Montag, 21. April 1997
21. April
"Ich war mit den Kölnern unterwegs und bin dann noch mit Heiko in die Tofa gezogen."
Es war, als hätte mir jemand einen Schlag auf den Kopf gegeben.
"Mit wem?" schrie ich eine Idee zu laut.
"Mit Heiko, du weißt doch, der gehört doch auch dazu."
"Ich weiß, wer Heiko ist, ich war nur etwas, etwas, ich bin nur...", plötzlich fing ich an zu stottern. In meinem Kopf beganng sich wieder alles zu drehen.
"Ich habe versucht, dich anzurufen, aber du warst nicht da. Und erst als ich zu Hause war, habe ich den Zettel gefunden, daß du bei Doris bist. Aber da war es schon nach zwölf."
"Ihr scheint euch ja prächtig amüsiert zu haben, wenn du erst so spät nach Hause kommst." Ich versuchte ruhig zu bleiben, doch meine Stimme zitterte. Ich merkte, wie ich anfing zu kochen.
"Ja, es war wirklich nett", meinte Nils, "wir haben eine halbe Ewigkeit miteinander gequatscht und so." Ich schaute ihn an. In seinen Augen war ein merkwürdiges Leuchten zu sehen.
"Und soll ich dir mal was sagen? Er hat mir erzählt, daß er schwul ist."
In meinem Magen begann es zu rumoren. Warum kam mir das alles so vor wie in einem Film, dessen Wiederholung ich sah?
Ich blickte Nils nur an, ich sah ihn einfach nur an und das schien ihn zu irritieren: "Was ist denn?" fragte er.
"Er ist schwul, und das hat er dir einfach so gesagt?"
"Ja, ich fand das ja auch ein bissele seltsam, aber er hat von einer schwulen Jugendgruppe in Köln erzählt, "My Way" oder so ähnlich, wo er mitmacht."
Ich blickte ihn wieder an, versuchte seine Gedanken zu lesen. Die ganze Zeit lag mir diese Frage auf der Zunge, diese eine Frage, deren Antwort wahrscheinlich alles verändern würde. Doch ich stellte sie nicht. statt dessen schaute ich Nils nur an und versuchte das Leuchten in seinen Augen zu deuten.
"Du bist so komisch", sagte er.
"Ich bin komisch?" fragte ich gereizt.
"Hey, wirst DU jetzt etwa eifersüchtig? Nur weil ich mich mit einem anderen schwulen Jungen unterhalten habe?"
Jetzt, wo ich das aufschreibe merke ich erst, wie leicht ihm auf einmal das Wort 'schwul' schon zum zweiten Mal über die Lippen gekommen war. Ich WAR eifersüchtig, aber nicht, weil er sich mit einem anderen Jungen unterhalten hatte, nicht mal, weil er sich mit Heiko unterhalten hatte. Ich hatte Angst, Angst, daß er mit Heiko das gleiche erlebt hatte, wie ich mit ihm. Doch ich konnte ihn ja schlecht fragen.
Ich versuchte so belanglos wie möglich zu klingen: "Und was habt ihr sonst noch so gequatscht."
"Nichts besonderes weiter. Ein bissele übers Ringen, aber er ist ja da nicht so toll, finde ich und nix weiter. Ich fand das eben nur total eigenartig, daß alle Leute in seinem Verein wissen, daß er homosexuell ist."
"Hast du ihm etwa erzählt, daß..."
"Nein, was denkst du denn? Natürlich nicht. Ich habe ihm nur gesagt, daß ich nichts gegen Schwule habe, das ist ja nicht mal gelogen. Aber das war auch alles.
Ich konnte Nils nicht mal böse sein. Wesentlich mehr hatte ich Heiko ja auch nicht gesagt und ich verfluchte mich in diesem Moment, daß ich so feige war.
Ich schaute Nils immer noch an: verschieg er mir was? Hatte er etwa auch Sex mit Heiko gehabt? Ich weiß es nicht, verdammt noch mal ich weiß es nicht und das macht mich wahnsinnig. Aber vielleicht würde es mich noch viel mehr wahnsinnig machen, wenn ich wüßte, daß er was mit ihm hatte. Mein Nils, mit meinem Heiko. Das ist doch wirklich alles daneben.
Das Training verlief heute ziemlich unspektakulär. Heiko sagte uns brav guten Tag, schenkte mir eine Zehntelsekunde mir Augenzwinkern und war dann wieder im allgemeinen Trainingsgewusel untergegangen. Ich schaffte es wirklich nicht, ihn irgendwie wenigstens für eine Sekunde alleine zu sprechen. Ständig waren irgendwelche Leute um uns herum. Das machte mich wütend, richtig wütend, so daß ich, als ich ihm zum Trainingskampf zugeteilt wurde, so aggressiv war, daß ich ihn nach einer Minute geschultert hatte. Ich habe Heiko geschultert! Die anderen standen fassungslos am Mattenrand und schauten mich an: "Was ist denn mit dir los? Hast du was genommen zum Doping?" wollte Nils wissen. "Mir scheint eher", meinte Dimitri, "unser Anfänger scheint langsam den richtigen Kampfgeist zu entwickeln."
Ich glaube in dem Moment hätte ich es mit jedem aufgenommen. Heiko grinste mich an. Ich hätte ihn in dem Moment einfach nur in den Arm genommen und geküßt. statt dessen verschwand ich in der Umkleide. Einfach nur, um alleine zu sein. Vielleicht auch hatte ich ein wenig Hoffnung, daß Heiko nachkommen würde und wir wenigstens einen Augenblick mieinander alleine reden konnten. Aber er kam nicht. Ich schaute mich im Spiegel an: Wer bin ich, dachte ich. Wer bin ich, was mache ich? Ist das alles nur ein Film, der hier abläuft? Hat sich das jemand ausgedacht, um mich zu ärgern, um mir irgendeine Prüfung zu stellen? Im Spiegel blickte mich mein Gesicht an. Tim, den ich seit so vielen Jahren im Spiegel gesehen habe, Tim, der Stück für Stück erwachsen ist, der sich schon ein paarmal rasieren muß, der mit anderen Jungs rummacht, wieviele es bisher waren kann er nicht mal so spontan von einer auf die andere Sekunde sagen. Tim, der einen Freund hat, der eigentlich doch so glücklich ist und gleichzeitig in einen komischen Typen aus Köln verknallt ist. Einen Typen, der sich anscheinend einen Dreck um ihn schert, oder doch wenigstens nicht viel wie ich gerne möchte. Ich blickte in den Spiegel und versuchte alle Wahrheiten der Welt aus ihm herauszulesen. Doch da war nichts. Alles was ich sah war ich, Tim Berger, 17 Jahre alt, schwul und verwirrt wie noch nie.
"Ach hier steckst du."
Ich drehte mich um. Nils stand hinter mir: "Ist alles in Ordnung?"
"Ja, ich dachte ich hätte irgendwas im Auge, aber da ist nichts."
Er nahm menen Kopf in seine Hände und küßte mich auf die Stirn: "Ich hab dich lieb", flüsterte er zärtlich. Nils, mein Nils. Mein Herz quoll über und ich drückte ihn ganz fest.
Es war, als hätte mir jemand einen Schlag auf den Kopf gegeben.
"Mit wem?" schrie ich eine Idee zu laut.
"Mit Heiko, du weißt doch, der gehört doch auch dazu."
"Ich weiß, wer Heiko ist, ich war nur etwas, etwas, ich bin nur...", plötzlich fing ich an zu stottern. In meinem Kopf beganng sich wieder alles zu drehen.
"Ich habe versucht, dich anzurufen, aber du warst nicht da. Und erst als ich zu Hause war, habe ich den Zettel gefunden, daß du bei Doris bist. Aber da war es schon nach zwölf."
"Ihr scheint euch ja prächtig amüsiert zu haben, wenn du erst so spät nach Hause kommst." Ich versuchte ruhig zu bleiben, doch meine Stimme zitterte. Ich merkte, wie ich anfing zu kochen.
"Ja, es war wirklich nett", meinte Nils, "wir haben eine halbe Ewigkeit miteinander gequatscht und so." Ich schaute ihn an. In seinen Augen war ein merkwürdiges Leuchten zu sehen.
"Und soll ich dir mal was sagen? Er hat mir erzählt, daß er schwul ist."
In meinem Magen begann es zu rumoren. Warum kam mir das alles so vor wie in einem Film, dessen Wiederholung ich sah?
Ich blickte Nils nur an, ich sah ihn einfach nur an und das schien ihn zu irritieren: "Was ist denn?" fragte er.
"Er ist schwul, und das hat er dir einfach so gesagt?"
"Ja, ich fand das ja auch ein bissele seltsam, aber er hat von einer schwulen Jugendgruppe in Köln erzählt, "My Way" oder so ähnlich, wo er mitmacht."
Ich blickte ihn wieder an, versuchte seine Gedanken zu lesen. Die ganze Zeit lag mir diese Frage auf der Zunge, diese eine Frage, deren Antwort wahrscheinlich alles verändern würde. Doch ich stellte sie nicht. statt dessen schaute ich Nils nur an und versuchte das Leuchten in seinen Augen zu deuten.
"Du bist so komisch", sagte er.
"Ich bin komisch?" fragte ich gereizt.
"Hey, wirst DU jetzt etwa eifersüchtig? Nur weil ich mich mit einem anderen schwulen Jungen unterhalten habe?"
Jetzt, wo ich das aufschreibe merke ich erst, wie leicht ihm auf einmal das Wort 'schwul' schon zum zweiten Mal über die Lippen gekommen war. Ich WAR eifersüchtig, aber nicht, weil er sich mit einem anderen Jungen unterhalten hatte, nicht mal, weil er sich mit Heiko unterhalten hatte. Ich hatte Angst, Angst, daß er mit Heiko das gleiche erlebt hatte, wie ich mit ihm. Doch ich konnte ihn ja schlecht fragen.
Ich versuchte so belanglos wie möglich zu klingen: "Und was habt ihr sonst noch so gequatscht."
"Nichts besonderes weiter. Ein bissele übers Ringen, aber er ist ja da nicht so toll, finde ich und nix weiter. Ich fand das eben nur total eigenartig, daß alle Leute in seinem Verein wissen, daß er homosexuell ist."
"Hast du ihm etwa erzählt, daß..."
"Nein, was denkst du denn? Natürlich nicht. Ich habe ihm nur gesagt, daß ich nichts gegen Schwule habe, das ist ja nicht mal gelogen. Aber das war auch alles.
Ich konnte Nils nicht mal böse sein. Wesentlich mehr hatte ich Heiko ja auch nicht gesagt und ich verfluchte mich in diesem Moment, daß ich so feige war.
Ich schaute Nils immer noch an: verschieg er mir was? Hatte er etwa auch Sex mit Heiko gehabt? Ich weiß es nicht, verdammt noch mal ich weiß es nicht und das macht mich wahnsinnig. Aber vielleicht würde es mich noch viel mehr wahnsinnig machen, wenn ich wüßte, daß er was mit ihm hatte. Mein Nils, mit meinem Heiko. Das ist doch wirklich alles daneben.
Das Training verlief heute ziemlich unspektakulär. Heiko sagte uns brav guten Tag, schenkte mir eine Zehntelsekunde mir Augenzwinkern und war dann wieder im allgemeinen Trainingsgewusel untergegangen. Ich schaffte es wirklich nicht, ihn irgendwie wenigstens für eine Sekunde alleine zu sprechen. Ständig waren irgendwelche Leute um uns herum. Das machte mich wütend, richtig wütend, so daß ich, als ich ihm zum Trainingskampf zugeteilt wurde, so aggressiv war, daß ich ihn nach einer Minute geschultert hatte. Ich habe Heiko geschultert! Die anderen standen fassungslos am Mattenrand und schauten mich an: "Was ist denn mit dir los? Hast du was genommen zum Doping?" wollte Nils wissen. "Mir scheint eher", meinte Dimitri, "unser Anfänger scheint langsam den richtigen Kampfgeist zu entwickeln."
Ich glaube in dem Moment hätte ich es mit jedem aufgenommen. Heiko grinste mich an. Ich hätte ihn in dem Moment einfach nur in den Arm genommen und geküßt. statt dessen verschwand ich in der Umkleide. Einfach nur, um alleine zu sein. Vielleicht auch hatte ich ein wenig Hoffnung, daß Heiko nachkommen würde und wir wenigstens einen Augenblick mieinander alleine reden konnten. Aber er kam nicht. Ich schaute mich im Spiegel an: Wer bin ich, dachte ich. Wer bin ich, was mache ich? Ist das alles nur ein Film, der hier abläuft? Hat sich das jemand ausgedacht, um mich zu ärgern, um mir irgendeine Prüfung zu stellen? Im Spiegel blickte mich mein Gesicht an. Tim, den ich seit so vielen Jahren im Spiegel gesehen habe, Tim, der Stück für Stück erwachsen ist, der sich schon ein paarmal rasieren muß, der mit anderen Jungs rummacht, wieviele es bisher waren kann er nicht mal so spontan von einer auf die andere Sekunde sagen. Tim, der einen Freund hat, der eigentlich doch so glücklich ist und gleichzeitig in einen komischen Typen aus Köln verknallt ist. Einen Typen, der sich anscheinend einen Dreck um ihn schert, oder doch wenigstens nicht viel wie ich gerne möchte. Ich blickte in den Spiegel und versuchte alle Wahrheiten der Welt aus ihm herauszulesen. Doch da war nichts. Alles was ich sah war ich, Tim Berger, 17 Jahre alt, schwul und verwirrt wie noch nie.
"Ach hier steckst du."
Ich drehte mich um. Nils stand hinter mir: "Ist alles in Ordnung?"
"Ja, ich dachte ich hätte irgendwas im Auge, aber da ist nichts."
Er nahm menen Kopf in seine Hände und küßte mich auf die Stirn: "Ich hab dich lieb", flüsterte er zärtlich. Nils, mein Nils. Mein Herz quoll über und ich drückte ihn ganz fest.
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