Sonntag, 24. November 1996

24. November

"Wo warst du denn gestern?"
"In der Halle."
"Nein, warst du nicht", meine Stimme war gereizt. "Ich habe überall geguckt und niemand hat dich gesehen."
"Ich bin nach dir da gewesen. Was soll überhaupt die Fragerei?"
"Ach naja, ich dachte wir können noch was zusammen machen."
"Verdammt, das dachte ich auch. Deshalb bin ich ja auch zu Miriam gefahren, um dich abzuholen. Aber dein Rad stand nicht mehr vor der Tür."
"Was hast du gemacht? Nee, ich war gar nicht mit dem Rad unterwegs. Ich bin gelaufen. Und von Miriam zu dir und deine Mutter hat gesagt, du bist in der Halle...ach Shit, ist ja auch egal. Warum hast du nicht angerufen?"
"Ich war noch mit Max in der Tofa."
"Aha."
"Hör bloß auf, hier die beleidigte Leberwurst zu spielen. Schließlich hast DU gestern den halben Tag bei Miriam verbracht." Was sollte denn diese Scheiße? Ich hätte ihm so gerne erzählt, was gestern passiert ist und wie ich mich hinterher gefühlt habe. Aber wie soll ich denn da noch irgendwas erzählen? Wir standen wieder da und starrten uns an. Es dauerte eine halbe Minute und dann waren wir beide wieder dahingeschmolzen. Eine Umarmung wäre das Schönste gewesen. Doch das ging nicht, Nils mußte gleich auf die Matte.

Erst auf dem Heimweg konnte wir uns endlich wieder in den Arm nehmen. Es ist schön, ihn zu spüren und zu wissen, er ist da.

Jetzt sitze ich zu Hause an meinem Schreibtisch. Ich habe das Fenster aufgemacht und spüre die Kälte. Doch es ist schön, etwas zu spüren. Ich rieche die Wiesen, den nahen Wald. Und obwohl es dunkel ist, ist es, als wenn ich alles sehen kann. Ich atme tief durch und ich weiß, daß es mir eigentlich ganz gut geht. Nein, mir geht es sogar ganz, ganz toll. Wenn ich überlege, was in dem letzten halben Jahr alles passiert ist, dann glaube ich, daß es mir noch nie so gut gegangen ist. Und ich hoffe, daß es ewig und immer so bleibt.

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