Montag, 10. November 1997

10. November

"Herzlichen Glückwunsch!"
"Was?" "Na, ich wollte nur mal kurz gratulieren, immerhin hast du gestern zwei Fights gewonnen."
Es dauerte einen Moment, bis ich wach war und mitkriegte, WER da am Telefon war. Ich schaute auf die Uhr: 6.30!!!
"Heiko?"
"Ja, wer sonst? Ich wollte, wie gesagt, nur kurz gratulieren. Ich muß jetzt los, zur Schule. Bess demnähx."
Und schwupps hatte er aufgelegt. In meinem Kopf war wieder Fahrstuhl angesagt. Wieso ruft Heiko früh am Morgen an um mir zu gratulieren? Vor allem wozu denn? Für zwei knapp gewonnene Kämpfe? Das war lächerlich. Aber das verrückteste: Woher WEISS er es? Woher weiß Heiko, wie ich abgeschnitten habe? Es war tatsächlich kein Einziger aus Köln dabei, obwohl eigentlich ein paar Leute kommen sollten. Die Sache ist absolut strange. Woher weiß er Bescheid? Und dann dieser Spruch "Wer sonst?" Ich könnte ihn erwürgen dafür! Und gleichzeitig nicht, weil es so zu ihm paßt.

Ich beschließe joggen zu gehen, weil ich sowieso nicht mehr einschlafen kann. Bergbach am Morgen im Herbst. Es paßt nicht. Herbst paßt nicht zu Bergbach. Herbst paßt zu Hamburg, zum Hafen. Aber Regen, graue Wolken und Nebel passen nicht in diese schwäbische Musterstadt. Ich laufe und es gelingt mir, an nichts zu denken.

Wieder zu Hause unter der Dusche geht mir Heikos Anruf wieder durch den Kopf. Ich wünschte, ich könnte mit jemandem darüber reden. Aber mit wem? Mit Nils nun bestimmt nicht. Und Doris will ich damit eh nicht immer nerven. Also werde ich es wieder mal für mich behalten.

"Ich habe mit meinen Eltern geredet. Es geht ok, mit Weihnachten und Sylvester."
"Echt?"
"Ja, wir hatten einen Deal, schon vergessen?"
"Nein, aber ich hätte nicht gedacht, daß das so fix geht."
Nils hatte also schon mit seinen Eltern geredet und ihnen gesagt, daß er über Weihnachten und Neujahr mit mir nach Hamburg fährt. Ich freue mich. Wirklich. Aber ich bin eben auch total übergerascht, wie schnell und easy das Ganze für ihn ablief.
"Was hast du ihnen gesagt?"
"Daß ich mit einem Kumpel nach Hamburg fahre."
Mit einem Kumpel. Aber was hätte er auch sonst sagen sollen? Daß er mit seinem Freund, mit seinem Tim nach Hamburg fährt? Wohl nicht. Also, jetzt war ich dran. Ich werde heute abend mal mit Mom und Dad reden, wie sie das planen mit Weihnachten und Sylvester.

"Tassi hat mich Sylvester eingeladen. Wir fahren doch dieses Jahr bestimmt wieder hoch, oder?"
"Nein, Oma kommt doch zu uns. Da hat sie nicht die ganze Arbeit mit dem Kochen und Backen und dem ganzen Vorbereiten."
Wow, toll, super. Kann irgendwas in meinem Leben auch mal so laufen, wie ich mir das vorgestellt habe?
"Ich wollte Sylvester eigentlich auch mit ein paar Freunden in Hamburg feiern", meinte Phil. Ich schaute ihn an. Er verzog keine Miene, aber ich sah, wie er ganz innen drin grinste.
"Dann fahrt halt nach Hamburg. Es hätte mich ja auch gewundert, wenn wir mal EIN Sylvester wieder alle zusammen verbringen können. Ruft Oma an und fragt, ob ihr bei ihr im Haus unterkommen könnt."

"Hey, dafür gibt's eine Flasche Beck's wenn wir in Hamburg sind."
"Was denn, nur eine Flache? Ich dachte, ich kriege mindestens einen Kasten."
"Wieso willst DU denn nach Hamburg?"
"Ich will überall hin, nur nicht unbedingt Sylvester hier feiern. Und du? Kommt dein kleiner Freund mit?" "Jaaaaa, er kommt mit. Endlich kommt er mal mit."
Phil grinste: "Na, ich glaube, ich kenne da jemanden, der sich richtig doll freut."

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