Samstag, 9. November 1996

9. November

"Ich nehme an, du willst nicht mit nach Stuttgart kommen", fragte Dad beim Frühstück. Genau. Im Moment brauche ich nichts aus Stuttgart. Was anderes dagegen viel mehr. Und kaum war unser Auto aus der Ausfahrt verschwunden rief ich bei Nils an und fragte, ob er nicht vorbeikommen will. Er war sofort einverstanden und nach einer halben Stunde hielt ich wieder meinen Nils in den Armen.
"Wie war deine Nacht?" fragte er.
"Einsam."
"Und er hier?" er griff nach meinem Ständer.
"Der hat total Lust auf dich."
Wir landeten auf meinem Bett. Unsere Sachen flogen durch die Gegend. Da war es wieder, dieses endlose Gefühl von Glück und Wärme. Jetzt weiß ich, was die Leute meinen, wenn sie sagen, daß sie 'im siebenten Himmel schweben'. Und es ist was ganz Tolles passiert heute: Zum allerersten Mal habe ich den Schwanz von einem anderen Jungen in den Mund genommen. Erst habe ich ihn nur geküßt, dann habe ich seine Spitze mit meiner Zunge gekitzelt und dann traute ich mich, ihn ganz in den Mund zu nehmen. Ich merkte, wie Nils total rasend wurde. "Das war toll", flüsterte er als wir danach eng umschlungen nebeneinander lagen, "so was Geiles habe ich noch nie erlebt."
"Das will ich auch stark hoffen", meinte ich scherzhaft.
Er schloß die Augen: "Ich will, daß es immer so bleibt." Als Antwort küßte ich jeden Zentimeter seines Körpers.

Ich wußte nicht genau, wann meine Family aus Stuttgart zurück sein würde. Aber ich rechnete im Stillen so mit je einer Stunde Fahrt und noch mindestens zwei Stunden Einkauf. Und so zogen wir uns sicherheitshalber irgendwann gegen Mittag wieder an, taperten in die Küche und machten uns was zum Essen. Wir paßten auf, daß sich das Chaos, das wir verursachten, in Grenzen hielt. Diese Augenblicke sind toll, wenn es so ist, als würden wir richtig zusammenleben.

Irgendwann hörten wir den Wagen die Einfahrt hochkommen. Ein letzter schneller Kuß. Guten Tag, guten Tag, ich bin gerade am Gehen, wir sehen uns nachher beim Turnier, Tür zu, Nils ist weg. Von einer Sekunde auf die andere hatte das Haus sich komplett verändert. Alles steht noch an seinem alten Platz und auch die Möbel sind noch die gleichen. Doch trotzdem erscheint mir jetzt wieder alles anders: eingeengter, dunkler. Eben noch war es Nils' und mein Reich gewesen, wo jeder Raum erfüllt war von unserer Liebe, wo alles einfach ganz selbstverständlich war. Und nun ist es wieder das Haus meiner Eltern. Ich wohne hier, das ist aber auch alles. Nils ist nicht mehr hier, er gehört auf einmal nicht mehr hierher.

Nachdem ich mir die Stories der Einkaufsfahrt angehört hatte, taperte ich in mein Zimmer. Das Kopfkissen riecht noch nach Nils. Ich vergrabe mein Gesicht darin und träume. Zum allerersten Mal habe ich heute einem Jungen einen geblasen. Ich gucke in den Spiegel, ich kann nichts Ungewöhnliches erkennen, es ist mein Gesicht und es sieht immer noch so aus wie heute früh. Und trotzdem fühle ich, weiß ich, daß ich wieder ein Stück mehr erwachsen geworden bin.

Nun mache ich mich auf und tapere los zum Turnier. Noch habe ich ein bißchen Galgenfrist, bis ich wieder selbst antreten muß.

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