Mittwoch, 17. April 1996

17. April

»Ein Scheißtag !« Ich habe es geschrien, laut rausgeschrien. Doch keiner konnte mich hören. Ich bin nach Tobias zu meiner Stelle am Kochertalweg gefahren. Ich habe geschrien und geheult. Jetzt schreie ich nicht mehr, aber heulen tue ich immer noch. Alles ist aus! Das Leben hat keinen Sinn mehr. Tobias hat eine Freundin! Das ist absolut nicht fair.

Er öffnete mir die Tür und strahlte über das ganze Gesicht. Ich jubelte innerlich, denn eine Wolke CKone wehte mir entgegen. Wir gingen in sein Zimmer, nicht ohne daß seine Mutter mich nicht mit einem Teller mit Kuchen versorgt hätte. Ich gab ihm die CD, und er schien sich tatsächlich zu freuen. Da saß ich auf seinem Bett, und er begann: »Ich muß dir unbedingt was erzählen. Aber du mußt versprechen, es niemandem weiterzuerzählen.« »Kein Problem.« Und ich Idiot dachte irgendwie noch, da kannst du aber 100%ig sicher sein, daß ich das niemandem erzähle.
»Kennst du Meike?«
»Nö, wer ist das?«
»Das ist ein Mädchen aus der B-Klasse. Aber eigentlich ist sie A-Klasse.« Er lachte, weil er das für einen guten Witz hielt. Mir wurde auf einmal ganz seltsam. Ehe ich weiterdenken konnte fuhr er strahlend fort: »Meike und ich sind zusammen.« Es war, als hätte er mir einen Schlag in den Magen verpaßt. Tobias lächelte, und ich saß wie erstarrt auf dem Bett, auf diesem Bett! Er plapperte weiter, ich weiß gar nicht mehr, was er alles gesagt hat. Irgendwann hielt er inne und meinte: »Und? Du sagst ja gar nichts.« Ehe ich es irgendwie schaffte, das Karussell in meinem Kopf anzuhalten, klingelte es, und er sprang auf, um nach unten zu gehen. ›Meike und ich sind zusammen‹, dröhnte es in meinem Kopf.

Ich wollte aufwachen, das war bestimmt alles nur ein blöder Traum. Aber es war kein Traum. Ich hockte in diesem Zimmer, wo ich davon geträumt hatte, ihm alles zu sagen, ihn in die Arme zu nehmen. Die Luft war voll mit CKone auf einmal war ich ganz alleine auf der Welt. Tobias kam zurück. Im Schlepptau zwei Mädchen. Er präsentierte mir Meike. Ich hatte sie nie zuvor gesehen, was irgendwie auch kein Wunder ist. Ein dürres kleines Ding, völlig farblos, das permanent kicherte, sobald Tobias irgendwas sagte. Als ich die beiden beobachtete, mußte ich fast kotzen. Immer wenn sie Tobias ansah, schien sie unheimlich glücklich zu sein. Jetzt weiß ich, was selbstzufrieden heißt. Sie redeten, redeten und redeten. Das andere Mädel war wohl ihre Freundin. Sie setzte sich zu mir und stellte mir ein paar blöde Fragen. Ich weiß nicht mehr was. Ich weiß auch nicht mehr, was ich geantwortet habe. Ich sah nur Tobias an. Tobias hat kein einziges Mal mehr zu mir rübergeguckt. Irgendwann fingen sie an, sich zu küssen. Mir wurde tatsächlich kotzübel, und ich bin gegangen. Ich bin in den Wald gefahren. Auf der Fahrt hämmerte es immer wieder: ›Meike und ich sind zusammen.‹ Ich habe geschrien, ihn verflucht. Niemand hat mich gehört. Und wenn. Und ich habe geheult. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal geweint habe, ist mir auch egal. Während ich das schreibe, heule ich wieder.

Es tut so weh!!! Tobi, mein kleiner Tobi, warum hast du mir das angetan? Warum tust du mir so weh?

14:20
Ich bin nach der großen Pause abgehauen. Doris fragte mich gleich am Schul-or, was mit mir ist, ich würde richtig scheiße aussehen. Ich log sie nicht mal an, als ich ihr sagte, mir ist kotzübel. Tobias kam zu mir und fragte, ob es mir inzwischen besser geht und ob es am Kuchen gelegen hätte. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Die ersten zwei Stunden rauschten an mir vorbei. Ich bin leer. Es passiert alles weit, weit weg. Es betrifft mich nicht mehr. In der Pause standen die zwei zusammen. Ich konnte mir vorstellen, wie sie wieder ständig kicherte. Ich habe die ganze Zeit Tobias angestarrt und versucht, ihn mit meinen Gedanken von ihr wegzubringen. Irgendwann hat es so weh getan, daß ich die Augen zumachte. Und ich bin gegangen. Was läuft hier für ein Scheiß-Spiel? Was hat diese dumme Kuh mit meinem Tobi gemacht? Mir kommen die ganzen Bilder zurück, wo ich mit ihm zusammen war. Ich erinnere mich an jeden Blick in seinen Augen. Es tut so weh. War das alles nur gespielt oder Einbildung? Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr. Ich glaube, ich gehe raus.

23:45
Es geht mir nicht viel besser, aber es tut nicht mehr ganz so weh. Ich bin einfach nur spazieren gegangen. Und habe nichts gedacht. Es geht irgendwie ganz gut. Kein Abendbrot gegessen. Nein, mir geht's nicht besonders. Lisa eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Sie schlief schnell ein und sah aus, wie eine kleine Prinzessin. Hoffentlich tut ihr niemand jemals so weh.

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