Donnerstag, 25. September 1997

25. September

"Also eine offene Beziehung. Wenn ihr nicht anders könnt, ist es ja vielleicht das beste."
Ich habe, statt Heiko anzurufen und ihn nach seinem Gewicht zu fragen, Robert angerufen und gefragt, was er von der Sache mit Nils und unserer "Vereinbarung" hält. Robert meint...ja, was meint Robert eigentlich? Robert meint eigentlich gar nichts. Na doch, er meint, daß es für uns vielleicht wirklich das beste ist.
"Irgendwann werdet ihr beide merken, daß dieses sinnlose in der Gegen rumvögeln auf Dauer nichts bringt."
"Wir vögeln nicht sinnlos in der Gegend rum." Ich finde das total daneben, wenn Robert so darüber redet.
"Na was ist denn das sonst? Du hast da dein Heiko-Mäuschen und Nils hat eben diesen anderen Typen, mit dem er nebenher rummacht. Wer weiß denn, wer im nächsten Moment um die Ecke kommt?"
"Bist du nie fremdgegangen?"
"Das ist doch hier nicht Thema."
"Dann ist es eben jetzt Thema."
"Natürlich bin ich auch fremdgegangen. Genau deshalb kann ich ja sagen, daß es auf die Dauer nichts bringt, sinnlos in der Gegend, ach so sorry, ja, du weißt schon, was ich sagen will. Ich spiele hier quasi nur den Advocatus diaboli."
"Den was?"
"Den Agent provocateur, ich meine so viel wie: Übertreibung veranschaulicht."
"Na toll."
"Gut, dann sage ich was anderes: Mache es, mache, worauf du Lust hast, so lange wie es geht, damit du nicht hinterher, so in dreißig, vierzig Jahren das Gefühl hast, du hast was versäumt."
Das klang schon irgendwie besser, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, was ich in dreißig Jahren mache. Ich kann mir ja noch nicht mal die nächsten fünf Jahre vorstellen.

Beim Training gab es heute Videoanalyse. Was aber ganz toll gemacht worden ist von Mahmout. Ein Griff und dann jeder genau aufgenommen und wieder und wieder gezeigt, was jeder besser machen kann. So konnte sich jeder nach einer Weile auf dem Video schon selbst korrigieren. Ich finde es ja immer wieder komisch, wenn ich mich selbst auf einem Video oder auch nur auf einem Bild sehe. Aber ich finde, daß ich gar nicht schlecht aussehe. Irgendwie gefalle ich mir.

Als wir fertig waren, saßen Nils und ich noch eine ganze Weile in der Halle. Vielleicht wird das jetzt so ein Ritual. Aber es ist auch auf eine seltsame Art und Weise eine spannende Stimmung. Am anderen Ende trainiert die Männermannschaft, aber trotzdem haben wir unsere stille, gedämpfte und gemütliche Ecke für uns. Man kann sich einfach so auf die Matte legen, reden, träumen oder gar nichts machen.
"Was passiert eigentlich", fragte ich, "wenn wirklich was passiert? Ich meine, wenn jemand von uns tatsächlich Sex mit jemand anderes hat. Sagen wir uns das dann?"
Nils zuckte mit den Schultern: "Ich weiß es nicht, keine Ahnung. Das ist doch für mich genauso das erste Mal, so eine Sache."
Ich überlegte hin und her. Will ich es wissen, wenn Nils mit einem anderen Typen rummacht? Werde ich vielleicht tatsächlich eifersüchtig, wenn es jemand anderes als Sascha ist? Oder will ich es eben nicht wissen, um mir keine Gedanken darüber zu machen? Ich weiß es echt nicht.
"Ich denke mal, wir sollten es uns sagen. Vielleicht können wir ja so vermeiden, daß aus so einer Sache was ernsthaftes wird."
Ich überlegte einen Moment und dann nickte ich. Wahrscheinlich hat er recht, ziemlich sicher sogar.
Es ist merkwürdig. Jetzt haben wir diese seltsame Vereinbarung nach vorn und hinten abgeklopft und festgezurrt. Aber vielleicht muß es ja auch sein, aber es ist eben seltsam, wenn man so etwas abspricht oder bespricht.
Es klopft.
Phil hat seinen Gips ab. Endlich! Er hat gar nichts gesagt, daß er ihn heute abkriegt. Ich meine, das hat ja auch lange genug gedauert, auch wegen der Probleme, die er dann noch hatte. Der Arm sieht eigentlich ganz ok aus. Drei kleine Narben, aber sonst ganz ok. Er ist jetzt etwas dünner als der andere Arm, aber Phil meint, das wird schon wieder. Er fängt am Montag an mit Krankengymnastik, um die Bewegungen wieder zu lernen. "Es ist", meint er, "schon ein tolles Gefühl, wenn der Gips ab ist. Obwohl ich im Moment noch den Eindruck habe, daß mein Arm noch nicht so ganz zu mir gehört."
"Tut dir noch irgendwas weh?"
"Bei normalen Bewegungen nicht. Nur wenn ich fest zupacke und den Arm drehe."
"Also nichts mit Ringen als Sparringspartner."
"Ich bin ja nicht lebensmüde", lachte er.
Schön, daß alles wieder in Ordnung ist.

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