Donnerstag, 28. März 1996

28. März

»Wie wär’s mit Chopin?« Tobi saß an seinem Klavier und wollte wissen, was er spielen sollte.
»Öhmmm.«
»Aha, also lieber was Modernes. Elton John?«
»Von mir aus.« Etwas modernes?
Ich saß auf seinem Bett und lehnte mich zurück. Hier schlief Tobi. Ich schloß die Augen. Ob er sich auch jede Nacht einen runterholt? Zum Glück saß er mit dem Rücken zu mir und spielte ein herrlich trauriges Stück. Und dann plötzlich, ich weiß nicht wie, schossen mir Tränen in die Augen. Verdammt, mußte er ausgerechnet so ein trauriges Lied spielen? Gott sei Dank hatte ich mich wieder im Griff, als er fertig war, und ich brachte sogar ein »sehr schön« hervor. Tobi lächelte. »Laß uns noch etwas in die Stadt gehen«, schlug ich vor. Nur raus aus diesem Zimmer. Wir gingen zum Marktplatz und lästerten über die vorbeikommenden Leute.
»Wie ist es in Hamburg?« wollte er wissen.
»Größer.«
»Wow! Und mehr nicht?«
Ich erzählte ihm von Hamburg, wohin man gehen konnte, daß man dort nicht nur einen popeligen Marktplatz zum Abhängen hatte. Tobi hörte interessiert zu. Weiter als bis Stuttgart schien er noch nicht in seinem Leben gekommen zu sein. Ich schlug ihm vor, Ostern mitzukommen. Doch er schüttelte nur den Kopf. Es wäre auch schwierig gewesen, Mom und Dad das klarzumachen.
Tobi, Tobi, was soll ich nur machen? Warum, verdammt noch mal, kann ich ihm nicht einfach sagen, was ich für ihn empfinde? Wenn er mich anschaut, rast mein Herz, und mir
wird ganz warm. Ich möchte ihn einfach ihn die Arme nehmen, festhalten und drücken. Ja, schaut nur alle her! Scheiß drauf, was ihr denkt! Warum ist das alles so schwer?

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