Samstag, 13. September 1997

13. September

"Du meinst nicht?"
"Nein, nein, nein. Absolut nein! Kein vernünftiger Mensch trägt eine Bomberjacke. Nicht mal hier in Schwaben."
"Ich finde, das sieht cool aus so."
"Das ist was für Silvio, aber nicht für dich."
"Dann weiß ich auch nicht. Was soll ich denn sonst für eine Jacke nehmen?"
Wir taperten noch mal zu H&M und Nils probierte alle möglichen Jacken durch und hatte sich endlich entschieden.
"Ich finde, die sieht cool aus", sagte ich.
"Ich weiß nicht, ich finde, das sieht zu hiphoppig aus. Ich sehe ja fast aus wie du."
"Zu hiphoppig? Ich werf' mich weg. Das ist doch nicht Hip Hop Style. Und ich bin kein Hip Hopper."
"Nein, du bist ein kleiner schwuler Ringer", zischte er mir zu. "Ein kleiner schwuler Ringer, der wahrscheinlich viel lieber ein Skater wäre, stimmt's?"
"Du weißt, was dabei herauskommt, wenn ich auf einem Skateboard stehe. Frag Markus."
"Wenn ich dich jemals auf einem Board erwische, gibt's Prügel."
Das glaubte ich ihm auf's Wort. Irgendwie ist das schon reichlich bekloppt, zum Einkaufen bis nach Stuttgart zu fahren.
"Gehen wir noch ins Dorian?"
"Ach ja, warum eigentlich nicht. Vielleicht treffen wir ja Sascha wieder."
"Sascha?"
"Das ist dieser tuntige Typ."
"Woher weißt du denn, daß der Sascha heißt?"
"Er hat mir doch seine Telefonnummer geben, als ich auf dem Klo war."
Sascha war nicht da. Aber ansonsten war es wieder einmal total voll, aber auch ganz nett.
"Wie kommen wir eigentlich nach Leipzig?"
"Keine Ahnung. Mit dem Zug doch wohl, oder?"
"Oder mit dem Flieger?"
"Dann kannst du aber allein hinfahren."
"So schlimm?"
"Also, wenn es mit dem Zug geht, dann mit dem Zug. Außerdem gibt es in Laibzisch bestimmt keinen Flughafen."
Ich mußte lachen. Mein Nils, der Flug-Angsthase.
"Und wo pennen wir da?"
"Sag mal, hast du überhaupt irgendwas von dem Registrierungs-Paper gelesen?"
"Nö, dafür habe ich schließlich meinen persönlichen Manager."
"Arsch! In einer Jugendherberge oder einem Jugendgästehaus."
"Na toll."
"Na was denn. Ein schnuckeliger Bungalow wie auf Korsika wird es bestimmt nicht sein. Außerdem sind's ja nur zwei Tage."
"Im Oktober haben wir Jubiläum. Ein Jahr."
"Ich weiß. Verrückt, nicht wahr?" Vor einem Jahr hätte ich daran noch nicht gedacht, daß ich heute hier sitze, in einem schwulen Café. Daß ich hier sitze mit dir. Mit meinem Freund."
Wenn ich so nachdenke, geht es mir genauso. Was ist in diesem Jahr alles passiert? Schon verrückt das alles.
"Hatte ich nicht auch meinen ersten Wettkampf im letzten Jahr im September?"
"Ich glaube ja. Deinen ersten Sieg und deine ersten Niederlagen."
"Ja, ja. War peinlich genug."
"War überhaupt nicht peinlich. Ich war richtig stolz auf dich."
"Du warst stolz auf mich?"
"Na klar, warum denn nicht?"
Also doch. Nicht nur meine Siege, sondern auch Nils' Siege.
"Wie war das damals? Ich meine, bevor wir zusammen waren auf Sylt."
"Wie war was?"
"Ich glaube, du weißt genau, was ich sagen will. Wie ging es dir damals? Hast du was, naja, für mich empfunden, wie das so heißt?"
Nils guckte mich an: "Und du?"
"Du sollst nicht eine Frage mit einer Gegenfrage beantworten. Natürlich habe ich was empfunden für dich. Ich war verknallt in dich. So, und jetzt du."
"Ich weiß es nicht. Das heißt, ich wußte damals nicht, was es ist. Ich konnte das nicht richtig einordnen. Aber irgendwas in dieser Richtung muß es wohl gewesen sein."
"Irgendwas in dieser Richtung. Na schönen Dank auch."
"Meine Güte, bist du manchmal empfindlich."
"Was machen wir heute Abend?"
"Keine Ahnung, Tofa? Gammeln? Party?"
"Wie wäre es mit Gammeln bei mir?"
"Keine schlechte Idee."

Ein Abend mit Nils. Ein Abend mit Nils bei mir.

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