Dienstag, 23. Dezember 1997
"Nein!"
Es dauerte einige Sekunden, bis Mahmout verstanden hatten, was Nils da gesagt hatte. Es dauerte einige Sekunden, bis es überhaupt in MEINEM Gehirn ankam. Verstanden habe ich es bis jetzt nicht. Jedenfalls nicht richtig. Heiko kam mit zum Training. Und alles lief eigentlich ganz gut. Es kamen die ersten Trainingswettkämpfe. Flo hat immer noch mit seiner Rippe zu kämpfen und so hatte Heiko ein leichtes Spiel und gewann. Dann rief Mahmout das nächste Pairing auf: "Nils und Heiko!"
"Nein!"
Das war Nils. Zum allerersten Mal seit ich ihn kenne, hatte Nils einer Anweisung von einem Coach widersprochen. Es war eine merkwürdige Szene: Heiko stand mitten auf der Matte und Nils stand am Rand, die Arme verschränkt und rief einfach nur sein Nein in die Halle. Ich guckte zu ihm, aber er schaute Mahmout an. Ich weiß nicht, ob jemals überhaupt irgend jemand ein Pairing abgelehnt hatte. Aber Mahmout war offenbar selbst so überrascht, daß er nichts dagegen sagte. Statt dessen gab er das nächste Pairing bekannt, endlich. "Na gut, dann eben Heiko und Tim."
Kaum hatte er es ausgesprochen kam wieder ein Nein. Diesmal von Heiko.
Ich verstand überhaupt nichts. Ich guckte zu Heiko und Heiko guckte zurück. Einfach so. So wie Heiko guckt. Ich wurde nicht schlau aus ihm. Diesmal dauerte es nur eine Sekunde, bis Mahmout sich daran erinnerte, daß ER der Trainer war: "Wenn hier jeder glaubt, daß er machen kann was er will, dann ist das Training für heute zu Ende."
Super, ganz toll. Das war es jetzt also. Nils weigert sich, mit Heiko zu ringen und Heiko weigert sich, mit mir zu ringen. Mahmout ist sauer und läßt den Rest des Trainings platzen. Ich bleibe sitzen und verstehe die Welt nicht. Während der Rest der Gang anscheinend froh ist, daß das Training heute früher zu Ende ist, bleibe ich sitzen. Mir gehen tausend Sachen durch den Kopf, aber ich kriege das alles nicht geordnet.
"Alles ok?" Nils steht vor mir.
"Alles ok? Was sollte das denn eben? Warum hast du dich so komisch?"
"Tim, ich kann nicht gegen Heiko ringen. Das geht einfach nicht. Denkst du denn, ich kann da so einfach auf die Matte gehen, vergessen, daß ihr miteinander geschlafen habt, vergessen, was er für dich bedeutet und dann so einfach da raus gehen und mal eben so locker gegen ihn ringen?"
"Wir hatten jetzt keinen Sex, Nils. Wirklich nicht."
"Ich glaube dir das. Aber denkst du denn, ich wäre fair geblieben? Irgendwie hätte das doch so ausgesehen, als wäre es ein Kampf um dich. Heiko gegen Nils kämpfen um Tim."
"Du brauchst nicht um mich zu kämpfen. Verdammt noch mal, du hast mich doch schon längst! Und Heiko? Heiko würde nie um mich kämpfen. Der hat ganz andere Sachen im Kopf. Ich bin viel zu unwichtig für ihn."
"Wenn du dich da mal nicht irrst."
"Nils, bitte."
"Laß uns ein anderes Mal darüber reden, ok? Sehen wir uns morgen beim KT?"
Ich nickte. Zum ersten Mal, zum allerersten Mal war Nils vor etwas davongelaufen. Ich legte mich auf die Matte, schloß die Augen.
"Können wir?" Heiko stand vor mir und lächelte: "Vielleicht solltest du dich wenigstens mal umziehen." Ich blickte ihm direkt in die Augen. Und in diesem Moment haßte ich ihn. Ich haßte ihn zum allerersten Mal, seit wir uns kannten. Nein, ich haßte ihn seit dem Augenblick, als er Nein gesagt hatte. Wortlos stand ich auf und taperte in die Umkleide, Heiko mir hinterher.
"Was ist los?"
"Was los ist? Das frage ich dich."
Heiko guckte mich an. Er guckte mir in die Augen und diesmal war da kein Grinsen, kein Lächeln, nicht Heikos unbefangener Blick. Zum allerersten Mal guckte er richtig ernst: "Ich glaube, wir müssen mal miteinander reden."
"Das glaube ich auch", meinte ich trotzig. Ich drehte meinen Kopf weg und ging unter die Dusche. Wortlos zog ich mich um, wortlos machten wir uns auf dem Heimweg. Als wir beim Jet vorbeikamen, verschwand Heiko kurz und kam mit einer Flasche Bailey's wieder zurück. Ich sagte nichts. Wir schwiegen, bis wir endlich bei mir zu Hause waren. Er warf seine Tasche in die Ecke, griff sich die Flasche Bailey's und ging nach unten. Er holte zwei Gläser aus der Küche und setzte sich an unseren Eßtisch.
"Und?"
"Was und?"
"Was willst du mir sagen, Tim?"
"Was ich dir sagen will?"
"Natürlich, du willst mir was sagen. Also los. Warum bist du auf einmal so komisch? Warum bist du sauer?" Dieser Arsch. Wie konnte nur so ignorant sein? Ok, wenn er es so wollte.
"Warum wolltest du nicht mit mir ringen?"
"Aha, das ist es also."
"Ja, das ist es also. Was sollte das?"
"Der Grund, warum du dich so aufregst, ist die Antwort auf deine Frage."
"Machen wir jetzt hier Rätselraten? Sag mir endlich, was los ist."
"Du bist der Grund, Tim. Schau dich doch mal an. Du bist sauer, weil wir nicht zusammen gerungen haben? Für dich wäre es doch wieder so ein tierisch wichtiges Ding gewesen wie in Leipzig. Gewinnen, gegen mich gewinnen. Unheimlich wichtig. Ich wollte nicht, daß das wieder so eine Dimension annimmt."
"Dimension. Dimension. So ein Blödsinn, was redest du denn da?"
Heiko schwieg, er schaute mich an, er schaute mich einfach nur an und ich wunderte mich, daß er, Heiko, daß er so gucken konnte. Schließlich meinte er: "Das wäre doch für dich wieder total wichtig gewesen, zu gewinnen. Sei ehrlich."
Ich überlegte. Und ich glaube, nein ich bin sicher, ich sagte die Wahrheit: "Nein. Ich hätte schon gerne gewonnen. Aber es hätte nicht mehr die Bedeutung gehabt wie in Leipzig. Ich hätte nur einfach gerne mit dir gerungen. Aber nein, du mußt dich ja so affig tun."
"Du bist stinkig, weil ich nicht mit dir gerungen habe. Ok, vielleicht war es dir nicht wichtig, zu gewinnen. Aber es war dir vielleicht wichtig, mit mir zu ringen."
"Ja und?"
"Du hast da viel zu viele Gefühle drin."
"Wenn ich einfach nur gerne mit dir ringen möchte?"
"Tim, du willst mich nicht verstehen."
"Heiko, jetzt mal ehrlich: Vielleicht liebe ich dich immer noch. Aber ich habe es im Griff, ich kann damit leben. Aber verdammt noch mal, laß diese verfluchte Überheblichkeit." Der Bailey's zeigte seine Wirkung: "Der tolle Heiko, der immer entscheidet, wo es langgeht, der alles und immer und jeden im Griff hat." Ich sah eine Spur Verwunderung in seinen Augen. Ich hatte angefangen zu reden und wollte nicht mehr so schnell aufhören: "Du hast alles in der Hand, du bist der große Bestimmer. Du entscheidest, wo und wann wir Sex haben, nein, überhaupt, du entscheidest OB wir Sex haben."
"Du hättest Nein sagen können."
"Darum geht es nicht. Natürlich wollte ich. Ich wollte und will immer. Ich hätte nie Nein gesagt. Weder damals in Köln noch in Leipzig. Es geht darum, daß wenn DU mal nicht der Bestimmer wärest sondern wenn ICH mal sagen würde, laß uns jetzt mal hier und jetzt Sex haben, dann würdest DU garantiert Nein sagen, einfach nur so. Entweder um mir nur einfach zu widersprechen, oder um wieder den großen Heiko zu spielen, der alles immer in jeder Situation in der Hand hat."
"Du hast es doch noch nie probiert."
"Nein, das wollte ich mir ersparen. Dein 'Dich hatte ich schon mal' von damals hat mir gereicht." "Mein Gott, du bist echt kompliziert. Echt mal. Du tust ja gerade so, als würde ich dich immer wieder überfahren."
"Nein, das ist es nicht. Kannst du mich denn nicht verstehen? Du sagst: Laß uns miteinander schlafen. Ja. Du sagst: Laß uns nicht miteinander schlafen. Ja. DU triffst die Entscheidung, in welche Richtung auch immer. Nicht ICH. NIE ICH!"
"Irgend jemand muß sie treffen."
"Und das mußt immer du sein?"
"Wenn du sie nicht triffst."
Ich schwieg.
"Ist es das, was dich so ankotzt? Eigentlich ist es nämlich wahrscheinlich immer der kleine Tim, der sonst die Entscheidungen trifft. Und plötzlich kannst du es nicht mehr. Plötzlich TRAUST du dich nicht mehr. Du fühlst dich plötzlich hilflos."
Ich guckte ihn an. Und ich konnte nichts sagen. Da stand er vor mir, wir beide schrien uns fast an und plötzlich war da nicht mehr der unkomplizierte, oberflächliche Heiko, der alles immer so locker nahm. Auf einmal stand da ein ganz anderer Heiko und auf einmal hatte dieser Heiko etwas gesagt, was mich tief im Innersten getroffen hatte, etwas, was irgendwie, nein nicht nur irgendwie, zutraf.
Und auf einmal nahm mich dieser Heiko in den Arm und hielt mich ganz fest. "Mein Gott, Tim, mach doch nicht alles so schwierig. Ich weiß, daß du mich liebst. Aber wir beide wissen, daß daraus nichts werden kann. Aber verdammt, ich will dich auch nicht verlieren. Ich meine es wirklich ehrlich. Ich spiele nicht mit dir. Und wenn wir miteinander schlafen, dann, weil wir beide da drauf Bock haben und es geil finden. Und wenn mal nicht, dann eben, weil jemand von uns gerade mal keine Lust hat. Und wenn ich mal Nein sage, dann heißt das in diesem Moment Nein und heißt nicht für immer und ewig Nein. Das solltest du eigentlich inzwischen verstanden haben. Das heißt nicht, daß ich nichts mehr für dich empfinde oder daß du unwichtig für mich geworden bist."
Er blickte mir in die Augen. Und für eine Zehntelsekunde blitzte dort etwas auf. Ich weiß nicht, was es war, aber es war so voller Wärme und Gefühl. Und auf einmal begann ich Heiko ein bißchen besser zu verstehen.
"Wollen wir unseren Kampf von heute Nachmittag nachholen?", fragte er.
Ich lächelte und schüttelte den Kopf: "Nicht heute, ein anderes Mal."
"Deine Entscheidung", sagte er grinsend.
Ich nickte. Schon verrückt das alles.
Es dauerte einige Sekunden, bis Mahmout verstanden hatten, was Nils da gesagt hatte. Es dauerte einige Sekunden, bis es überhaupt in MEINEM Gehirn ankam. Verstanden habe ich es bis jetzt nicht. Jedenfalls nicht richtig. Heiko kam mit zum Training. Und alles lief eigentlich ganz gut. Es kamen die ersten Trainingswettkämpfe. Flo hat immer noch mit seiner Rippe zu kämpfen und so hatte Heiko ein leichtes Spiel und gewann. Dann rief Mahmout das nächste Pairing auf: "Nils und Heiko!"
"Nein!"
Das war Nils. Zum allerersten Mal seit ich ihn kenne, hatte Nils einer Anweisung von einem Coach widersprochen. Es war eine merkwürdige Szene: Heiko stand mitten auf der Matte und Nils stand am Rand, die Arme verschränkt und rief einfach nur sein Nein in die Halle. Ich guckte zu ihm, aber er schaute Mahmout an. Ich weiß nicht, ob jemals überhaupt irgend jemand ein Pairing abgelehnt hatte. Aber Mahmout war offenbar selbst so überrascht, daß er nichts dagegen sagte. Statt dessen gab er das nächste Pairing bekannt, endlich. "Na gut, dann eben Heiko und Tim."
Kaum hatte er es ausgesprochen kam wieder ein Nein. Diesmal von Heiko.
Ich verstand überhaupt nichts. Ich guckte zu Heiko und Heiko guckte zurück. Einfach so. So wie Heiko guckt. Ich wurde nicht schlau aus ihm. Diesmal dauerte es nur eine Sekunde, bis Mahmout sich daran erinnerte, daß ER der Trainer war: "Wenn hier jeder glaubt, daß er machen kann was er will, dann ist das Training für heute zu Ende."
Super, ganz toll. Das war es jetzt also. Nils weigert sich, mit Heiko zu ringen und Heiko weigert sich, mit mir zu ringen. Mahmout ist sauer und läßt den Rest des Trainings platzen. Ich bleibe sitzen und verstehe die Welt nicht. Während der Rest der Gang anscheinend froh ist, daß das Training heute früher zu Ende ist, bleibe ich sitzen. Mir gehen tausend Sachen durch den Kopf, aber ich kriege das alles nicht geordnet.
"Alles ok?" Nils steht vor mir.
"Alles ok? Was sollte das denn eben? Warum hast du dich so komisch?"
"Tim, ich kann nicht gegen Heiko ringen. Das geht einfach nicht. Denkst du denn, ich kann da so einfach auf die Matte gehen, vergessen, daß ihr miteinander geschlafen habt, vergessen, was er für dich bedeutet und dann so einfach da raus gehen und mal eben so locker gegen ihn ringen?"
"Wir hatten jetzt keinen Sex, Nils. Wirklich nicht."
"Ich glaube dir das. Aber denkst du denn, ich wäre fair geblieben? Irgendwie hätte das doch so ausgesehen, als wäre es ein Kampf um dich. Heiko gegen Nils kämpfen um Tim."
"Du brauchst nicht um mich zu kämpfen. Verdammt noch mal, du hast mich doch schon längst! Und Heiko? Heiko würde nie um mich kämpfen. Der hat ganz andere Sachen im Kopf. Ich bin viel zu unwichtig für ihn."
"Wenn du dich da mal nicht irrst."
"Nils, bitte."
"Laß uns ein anderes Mal darüber reden, ok? Sehen wir uns morgen beim KT?"
Ich nickte. Zum ersten Mal, zum allerersten Mal war Nils vor etwas davongelaufen. Ich legte mich auf die Matte, schloß die Augen.
"Können wir?" Heiko stand vor mir und lächelte: "Vielleicht solltest du dich wenigstens mal umziehen." Ich blickte ihm direkt in die Augen. Und in diesem Moment haßte ich ihn. Ich haßte ihn zum allerersten Mal, seit wir uns kannten. Nein, ich haßte ihn seit dem Augenblick, als er Nein gesagt hatte. Wortlos stand ich auf und taperte in die Umkleide, Heiko mir hinterher.
"Was ist los?"
"Was los ist? Das frage ich dich."
Heiko guckte mich an. Er guckte mir in die Augen und diesmal war da kein Grinsen, kein Lächeln, nicht Heikos unbefangener Blick. Zum allerersten Mal guckte er richtig ernst: "Ich glaube, wir müssen mal miteinander reden."
"Das glaube ich auch", meinte ich trotzig. Ich drehte meinen Kopf weg und ging unter die Dusche. Wortlos zog ich mich um, wortlos machten wir uns auf dem Heimweg. Als wir beim Jet vorbeikamen, verschwand Heiko kurz und kam mit einer Flasche Bailey's wieder zurück. Ich sagte nichts. Wir schwiegen, bis wir endlich bei mir zu Hause waren. Er warf seine Tasche in die Ecke, griff sich die Flasche Bailey's und ging nach unten. Er holte zwei Gläser aus der Küche und setzte sich an unseren Eßtisch.
"Und?"
"Was und?"
"Was willst du mir sagen, Tim?"
"Was ich dir sagen will?"
"Natürlich, du willst mir was sagen. Also los. Warum bist du auf einmal so komisch? Warum bist du sauer?" Dieser Arsch. Wie konnte nur so ignorant sein? Ok, wenn er es so wollte.
"Warum wolltest du nicht mit mir ringen?"
"Aha, das ist es also."
"Ja, das ist es also. Was sollte das?"
"Der Grund, warum du dich so aufregst, ist die Antwort auf deine Frage."
"Machen wir jetzt hier Rätselraten? Sag mir endlich, was los ist."
"Du bist der Grund, Tim. Schau dich doch mal an. Du bist sauer, weil wir nicht zusammen gerungen haben? Für dich wäre es doch wieder so ein tierisch wichtiges Ding gewesen wie in Leipzig. Gewinnen, gegen mich gewinnen. Unheimlich wichtig. Ich wollte nicht, daß das wieder so eine Dimension annimmt."
"Dimension. Dimension. So ein Blödsinn, was redest du denn da?"
Heiko schwieg, er schaute mich an, er schaute mich einfach nur an und ich wunderte mich, daß er, Heiko, daß er so gucken konnte. Schließlich meinte er: "Das wäre doch für dich wieder total wichtig gewesen, zu gewinnen. Sei ehrlich."
Ich überlegte. Und ich glaube, nein ich bin sicher, ich sagte die Wahrheit: "Nein. Ich hätte schon gerne gewonnen. Aber es hätte nicht mehr die Bedeutung gehabt wie in Leipzig. Ich hätte nur einfach gerne mit dir gerungen. Aber nein, du mußt dich ja so affig tun."
"Du bist stinkig, weil ich nicht mit dir gerungen habe. Ok, vielleicht war es dir nicht wichtig, zu gewinnen. Aber es war dir vielleicht wichtig, mit mir zu ringen."
"Ja und?"
"Du hast da viel zu viele Gefühle drin."
"Wenn ich einfach nur gerne mit dir ringen möchte?"
"Tim, du willst mich nicht verstehen."
"Heiko, jetzt mal ehrlich: Vielleicht liebe ich dich immer noch. Aber ich habe es im Griff, ich kann damit leben. Aber verdammt noch mal, laß diese verfluchte Überheblichkeit." Der Bailey's zeigte seine Wirkung: "Der tolle Heiko, der immer entscheidet, wo es langgeht, der alles und immer und jeden im Griff hat." Ich sah eine Spur Verwunderung in seinen Augen. Ich hatte angefangen zu reden und wollte nicht mehr so schnell aufhören: "Du hast alles in der Hand, du bist der große Bestimmer. Du entscheidest, wo und wann wir Sex haben, nein, überhaupt, du entscheidest OB wir Sex haben."
"Du hättest Nein sagen können."
"Darum geht es nicht. Natürlich wollte ich. Ich wollte und will immer. Ich hätte nie Nein gesagt. Weder damals in Köln noch in Leipzig. Es geht darum, daß wenn DU mal nicht der Bestimmer wärest sondern wenn ICH mal sagen würde, laß uns jetzt mal hier und jetzt Sex haben, dann würdest DU garantiert Nein sagen, einfach nur so. Entweder um mir nur einfach zu widersprechen, oder um wieder den großen Heiko zu spielen, der alles immer in jeder Situation in der Hand hat."
"Du hast es doch noch nie probiert."
"Nein, das wollte ich mir ersparen. Dein 'Dich hatte ich schon mal' von damals hat mir gereicht." "Mein Gott, du bist echt kompliziert. Echt mal. Du tust ja gerade so, als würde ich dich immer wieder überfahren."
"Nein, das ist es nicht. Kannst du mich denn nicht verstehen? Du sagst: Laß uns miteinander schlafen. Ja. Du sagst: Laß uns nicht miteinander schlafen. Ja. DU triffst die Entscheidung, in welche Richtung auch immer. Nicht ICH. NIE ICH!"
"Irgend jemand muß sie treffen."
"Und das mußt immer du sein?"
"Wenn du sie nicht triffst."
Ich schwieg.
"Ist es das, was dich so ankotzt? Eigentlich ist es nämlich wahrscheinlich immer der kleine Tim, der sonst die Entscheidungen trifft. Und plötzlich kannst du es nicht mehr. Plötzlich TRAUST du dich nicht mehr. Du fühlst dich plötzlich hilflos."
Ich guckte ihn an. Und ich konnte nichts sagen. Da stand er vor mir, wir beide schrien uns fast an und plötzlich war da nicht mehr der unkomplizierte, oberflächliche Heiko, der alles immer so locker nahm. Auf einmal stand da ein ganz anderer Heiko und auf einmal hatte dieser Heiko etwas gesagt, was mich tief im Innersten getroffen hatte, etwas, was irgendwie, nein nicht nur irgendwie, zutraf.
Und auf einmal nahm mich dieser Heiko in den Arm und hielt mich ganz fest. "Mein Gott, Tim, mach doch nicht alles so schwierig. Ich weiß, daß du mich liebst. Aber wir beide wissen, daß daraus nichts werden kann. Aber verdammt, ich will dich auch nicht verlieren. Ich meine es wirklich ehrlich. Ich spiele nicht mit dir. Und wenn wir miteinander schlafen, dann, weil wir beide da drauf Bock haben und es geil finden. Und wenn mal nicht, dann eben, weil jemand von uns gerade mal keine Lust hat. Und wenn ich mal Nein sage, dann heißt das in diesem Moment Nein und heißt nicht für immer und ewig Nein. Das solltest du eigentlich inzwischen verstanden haben. Das heißt nicht, daß ich nichts mehr für dich empfinde oder daß du unwichtig für mich geworden bist."
Er blickte mir in die Augen. Und für eine Zehntelsekunde blitzte dort etwas auf. Ich weiß nicht, was es war, aber es war so voller Wärme und Gefühl. Und auf einmal begann ich Heiko ein bißchen besser zu verstehen.
"Wollen wir unseren Kampf von heute Nachmittag nachholen?", fragte er.
Ich lächelte und schüttelte den Kopf: "Nicht heute, ein anderes Mal."
"Deine Entscheidung", sagte er grinsend.
Ich nickte. Schon verrückt das alles.
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