Montag, 28. Oktober 1996

28. Oktober

"Mein kleiner Tim!"
Kaum war die Tür hinter uns ins Schloß gefallen, wirbelte mich Nils herum und drückte mich so fest, daß mir fast die Luft wegblieb. "Meine Eltern sind in München. Die ganze Woche." Zum ersten Mal waren wir allein, so allein, daß uns niemand stören konnte. Wir küßten uns eine halbe Ewigkeit, bis er mich schließlich in sein Zimmer zog. Und dann lagen wir in seinem Bett; in diesem Bett, in dem ich schon so viele Male in meiner Fantasie gelegen hatte. Diesmal war es Wirklichkeit. Wir lagen einfach nur da, küßten uns, streichelten uns. Und während wir in unserer ersten Nacht vor allem geil aufeinander waren, so nahmen wir uns jetzt alle Zeit der Welt. Ich spürte so viel Liebe für ihn in mir, ich wollte ihn nie mehr loslassen. Als wir dann erschöpft und keuchend nebeneinander lagen, strahlte er mich an: "Also zu leise bist du nicht." Ich wußte genau, worauf er anspielte und prustete los: "Dann hätten wir vorher vielleicht doch das Fenster zumachen sollen."
"Was?!" Er schreckte hoch und guckte zum Fenster, das natürlich zu war. "Borrh, du hast mir einen totalen Schreck eingejagt. Ich dachte schon, die Nachbarn..." Er sah wie ich grinste und warf sich auf mich: "Du kleines Miststück", schrie er lachend, setzte sich auf meine Brust und hielt mich an meinen Handgelenke fest. "Ich laß dich jetzt nie wieder los." Ich glaube, das wäre mir genauso recht gewesen, doch dann fing er wieder ganz sanft an, mich zu küssen und schließlich kamen wir ein zweites Mal.
"Tim!" Ich schreckte hoch. Draußen wurde es schon dunkel. Wir mußten eingeschlafen sein. "Wir müssen los, zum Training."
"Ach nein, doch nicht heute."
"Na klar, warum denn nicht. Wir waren schließlich eine Ewigkeit nicht mehr da."
Ich wäre so gerne noch neben ihm liegen geblieben. Einfach nur so, hätte ihn neben mir gefühlt, wie er atmet, hätte mein Ohr auf sein Brust gelgt und hätte sein Herz schlagen gehört. Aber nun war Zeit für dieses blöde Training. Wir sprangen unter die Dusche und setzten das halbe Bad unter Wasser. Es fiel mir wirklich schwer, jetzt ans Training zu denken, aber es mußte wohl sein. Wir rasten zu mir nach Hause, ich packte meine Klamotten zusammen und stürmte an meiner verdatterten Mom vorbei wieder raus: "We are the champions!"

"Oh beehren uns die Herren auch mal wieder mit ihrer Anwesenheit. Und dann noch so pünktlich." Dimitri hatte eine Scheißlaune. Zu allem Unglück waren wir eine Viertelstunde zu spät, und so was kann er nun überhaupt nicht ab. Naja was soll's. Ich merkte, wie ich in den letzten Wochen richtig eingerostet war. Und etwas war total komisch. Jedesmal wenn ich zu Nils guckte, sah er in eine andere Richtung. Jedesmal, wenn ich versuchte, in seine Nähe zu kommen, ging er weg. Ich meine, ich wollte ihn ja nun nicht gleidh umarmen, aber daß er absolut so tut, als wenn er mich fast nicht kennt, finde ich schon daneben. Naja, das machte mich total unkonzentriert, was Dimitri wieder aufregte. Zu allem Unglück landete ich nach einem Wurf auch noch so unglücklich, daß ich mir selbst die Faust in die Rippen bohrte. Ich dachte einen Moment lang, ich würde keine Luft mehr bekommen. Als ich mich berappelt hatte, mußte ich erst mal eine Weile lang liegen. Dimitri meinte nur, daß kommt davon, wenn man unkonzentriert ist und nicht richtig fällt. Na toll. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Nils zu mir rüberguckte. So was Blödes, was guckt er und kommt nicht rüber?
Beim Umziehen fragte er mich dann leise: "Ist es schlimm?"
"Es geht so", log ich. Hätte ich ihm sagen sollen, daß es höllisch wehtat?
"Kommst du noch mit zu mir?"
Oh ja, ich wollte nichts lieber als das machen. Auf der anderen Seite mußte ich mich ja irgendwie noch zu Hause abmelden. Also verabredeten wir uns für Zehn.

"Wie du willst heute noch zu einer Party gehen?" Mom guckte mich skeptisch an.
"Na klar, schließlich haben wir Ferien."
"Denkst du nicht, daß du vielleicht mal einen Abend zu Hause verbringen könntest? Schließlich warst du zwei Wochen lang weg." Ich fand das nun wirklich übertrieben, vor allem weil ich ja immerhin gestern abend zu Hause war. Zum Glück hat sie nichts davon mitbekommen, wie sehr mir die Rippen weh tun.

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