Freitag, 9. August 1996

9. August

"Wir müssen nur zusehen, daß wir rechtzeitig von hier wegkommen."
Wir waren heute mit der Fähre auf einer Insel vor Venedig. Lido, das ist wohl der eigentliche Strand von Venedig. Auf der Fahrt, sind wir auch an Venedig vorbeigekommen aber wir haben nicht viel gesehen. Das Wasser in den Lagunen hier stink fürchterlich. Ich meine, in Hamburg war es in den Fleeten ja nun auch nicht so toll, aber das hier ist wahrscheinlich durch die Hitze noch total eklig. Jedenfalls war es nicht sonderlich spannend da. Wir sind ein bissel umhergelaufen. Nachdem wir festgestellt haben, daß wir für einen Strandplatz umgerechnet um die 80 Mark hätten bezahlen müssen, haben wir gemeinsam beschlossen zurück zu fahren. Zum Glück, die Schlange die auf die Fähre wollte, war schon ziemlich lang. Als wir rauffuhren, sah ich die Massen an Autos, die alle noch hinter uns waren. Ich frage mich, was eigentlich am Abend passiert, wenn die letzte Fähre abgelegt hat und immer noch Autos stehen und warten.

Allgemeine Überlegung, was oder wo zu Abend zu essen. Ich schlug die Pizzeria vor, alle einverstanden. Nur leider kein Matteo. Was ja nun auch völlig schwachsinnig gewesen wäre, weil was um alles in der Welt hätte ich da mit meinen und seinen Eltern daneben mit ihm reden sollen?

Nightjogging in der Brandung. Echt cool, macht bestimmt unheimlich fit. Natürlich kein Matteo zu sehen. Ich weiß auch gar nicht, wie und was das überhaupt soll. Wahrscheinlich ist er sowieso nicht schwul. Und selbst wenn, worüber soll ich mich bloß mit ihm unterhalten, wenn wir beide unterschiedliche Sprachen sprechen. Es ist schon ziemlich ungerecht. Da spricht mich ein süßer Junge an und ich kann mich nicht mal richtig mit ihm unterhalten. Naja und selbst wenn. Ich kann ihn ja schlecht mit nach Hause nehmen.

Ich kann nicht schlafen, mir geht wieder so viel durch den Kopf. Also bin ich runter zum Strand gegangen. Habe auf's Wasser hinausgeguckt, in die Sterne und geträumt. In meinem Kopf laufen komplette Filme ab. Ich drehe die perfekten Videos, zumindest für mich in meinem Kopf. Es hilft, einfach ein bißchen alles andere zu vergessen, wegzuschweben. Aber gleichzeitig ist es auch traurig, weil mir immer wieder in den Kopf kommt, wie schön es wäre, jetzt mit einem Jungen im Arm am Strand zu liegen und mit ihm zusammen in die Sterne zu gucken. Das sind dann immer die Augenblicke, wo ich heulen muß. Ich frage mich, wie lange das so weitergeht. Ich habe Angst davor, daß ich nie einen anderen Jungen kennenlerne, mit dem ich zusammen sein kann. Ich glaube, wenn da jemand wäre, wäre es mir auch egal, was die anderen Leute denken. Aber so, wenn ich niemanden habe, denke ich, daß es ewig so weitergehen wird. Was passiert, wenn ich alt werde und keinen Freund habe? Soll ich mir vielleicht doch ein Mädel suchen, heiraten, wie alle anderen um mich herum? Shit, und dann?

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