Mittwoch, 9. Oktober 1996

9. Oktober

14:30
"Na, hat der gnädige Herr wieder mal schlechte Laune?"
Moms Sarkasmus war gerade das, was mir an diesem Morgen noch gefehlt hatte. Ich wollte ja eigentlich explodieren. Aber ich sah, was Dad für ein Gesicht machte. Stimmt ja, heute ist wieder eine Betriebsversammlung wegen dem Sanierungsplan. Also lieber nicht auch noch Streß zu Hause machen. Ich hab also meinen Ärger runtergeschluckt.

Zwei Stunden Englisch-Vertretung. Markus und ich haben beschlossen, die Stunden zu schwänzen und sind statt dessen in richtig Markplatz gezogen. Markus bearbeitete jeden Bordstein, jede Stufe und jeden Poller mit seinem Board. Ich saß daneben und fragte mich, ob das Ding wohl unter seinen Füßen festgeklebt wäre. Irgendwann kickte er es in meine Richtung: "So jetzt du." Mir war klar, daß das eigentlich eine Ehre war. Das hat mir mal Chrille in Hamburg erzählt, daß kein Skater sein Board hergibt.
"Ich kann nicht boarden."
"Blödsinn, los probier's mal."
Naja, ich mach mich zum Löffel und stelle mich rauf und lege los. Das heißt, besonders weit bin ich nicht gekommen. Erfolg der Aktion: Eine eingesaute Hose, ein umgeknickter Knöchel und ein sich totlachender Markus. Super, DAS habe ich natürlich noch gebraucht. Aber irgendwie war sein Lachen so ansteckend, daß ich gar nicht anders konnte und mitkicherte. Das Blöde ist nur, daß mir mein Knöchel immer mehr wehtut und ich jetzt zum Training muß. Ich glaube ich mache vorsichtshalber eine Binde rum.


23:55
"Du hast WAAS?" Dimitri schrie mich fassunglos an. "Bist du denn von allen Guten Geistern verlassen? Jesus und Maria. Stellt sich dieser Junge auf ein Skateboard und bricht sich die Knochen." Ich wollte ihm eigentlich sagen, daß ich mir keinen einzigen Knochen gebrochen hatte sondern nur umgeknickt war, aber ich schwieg lieber. Wenn er so in Aufregung ist, duckt man sich am besten und sagt gar nichts. Nur leider half das nix. "Ab nach Hause, und komme erst wieder, wen du vernünftig laufen kannst." Er hatte mich rausgeworfen, er hatte mich allen Ernstes aus der Halle geworfen, aus dem Training geworfen, nur weil ich meinen Fuß verknackst hatte. Ich kam mir wieder einmal vor wie ein kleines Kind. Doch ich schluckte meinen Ärger runter. Ich guckte in die Runde, ob vielleicht einer mir half. Nein, niemand, nicht mal Nils guckte zu mir rüber. Na toll, super Freunde, tolle Kumpels. Ich bin dann natürlich abgedackelt, nach Hause gehumpelt. Mein Knöchel tut natürlich immer noch tierisch weh. Aber daß mich Dimitri rausgeschmissen hat, tut mir noch viel mehr weh. Und daß mir keiner geholfen hat. Eben hat Nils angerufen. Ja, jetzt, nach dem Training. Ich soll das nicht so schlimm sehen. ICH? Hab ich diesen Aufriß gemacht. Irgendwie habe ich den Eindruck, als wenn alle Leute um mich herum total verblödet und abgedreht sind.

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