Freitag, 22. März 1996

22. März

»Du mußt dich entscheiden: Nils oder ich!« Tobi stand in der Tür und heulte.
Schweißgebadet wachte ich auf. Mein Gott, was war das denn für ein Traum? Ich war wieder in Hamburg, in meinem Zimmer. Neben mir im Bett lag Nils. Wir kuschelten und knutschten. ›Ich hoffe, du bist nicht sauer wegen gestern‹, murmelte er immer wieder. Jedesmal, wenn er das sagte, küßte ich ihn. Plötzlich war die Tür aufgegangen und Tobias kam rein. Er sah uns und fing an zu schreien.

Oh Shit! Ich taperte ins Badezimmer und schüttelte immer wieder den Kopf, um die Erinnerung an diesen Traum abzuschütteln, doch es gelang mir nicht. Die kalte Dusche brachte mich wenigstens wieder halbwegs zurück und schaffte es, meinen Ständer runterzukriegen.

In der Schule schaute ich Tobias und Nils forschend an. Sie waren natürlich wie immer. Nils hing mit ein paar Mädels rum, und Tobi saß still auf seinem Platz und kritzelte etwas auf ein Stück Papier. Es war ein Traum, es war nur ein Traum, sagte ich mir immer wieder. Das hier, das ist die Realität!
»Was schreibst du da?« wollte ich wissen.
»Ooch, nix besonderes«, das Blatt verschwand in seinem Block. Ich fragte ihn, ob er morgen zu Doris' Party kommt. Er weiß es noch nicht, und ich versuchte ihn zu überreden.
Schließlich kam mir die genialste Idee überhaupt: »Ich hol dich um acht ab, o.k.?« Seine Augen leuchteten auf einmal: »O.k.« Mir war, als hätte ich die Sa-che aus meinem Traum wiedergutgemacht.
Ich glaube, ich hab Mathe vergeigt. Wahrscheinlich zum ersten Mal in mei-nem Leben. Ich saß nur da und dachte an meinen Traum. Ab und zu blickte ich hoch und guckte mir Nils’ Hinterkopf an. Den rasierten Nacken, die gel-glänzenden Stoppeln. Ich mußte immer wieder daran denken, wie ich heute nacht diesen Nacken geküßt hatte und er dabei jedesmal zitterte. Ich riß mich zusammen und versuchte, die Gleichungen aufzudröseln, doch die Zeit war einfach zu kurz und ich war nicht bei der Sache. Mist!
Heute nachmittag bin ich zu Hause geblieben. Einfach nur alleine sein. Mein Zimmer dunkel. Nein, ich komme nicht zum Essen runter. Nein, ich bin nicht krank, ich will einfach nur meine Ruhe haben. Nachdenken, träumen. Doch so sehr ich es auch versuchte: der Traum kommt nicht wieder.

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