Freitag, 15. August 1997

15. August

"Ach, meldest du dich auch mal wieder?"
"Ja, äh, wieso?"
"Du hättest dich ja ruhig in der Zwischenzeit mal melden können."
"Ist doch nichts passiert."
"Vielleicht bei dir nicht. Aber Philipp ist immer noch in Berlin in der Klinik. Sie mußten ihn noch mal operieren."
"Ach du Scheiße! Und jetzt? Ich meine, wie geht es ihm?"
"Inzwischen wieder ganz gut."
"Was ist denn passiert?"
"Eine Infektion. Ich habe ja gleich gesagt, daß wir ihn zum UKE bringen, aber diese Deppen da in Berlin..."
Na toll. So richtig passend zum Urlaubsabschluß. Phil liegt immer noch in der Klinik und Mom ist eingeschnappt, daß ich mich nicht jeden zweiten Tag gemeldet habe. Ganz toll.

"Ist dir eigentlich klar", fragte ich Nils, "daß wir morgen Abend wieder zurück müssen?"
"Och Shit, stimmt ja. Ich will so gerne noch hier bleiben. Hier mit dir."
"Mir geht es genauso. Ich weiß gar nicht, wo die ganzen Tage hin sind. Warum haben wir nicht drei Wochen genommen?"

Wir haben beschlossen, heute Abend ein Lagerfeuer und ein Picknick am Strand zu machen. Wir haben richtig groß in diesem kleinen Supermarché eingekauft. Den Rest des Tages haben wir mit Gammeln und Schwimmen und Training verbracht. Wir haben Tina und Jackie am Strand getroffen und uns kurz mit ihnen unterhalten. Ich glaube, es war ihnen total peinlich, wie sie sich gestern benommen haben. Sie haben jedenfalls so was gesagt wie 'das alles nicht so ernst nehmen' und so.

Es ist schon seltsam. Hier, ganz weit weg von zu Hause, hier macht mir das überhaupt nichts aus, daß ich schwul bin, mit Nils Hand in Hand rumzulaufen, ihn richtig zu umarmen. Hier kennt mich niemand, hier ist es mir total egal, was die anderen Leute denken. Und ich glaube, daß es Nils genauso geht. Nils, mein Nils, ich liebe ihn und ich liebe ihn sogar, wenn er wieder diesen verbissenen Trainingsblick in seinen Augen hat. Gescheucht hat er mich, den Strand rauf und runter, Single Leg, Double Leg, ich konnte wieder am Ende nicht mehr klar denken. Irgendwann bin ich einfach liegengeblieben.
"Los, weiter!"
"Nein."
"Eine Runde noch, nur noch eine!"
"Das hast du vor fünf Runden auch schon gesagt. Ich bewege mich keine Stück mehr von hier, es sei denn zurück zum Haus."
"Schwache Leistung."
"Ich habe Urlaub, Ferien, noch ganze zwei Tage! Ich bin doch nicht in einem Straflager."
Er setzte sich neben mich und ließ Sand auf meine Brust rieseln.
"Tim, mein kleiner großer Ringer. Du bist wirklich gut geworden in dem Jahr."
"Danke."
"Nein, ich meine das ehrlich. Du bist richtig gut geworden. Nicht so gut wie ich", er grinste, "aber so insgesamt. Deine Beinangriffe sind richtig gut und auch sonst. Was dir nun noch fehlt, ist dieser Kampfgeist."
"Das hatten wir doch schon mal."
"Ja ich weiß. Aber das kriegen wir schon noch hin bis Leipzig."
Ich schloß die Augen. Leipzig, Köln, Heiko. Das alles war so weit weg. Die Welt war hier, hier und jetzt. Die Welt war Nils, der Strand, das Meer. Etwas anderes brauche ich nicht.

Wir sind zurück zum Hause getapert, Nils ist unter der Dusche und gleich gehen wir zurück zum Strand und machen unser Picknick. Ich freue mich und trotz der Sache mit Phil geht es mir gut.

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