Samstag, 5. Oktober 1996

5. Oktober

"Ich glaube ich höre mit dem Ringen auf."
Ich guckte Max entgeistert an: "Wieso das denn?"
"Ach was weiß ich. Irgendwie habe ich nicht mehr richtigen Bock dazu. Da sind auch so viele Sachen, die ich jetzt um die Ohren hab."
Wir waren auf Max' Party. Er durfte dort zum ersten Mal eine Party feiern. Ich glaube es geht ihm da gar nicht so schlecht. Die Betreuer scheinen ganz ok zu sein und die anderen Jungs auch. Ok, was heißt eigentlich es geht ihm nicht schlecht? Natürlich geht es ihm eigentlich scheiße. Das ist ja nun auch klar, wenn ihm die Mutter plötzlich wegläuft. Irgendwie hat er sich auch verändert. Früher konnte man richtig gut mit ihm rumblödeln. Das geht zwar immer noch, aber jetzt habe ich den Eindruck es ist so, als wenn ich mit Phil rumblödele; immer ein bißchen zu erwachsen.
"Aber erzähle den anderen nichts davon. Diese Saison mache ich ja auf jeden Fall noch mit." Ich nickte. Ich stelle mir die Reaktion von Nils und den anderen im Verein vor. Nils wird bestimmt toben. Nicht daß Max nun der absolute Crack wäre, aber er kann es einfach nicht verstehen, wenn jemand aufgibt.

Leider gab es den ganzen Abend nur Bier als Alk, was nervig war, weil man sich nicht so zudröhnen konnte und ständig zum Klo mußte. Aber das war vielleicht auch gar nicht so schlecht, so konnte ich wenigstens einen halbwegs klaren Kopf behalten. Und es gab ein paar echt tolle Gespräche. Zum Beispiel dieses Mädel, von dem ich nicht einmal weiß, wo sie überhaupt herkam oder wer sie mitgebracht hatte. Die erzählte von ihrem Bruder, der schwul ist. Sie fand das ganz toll, daß der jetzt mit seinem Freund in Stuttgart zusammenzieht. Am interessantesten waren ja die Reaktionen der anderen in der Runde. Die Mädels fanden das alle ganz toll. Die anderen Jungs, die dabei saßen, zuckten nur mit den Schultern und verschwanden gelangweilt. Schade, daß Nils das nicht mitbekommen hat. Ich hätte gerne seine Reaktion gesehen. Obwohl ich es mir eigentlich denken kann. Mir lag ja die Frage auf der Zunge, ob die Eltern dieses Jungen eigentlich Bescheid wissen und vor allem, wie sie reagiert hatten. Aber ich verkniff mir die Frage. Nur nicht zu viel Interesse zeigen. Ich bin ein erbärmlicher Feigling!

Dann war da noch ein Mädel, mit dem ich mich ganz nett unterhalten habe. Sie heißt Anica und kommt aus Mögglingen. Wir haben gleich von Anfang an auf der selben Wellenlänge geschwebt. Nein, ich meine nicht, daß ich sie niedlich finde oder so. Aber ich konnte mich mit ihr richtig gut unterhalten, fast so wie mit Doris. Leider mußte sie schon früh gehen.

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