Dienstag, 28. Januar 1997
28. Januar
"Du brauchst wirklich nicht mitkommen, aber bitte, rufe Clemens an."
Doris ist heute in der zweiten Stunde umgekippt. Einfach so, neben mir vom Stuhl gerutscht. Ich dachte im ersten Moment, sie macht einen Jux, aber dann war mir klar, daß das ernst war. Scheffner war sofort da und meinte, wir sollten zurücktreten. Tobias half ihm, ihre Beine hochzulegen. Daß er bei den Johannitern mitmacht hat ja auch seine Vorteile. So langsam kam Doris wieder. Aber eben nicht so richtig. Melanie rannte ins Sekretariat, damit jemand den Rettungswagen ruft. Die kamen dann auch ganz schnell und legte sie auf die Trage. Sie drückte mir noch die Hand zum Abschied und meinte, ich sollte Clemens sagen, daß es schon nicht so schlimm ist. Ich glaube sie wollte sich aber nichts anmerken lassen, denn erstens war sie total blaß und zweitens hätte sie sich bestimmt nicht so widerstandslos abtransportieren lassen, wenn es nicht schlimm wäre. Es dauerte eine Weile, bis ich die Nummer von der Tischlerei hatte, wo Clemenes arbeitet. Ich hatte kaum meinen ersten Satz zu Ende gesprochen, da hatte er schon aufgelegt. Bestimmt war er sofort losgerast.
"Hoffentlich ist es nichts Schlimmes", sagte ich zu Nils beim Krafttraining. Er nickte. "Vielleicht ist das ja alles zu viel für sie, mit dem Baby und so."
"Na hoffentlich ist mit dem nichts."
"Du hast sie wohl sehr gerne, was?"
"Ja, allerdings. Es gibt eigentlich für mich nur drei Arten von Leuten. Leute, die nett und ok sind, totale Idioten und die Unsichtbaren. Und sie ist eben eine von den Netten."
"Und wozu gehöre ich?"
Ich antwortete nicht. Eigentlich hättte ich irgendeine Blödelantwort geben können, doch mir war nach der Sache mit Doris nicht danach. Nils buffte mich auf den Arm und meinte, daß wohl schon alles in Ordnung gehen würde mit ihr. Ich hoffe er hat recht.
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