Mittwoch, 10. Juli 1996

10. Juli

"Da muß man den ASD vom Jugendamt einschalten," meinte Mom.
"Ob die hier überhaupt so etwas haben?"
"Natürlich, so etwas gibt es doch bestimmt überall, bestimmt irgendwo beim Rathaus." Mom setzte sich ans Telefon und begann zu telefonieren. Naja, sie bekam nur den Pförtner oder so was ran, es war halt noch zu früh. Aber jedenfalls bekam sie eine Anlaufstelle beim Amt für Jugend und Familie raus. Ich rief bei Max an, aber niemand ging ran.

Dafür tauchte er nach der großen Pause in der Schule auf. Das ist wirklich eine total bekloppte Situation. Er meint, er sitzt jetzt wirklich zu Hause, mit kaum was zu essen da, ohne Geld und weiß nicht was er tun soll. Ich habe ihm gesagt, daß er auf jeden Fall heute zum Jugendamt muß, damit die irgendwas machen.

Am Nachmittag rief er dann noch mal an: "Sie hat Paul abgeholt. Einfach so, vom Kindergarten, jetzt sitze ich ganz alleine hier." Irgendwie wird diese ganze Sache immer seltsamer. Ich bin jedenfalls zu ihm hingefahren und wir sind dann zusammen zum Rathaus gegangen. Naja, diese komische Jugendpflegerin oder was auch immer das ist, hat mich rausgeschickt und ich saß eine halbe Ewigkeit auf dem Gang rum. Als Max rauskam sah er voll bedeppert aus: "Sie meint, ich muß wohl erst mal in ein Heim."
"Was?"
"Wenn meine Mutter nicht in den nächsten zwei Tagen wieder aufkreuzt, meint sie, kann ich da nicht alleine wohnen bleiben." Irgendwie dachte ich bisher immer bei Heim an Kinderheime, wo kleine Kinder hinkommen, die keine Eltern haben. Auf die Idee, daß jemand mit 16 noch in ein Kinderheim muß, bin ich bisher noch nicht gekommen.
"Auf jeden Fall kommt heute Abend jemand vorbei, so von wegen Geld und Essen."
"Das ist doch absolute Scheiße! Los, du bleibst erstmal bei mir." Das sagte ich einfach so, oha, ich wußte gar nicht, was Mom dazu sagen würde. Max wollte zwar erst nicht, weil er meinte, vielleicht würde ja seine Mutter oder Paul zurückkommen, aber dann haben wir einen Zettel an seine Tür gemacht, mit meiner Telefonnummer.

Naja, Mom war natürlich nicht sonderlich begeistert, sie murmelte nur irgendwas von "Wir sind doch nicht das Sozialamt", aber das ist mir eigentlich egal. Irgendwann rief die Sozialarbeiterin an, die ihn besuchen wollte. Er erzählte, daß er jetzt erstmal bei mir wohnt. Naja, ich bin gespannt, wie es weitergeht.

1 Kommentar:

  1. Schön das wieder Leben auf dieser Seite einkehrt! Bitte haltet diesmal bis zum Schluss durch.

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