Montag, 5. August 1996

5. August

"Monselice", meinte Mom und tippte auf die Karte. Der Mann an der Abzweigung ließ einen wahren Wortschwall los und Mom nickte. "Wir müssen hier links und dann den Feldweg da vorne lang." Dad grinste. Ich finde es toll, wie er es schafft, den großen Wagen durch die kleinsten Straßen zu manöverieren. Ich weiß noch, welchen Terz Tassis Vater mal machte, als er einen nicht befestigten Waldweg an der Süderelbe lang fuhr, so nach dem Motto "Meine Stoßdämpfer, und überhaupt, die Steine, machen den ganzen Lack kaputt..." Dad dagegen fährt einfach überall lang, es ist ihm egal, ob hinter uns eine Riesenstaubwolke entsteht oder der Kies durch die Gegend fliegt. Phil meint, Dad wäre sicherlich in Wirklichkeit gerne Rallye-Fahrer geworden. Nun ja, kann ich mir nur schwer vorstellen.

Monselice. Wieder so ein Kuhkaff. Wenn im Reiseführer schon "malerisch" steht, weiß ich, was uns erwartet. Eine mittelalterliche Stadt mit Kastell, endlose Treppen zum Hochkraxeln. Wenigstens gab es eine nette Aussicht zur Belohnung. Ich überlege mir immer wieder, wieso Leute eigentlich so beknackt sind, und Orte an solche unmögliche Stellen in die Landschaft bauen. Ich meine, Hamburg ist doch einfach ideal für eine Stadt: eine Ebene, direkt am Fluß und direkt am Meer. Aber warum um alles in der Welt, bauen die Leute Dörfer auf Hügel? Wo nichts ist außer Gegend? Wo man alles, was man braucht erst mühsam von unten heraufschleppen muß? Mittagessen in einem restaurierten Bauernhof. Mom hat alles perfekt durchorganisiert. Oder Dad, jedenfalls meinte er, daß das Ristorante sogar von Wolfram Siebeck aus der Zeit empfohlen worden wäre. Na toll. Ok, ich gebe zu, es hat nicht schlecht geschmeckt, aber das hat die Pizza im Ort auch nicht.

Ich verliere hier völlig jedes Zeitgefühl. Wenn ich nicht Tagebuch schreiben würde, wüßte ich nicht einmal, welchen Tag wir heute haben. Aber auch mit der Uhrzeit komme ich kaum mehr klar. Was vielleicht auch daran liegt, daß ich meine Uhr permanent zu Hause liegen lasse. Aber es ist mir eiegentlich auch egal. Jetzt nehme ich sie aber mit, weil ich noch etwas am Strand laufen will.

Coool, ich habe den Jungen von gestern wiedergesehen. Er stand im Ort mit seinen Eltern an der Eisdiele. Er lächelte und nickte mir zu. Leider gingen sie dann weiter, naja und ich konnte ja nun schlecht einfach hinterher gehen. Aber jetzt weiß ich, daß er offensichtlich irgendwo im Ort wohnen muß. Mal gucken, ob ich ihn morgen am Strand sehe.

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