Doris an. Vielleicht hat sie gar nicht so unrecht. Aber muß man denn nicht auch depressiv werden, wenn man nur so eine Scheiße erlebt? Ich habe einen Freund und der versucht die ganz Zeit irgendwelchen Mist zu machen, nach Leipzig zu gehen, zu einem Talentworkshop. Dann die Sache mit Marcel. Und Heiko. Da muß man doch depressiv werden.
"Lena ist krank."
"Wie? Krank?"
"Sie hustet und hustet."
"Kinder sind doch irgendwie immer krank."
"Super, wahnsinnig! Du bist ja eine tolle Hilfe."
"Wie soll ich dir denn helfen? Bin ich vielleicht ein Doktor? Warum gehst du nicht mit ihr zum Kinderarzt?"
"Ich war schon da. Dreimal. Er meint, es ist Keuchhusten?"
"Keuchhusten? Ich glaube Lisa ist dagegen geimpft worden."
"Ich habe Lena nicht impfen lassen. Ich finde das unnatürlich."
"Na toll. Und dafür hustet sie jetzt. Ist ja unheimlich natürlich."

Doris kniff die Lippen zusammen und ich wußte nicht mehr, was ich sagen sollte. Irgendwie war das wieder mal eine total blöde Situation. Ich stand da mit meinen Problemen, die für mich die wichtigsten der Welt sind. Und sie hat ihre Probleme und ich würde ihr ja auch irgendwie gerne helfen. Aber erstens habe ich doch von dem Ganzen keine Ahnung und zweitens ist mein Kopf so voll, daß ich meine eigenen Sachen ja nicht mal auf die Reihe kriege. Mir fiel irgendwie nichts besseres ein, als sie in den Arm zu nehmen und fest zu drücken.

Dienstag, 3. Februar 1998

3. Februar

"Es ist wegen diesem Neuen. Marcel. Habe ich recht?"
Ich guckte durch Flo hindurch und versuchte eine geistreiche Antwort zu finden. Mir fiel nichts ein.
"Es IST Marcel", sagte er.
"Ich sage nicht, daß er es ist und ich sage dir auch nicht, daß er es nicht ist. Das einzige was mich interessiert ist im Moment, wieso du glaubst, daß es um Marcel geht."
"Bin ich blind? Habe ich keine Augen im Kopf? Sehe ich nicht wo du hinguckst, wo Nils hinguckt?"
Anscheinend bin ich für jeden auf dieser Welt ein offenes Buch. Nur für mich nicht. Und ich dachte, Flo hat mit Ina genug eigene Probleme.
"Also? Was ist los? Sag bloß Nils hat was mit ihm gehabt?"
"Nein. Also ich glaube nein. Also, ich meine... Ach verdammt noch mal."
"Ich verstehe dich manchmal nicht. Das heißt, in der letzten Zeit verstehe ich dich immer weniger. Du bist seltsam."
"Wie? Seltsam?"
"Ich weiß nicht. Ich habe den Eindruck, du bist mit deinem Kopf überall und nirgends."
"Da hast du vielleicht sogar recht."
"Es gongt. Wir müssen rein."
Und zum ersten Mal, war ich froh, den Gong zum Stundenbeginn zu hören.

Nils in der großen Pause. Ich wollte auf ihn treffen. Ich konnte dieses Ausdemweggehen nicht mehr durchziehen. Zum Glück war Nils immer noch auf seinem Talentscout-Trip. Er erzählte mir, was er alles gestern noch mit Werner trainiert und besprochen hatte. Ich hörte wieder mal nicht zu. Und ich weiß, daß es ja auch nur die halbe Wahrheit war. Denn ich habe doch gesehen, wie er immer wieder rübergeguckt hat, als ich mit Marcel auf der Matte war. Ich habe den Eindruck wir beide spielen im Moment Theater. Aber verdammt noch mal, warum machen wir das?

Fahrschule, dann Krafttraining. Es ist komisch. Nein es ist schrecklich. Und ich kann nichts dagegen tun. Ich merke, wie Nils und ich plötzlich nebeneinander trainieren, miteinander reden und doch nichts bei mir ankommt. Es ist so, als wäre er gar nicht da. Ich habe das Gefühl, in einem schlechten Traum zu sein. Wir driften immer weiter auseinander, und ich weiß noch nicht einmal warum. Plötzlich ist da eine unsichtbare Wand zwischen uns und irgend etwas lähmt mich, diese Wand zu durchbrechen. Und gleichzeitig fühle ich, daß es Nils genauso geht. Ich sehe es, ich fühle es und ich kann trotzdem nichts dagegen tun. Es ist, als wenn ich an Gummibändern hänge, die verhindern, daß ich was dagegen mache. WAS IST DAS NUR FÜR EIN SCHEISSGEFÜHL???

Montag, 2. Februar 1998

2. Februar

Nils ist mit seinen Gedanken nur noch bei seinem Leipzig-Wochenende. Es kennt kein anderes Thema mehr. Ich habe irgendwann aufgehört, ihm zuzuhören. Ich wollte auch nichts dazu sagen. Denn ich wußte, daß ich wieder irgend etwas Falsches gesagt hätte. Das ganze Training über war Nils mit Werner auf der Nachbarmatte beschäftigt. Wahrscheinlich zeigte er ihm die letzten Tips und Tricks, damit er in Leipzig möglichst gut dasteht. Super ganz toll. Und ich war natürlich immer noch sauer. So sauer, daß ich Flo wohl beim Training ziemlich dolle zusammengefaltet habe und er irgendwann meinte, ich soll nicht so aggressiv ringen.
"Hast du Streß mit Nils?"
"Wieso?"
"Ach komm, da stimmt doch irgendwas nicht. Du bist total aggressiv drauf und ich bin sicher, da ist was zwischen dir und Nils. Was ist denn los?"
"Das verstehst du nicht."
"Super, danke. Vielen Dank. Ich bin ja blöd. Ich bin ja nur ein blöder Stino."
"Du verstehst es nicht, weil ich es selber ja nicht mal verstehe."
Ich stand auf und ließ ihn sitzen. Ich weiß, es war total daneben. Aber was sollte ich ihm denn noch sagen? Ich stand auf und ging rüber zu Marcel und Kevin. Ich ging rüber und auf dem Weg sah ich aus den Augenwinkeln, daß Nils mich beobachtete. Er sah genau, wo ich hinging. Soll er es sehen. Genau.
"Na wie läuft's?" hörte ich mich fragen.
"Nicht so gut", meinte Marcel. "Ich bin zu langsam und mir fehlt Technik."
"Wollen wir mal eine Runde? Ich bin leichter als du, vielleicht geht es dann etwas einfacher."
Ich wunderte mich selbst über mich. Marcel nickte und ich glaube Kevin war ganz froh, daß ich ihn von einem "low impact wrestler" befreit hatte. Wieder sah ich aus den Augenwinkeln, wie Nils zwar mit Werner trainierte aber auch gleichzeitig zu mir rüberguckte. Ja, guck nur. Ich ringe jetzt mit Marcel. Fahr du ruhig nach Leipzig. Ich ringe mit Marcel.
Und das war gar nicht einfach. Ich habe den Fehler gemacht und ihn am Anfang unterschätzt. Er ist größer und schwerer als ich und da habe ich echt Schwierigkeiten mit meiner Technik gegen anzukommen. Ich habe es geschafft. Aber es war schwer. Vor allem war aber auch meine Aggression weg. Das heißt, die war noch da. Aber ich konnte sie nicht bei Marcel auslassen.

Das Training war zu Ende. Doch Nils blieb noch. Trainierte weiter mit Werner. Ich guckte zu ihm rüber und machte unsere Handbewegegung fürs "gehen". Er zeigte auf Werner und mir war klar, daß er bleibt. Und ich gebe zu, es war mir auch ganz recht. Ich glaube, ich hätte echt Probleme gehabt, heute mit ihm zusammen zu sein. In meinem Kopf dreht sich noch immer alles. Es gibt Sekunden, wo ich denke, ich werde verrückt. Dann gibt es Momente wo ich mir sage, ich rede mir da einfach Probleme ein, die gar nicht da sind. Und einen Augenblick später werde ich so wütend, daß ich am liebsten alles zerschlagen möchte, was ich in die Finger bekomme.

Zum Glück kam ich auf die Idee, noch bei Lisa ins Zimmer zu schauen und ihr etwas zum einschlafen vorzulesen. Total seltsam. Aber es wirkte echt. Nils, Marcel und Heiko verschwanden für eine Weile aus meinem Kopf. Ich las Lisa eine Geschichte aus Tausendundeiner Nacht vor und es war so etwas wie heile Welt in diesem Raum. Es schien, als wenn alle Probleme, jeder Ärger draußen geblieben war.
"Wo warst du denn gestern? Ich hab dich angerufen, aber es war nur dein Anrufbeantworter dran."
"Ich war laufen."
"Und warum hast du nicht zurückgerufen?"
"Ich war müde."
Seltsamerweise fiel Nils es nicht auf, daß ich log. Es schien ihn nicht wirklich zu interessieren, warum ich ihn nicht mehr angerufen habe gestern abend.
"Hey, ich habe gestern mit Mahmout und Werner gesprochen. Ich fahre am Samstag nach Leipzig. Da ist ein Talent-Workshop."
"Wo fährst du hin?"
"Nach Leipzig."
"Wieso?"
"Habe ich doch gesagt. Da ist ein Talentworkshop."
"Was ist denn DAS?"
"Da kommen die besten Jugendringer Deutschlands zusammen und die Trainer der Ligavereine. Also erste und zweite Bundesliga. Die gucken sich an, ob jemand dabei ist, der vielleicht in die Mannschaft bei ihnen paßt."
Ich guckte Nils an. Seine Augen strahlten, er war total hibbelig. Das war es also, was er mir gestern abend erzählen wollte. Und das war es, was er mit Leipzig meinte.
"Du fährst nach Leipzig? Einfach so?"
"Ja, ist doch total cool. Der Verein zahlt alles, die Fahrt, die Jugendherberge, Essen. Alles."
"Und ich?" Ich weiß nicht wieso. Die Frage kam einfach aus mir heraus.
"Wie? Was meinst du?"
Es dauerte einen Moment, bis ich geschafft hatte, das was ich dachte überhaupt in zusammenhängende Worte zu packen: "Danke, daß du mich gefragt hast."
Das war natürlich genau das Falsche. Nils guckte mich verständnislos an: "Was?" Er schien mich nicht zu verstehen "Hey, das ist DIE Chance. Da kommen die ganzen wichtigen Leute aus den großen Vereinen."
Er hatte erwartet, daß ich mich mit ihm freue. Doch das konnte ich nicht. Das KANN ich NICHT. Und ich will es auch nicht. Mein Freund fährt am nächsten Wochenende nach Leipzig. Er hätte mich wenigstens fragen können. Er fährt nach Leipzig. Ohne mich. Ich komme in seiner Planung überhaupt nicht vor. Und für ihn ist es selbstverständlich, daß da irgendwelche Talentscouts rumlaufen und ihn ansprechen, ob er nicht vielleicht nach dem Abi nach Goldbach, Schifferstadt oder Leipzig kommen will. Super. Ganz toll. Wo bin ich denn da in seinem Leben? Ich hätte ihm das alles so gerne an den Kopf geworfen. Aber ich habe es nicht hinbekommen. Es war einfach alles zu durcheinander.

Jetzt sitze ich hier und kriege noch immer nicht alles auf die Reihe. Ich überlege, ob ich zum Training gehen soll. Warum überhaupt. Mein Freund macht irgendwelche Pläne, nach dem Abi von einem Provinzdorf ins nächste zu ziehen und baggert gleichzeitig mit dem einzigen Typen, der beim Training, außer ihm, gut aussieht. Und als Spitze von Allem ist Heiko in Stuttgart und wir treffen uns nicht. So ein Shit. Echt! Ich merke, wie ich wütend werde. Ich gehe zum Training!

Sonntag, 1. Februar 1998

1. Februar

"Hörst du mir eigentlich zu?"
"Sorry, was hast du gesagt?"
"Ich erzähle dir gerade von einem super tollen Mädchen, das ich kennengelernt habe und du hörst mir noch nicht einmal zu. Einen tollen Bruder habe ich."
"Tut mir echt leid, aber ich bin mit meinen Gedanken im Moment ganz woanders."
"Das habe ich gemerkt. Was ist denn los?"
"Ich kann nicht drüber reden. Ich will nicht drüber reden. Ich weiß ja nicht einmal worüber ich reden soll."
"Ist was mit dir und Nils?"
"Ja, nein, ach ich weiß nicht. Ich sag es dir, irgendwann. Im Moment weiß ich überhaupt nicht, was ich denken soll."

Ich bin joggen gegangen. Habe versucht, meinen Kopf freizubekommen. Im Schnee zu joggen ist schrecklich. Jeder würde wahrscheinlich sagen, wie toll die Landschaft doch aussieht und das alles. Wenn ich in die Talsenke hinter unserem Haus gucke, dann sieht es auch toll aus. Aber ich habe keinen Blick dafür. Ich bin gerannt, gelaufen, bis mein Lunge mal wieder zu platzen drohte. Jeder Schritt ein Wort in Gedanken. Aber ich habe meinen Kopf nicht freibekommen. Da ist Nils, da ist Marcel. Und dann ist da Heiko, der in Stuttgart ist, ohne mir Bescheid zu sagen. Das ist irgendwie der Hammer, der meine Stimmung total in den Keller treibt. Warum meldet er sich nicht. Warum hat er mir nichts davon gesagt? Warum sehen wir uns nicht? Das will echt nicht in meinen Kopf. Der weite Weg von Köln nach Stuttgart. Und dann sehen wir uns nicht einmal. Natürlich interessiert es mich, was er in Stuttgart macht. Aber eigentlich ist es mir egal. Wenn er nur einfach angerufen hätte. Gesagt hätte, hallo, ich bin in Stuttgart, wollen wir uns nicht mal sehen. Aber nein, er ist da, heimlich, ohne was zu sagen.
Ich merke, wie die alte Sache wieder in mir hochkommt. Was bin ich für ihn, was bedeute ich ihm? Nichts, überhaupt nichts. Denn sonst würde er sich doch wenigstens mal melden.
In der letzten Zeit, wenn ich diese verrückten Heiko-Gedanken hatte, habe ich es immer geschafft, mich abzulenken. Ich dachte an Nils, wie schön es ist, daß es ihn gibt und so weiter. Aber sobald ich jetzt an Nils denke, kommt das Bild von ihm und Marcel wieder in meinen Kopf und das ist genauso schlimm wie die Sache mit Heiko. Verdammt noch mal, was geht eigentlich im Moment ab?

Früher hat mir das Joggen immer geholfen, den Kopf frei zu kriegen. Jetzt hat es überhaupt nichts gebracht. Ich bin nur total naß, ich friere und mir geht es einfach scheußlich. Und ich habe eigentlich niemanden, mit dem ich jetzt darüber reden kann und will. Doris kann ich mit der Sache mit Heiko nicht kommen und das mit Marcel versteht sie sowieso nicht. Heiko ist da völlig raus und auf Jonas hab ich keinen Bock. Auf meinem Anrufbeantworter hat Nils zweimal raufgesprochen, während ich laufen war. Ich rufe ihn nicht an. Plugge mir meine Kopfhörer ein und versuche, mich zuzudröhnen.

Samstag, 31. Januar 1998

31. Januar

"Meine Güte, was ist denn los mit dir? Vielleicht solltest öfters mal ein paar Wochen pausieren. Du ringst ja wie eine gesengte Sau."
"Was?"
"Ein paar Mal hatte ich ja echt Mitleid mit deinem Gegner."
Ich gebe zu, ich war gut. Nein, ich war nicht gut. Ich war aggressiv. Ich war wütend. Und wenn ich aggressiv bin, dann ringe ich ohne nachzudenken und so heftig, daß meine Gegner kaum eine Chance haben. Marcel war mitgekommen. Natürlich hat er nicht in der Mannschaft mitgerungen, aber er fuhr mit uns mit zum Wettkampf. Als ich ihn vor der Halle sah, kochte es in mir wieder hoch. Natürlich war Nils schon da und unterhielt sich mit ihm. Ich wollte eigentlich gar nicht zu den beiden hingehen, aber das ging natürlich nicht. Ok, so habe ich also wenigstens auch schon mal ein paar Sätze mit Marcel gesprochen. Was aber die Sache nicht leichter gemacht hat, denn er ist wirklich richtig cool.
Auf jeden Fall war ich dadurch wieder total schlecht drauf. Und es war meine Wut und meine Aggression, die dazu beigetragen hat, daß ich meinen Gegner nach zwei Minuten auf den Schultern hatte. Er tat mir auch nicht einmal leid. Im Gegenteil, ich war stolz auf mich. Und ich war stolz, daß ich gewonnen hatte, während Marcel mir zuguckte. Jetzt, wo ich das schreibe, wird mir klar, wie daneben das ist.
"Wenn du immer so ringst, dann fahren wir ja vielleicht zusammen nach Leipzig."
"Nach Leipzig?"
"Erzähle ich dir, wenn es so weit ist, ich muß jetzt erst mal auf die Matte."
Ich hatte noch genügend Adrenalin in mir, daß ich mutig wurde. Ich taperte zu Marcel auf die Tribüne.
"Na, wie sieht's aus? Meinst du, du schaffst es zu uns in die Mannschaft?"
"Ich weiß nicht. Außerdem habt ihr ja schon jemanden in der Gewichtsklasse, Kevin. Und der ist doch sehr gut."
"Ja, schon, aber..." Mir fiel irgendwie nichts ein. Ich saß da und mir fiel nichts ein, worüber ich mich mit Marcel unterhalten konnte. Es gibt nichts Schlimmeres als 10, 20, 30 Sekunden Schweigen, wenn man nicht weiß, was man sagen soll. Zum Glück kam Ina auf uns zu: "Nils hat gewonnen."
"Ja? Cool."
Na toll, ich hatte Nils' Kampf verpaßt. Ich ließ Ina und Marcel alleine. Sollten die sich doch beide amüsieren. Ich hatte mich schon genug blamiert.
Nils hatte sich irgendwie den Hals verdreht. Der Sanitäter ließ ihn die Finger bewegen und pieckste mit seinem Kugelschreiber auf jede einzelne Fingerspitze. "Alles ok", meinte er und packte Nils ein Coldpack in den Nacken.
"Was ist passiert?"
"Ich habe meinen Kopf nicht schnell genug rausbekommen und die Muskeln wahrscheinlich etwas überdehnt."
"Na super."
"Das wird schon wieder."
Jetzt habe ich einen lädierten Freund, der seinen Kopf nicht richtig drehen kann. Finde ich nicht besonders witzig.

Unsere Mannschaft hatte mal wieder gewonnen und entsprechend ausgelassen war die Rückfahrt. Sogar Nils mit seinem kaputten Hals grölte mit. Wir stiegen gemeinsam an unserer Kreuzung aus. Marcel saß zusammen mit Flo und Ina in der letzten Reihe des Busses. Sie schienen sich gut zu verstehen. Sehr gut. Sie winkten mir zum Abschied zu.
Es hatte geschneit. Bergbach lag unter einen Schneedecke, die alle Geräusche dämpfte.
"Alles klar mit deinem Hals?"
"Ja, das wird schon wieder, mach dir mal keine Sorgen."
Ich küßte ihn zum Abschied und dann stampfte ich durch den Schnee nach Hause. Es war eine total komische Stimmung. Der Schnee und das Licht ließen die gesamte Umgebung total unwirklich erscheinen. Mom und Dad zu Hause saßen vor dem Fernseher. "Na, wie war es?"
"Gewonnen, die Mannschaft und ich auch."
Mom schüttelte ungläubig den Kopf: "Dann scheint es ja wirklich dein Sport zu sein. Obwohl, ich ja eigentlich..."
Ich grinste, sie ist einfach unverbesserlich. Ich schaute zu Lisa ins Zimmer. Sie schlief friedlich. Ich taperte in mein Zimmer, warf mich aufs Bett. Schloß die Augen. Doch ich konnte nicht schlafen. Irgend etwas pochte ich meinem Kopf. Und es waren nicht die Kopfschmerzen von heute Morgen. Es waren Nils und Marcel. Verdammt noch mal, ich bin immer noch eifersüchtig. Warum denn? Verdammt noch mal wieso? Ich habe einen Freund. Wofür brauche ich diesen Marcel? Aber gleichzeitig denke ich: Wofür braucht denn dann Nils Marcel? Ich rufe Heiko an. Ich muß mit ihm reden. Er ist der Einzige, mit dem ich überhaupt darüber reden kann.

Doch ich kriege nur seine Mutter ans Telefon: "Nein, Heiko ist nicht da. Er ist gar nicht in Köln. Er ist an diesem Wochenende in Stuttgart."
"Glaubst du, du bist fit genug, daß du heute Nachmittag antreten kannst?"
"Das paßt scho'", antworte ich gequält.
"Na, wer saufen kann, kann auch ringen."
"Haben wir gelacht."
"Stundenlang."
"Bis nachher."
In meinem Kopf hämmerte es. Gestern Abend Tofa. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wieviele Bier und Bailey's es waren. Ich weiß nur, daß ich irgendwann auf dem Parkplatz gekotzt habe und daß Jonas einen tierischen Terz gemacht hat, weil er mich nicht in seinem Auto haben wollte. Wie ich dann aber nach Hause und ins Bett gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Aber es muß wohl ohne Probleme gewesen sein, denn alle waren so wie immer am Vormittag. Nur mein Kopf nicht. Ich weiß auch nicht, warum ich so viel getrunken habe. Die Stimmung war gut, die Musik auch. Keine Ahnung. Ich habe eine halbe Ewigkeit mit Ina getanzt und ich glaube Flo war richtig froh darüber, denn er wußte, daß der Skilehrer, der auch da war, in der Zeit nicht an sie herankam. Ein paar Mal zwinkerte er mir zu. Das war schon eine schrille Situation. Ich tanze den halben Abend mit dem Mädel meines besten Heterofreundes, damit kein Anderer sie anbaggert. Dann kam irgendwie noch ein Bier und noch ein Bailey's und irgendwann muß dann der Filmriß gewesen sein. Ich weiß echt nicht, wie ich nachher kämpfen soll. Ich glaube, ich werde mir mal so einen Schmerztabletten-Cocktail mischen.

Freitag, 30. Januar 1998

30. Januar

Na super, ich habe beinahe einen Unfall gebaut. Weil ich mit den Gedanken wieder bei Nils und Marcel war und darum total sauer geworden bin, als mir jemand die Vorfahrt genommen hat. Ich habe einfach draufgehalten, bis der Fahrlehrer laut motzend auf seine Bremse getreten ist. "Bischt narrisch geworden?"
"Sorry. Aber ich hatte Vorfahrt."
"So eine Einstellung bringt dich eher ins Krankenhaus als dahin, wo du eigentlich hin möchtest."
"Ja ist ja gut." Auf solche Weisheiten kann ich gut verzichten.
Es schneit. Ich habe gerade beschlossen, mich über die Sache mit Nils und Marcel nicht mehr aufzuregen. Ich glaube, ich rede mir da etwas ein. Der Typ ist doch sowieso hetero. Also was soll's. Ich beschließe, die ganze Sache aus meinem Kopf zu streichen. Heute Abend ist Tofa angesagt.