Freitag, 15. März 1996
15. März
»Hättest du nicht einen Zug früher nehmen können?« Phil schüttelte den Kopf. Mom und Lisa würden ihn zum Bahnhof bringen, während ich in der Schule schmore. Zum Abschied habe ich fast ein bißchen geheult. Er hat mir versprochen, anzurufen und viel zu schreiben.
Heute hatte ich zum ersten Mal Sport. Am CaZe ist alles ein bissele andersch. Hier duscht niemand nach dem Sport. Was auch eigentlich kein großer Verlust ist. Tobias ist, wenn er sein T-Shirt auszieht, ziemlich dürr, und seine Boxershorts schlabbern entsetzlich. Auch die anderen Jungs sehen nicht besonders atemberaubend aus. Zwei tragen tatsächlich schreckliche Opa-Unterhosen. O.k., wenigstens kriege ich hier bestimmt beim Umziehen keinen Ständer. Ich überlege, wie eigentlich die anderen die Mädels zum Beispiel im Schwimmbad angucken? Genauso wie ich die Jungs angucke? Ich wünschte, ich könnte jemanden fragen.
Der einzige zum Hingucken ist Nils. Er hat einen sehr schönen Körper. Ich habe einen schnellen Blick auf ihn werfen können, als er nur in seinen Calvins dastand. Viel scheint er allerdings nicht in der Hose zu haben. Vor der Turnhalle wurde er von einem tierisch geschminkten Mädel erwartet, das ihm gleich um den Hals fiel. Na toll, war ja auch klar. Auf dem Heimweg malte ich mir aus, ich wäre sie (natürlich ohne Schminke).
Als ich nach Hause kam, war niemand zu da. Mom holte Lisa wohl aus dem Kindergarten ab. Ich lief durch das ganze neue Haus. Mom hatte wahre Wunder vollbracht und es geschafft, innerhalb weniger Tage alle Umzugskisten verschwinden zu lassen. Obwohl es fast alles unsere alten Möbel sind, sieht nichts mehr so aus wie in Hamburg. Ok, einzig vielleicht Dads Arbeitszimmer, das wie immer chaotisch mit Ordnern und Akten übersät ist. Es ist komisch. Ich hatte ihn ein paar Mal in seinem Büro an den Deichtorhallen besucht. Da war alles extrem ordentlich und aufgeräumt.
Anschließend ging ich in den Keller und machte mein Fahrrad fit. Doris wollte mich am Nachmittag abholen und mir etwas von Bergbach zeigen.
»Nimm doch bitte ein Glas.« Mom und Lisa kamen herein, als ich mir gerade etwas zum Trinken holte. Lisa zeigte mir ein Bild, das sie gemalt hatte und plapperte gleich drauflos, was sie alles im Kindergarten gemacht hatte. Das ersparte mir die übliche Fragen von Mom, wie es denn in der Schule war.
Irgendwann klingelte es. »Ist das das Mädchen aus deiner Schule?«
»Ja«, rief ich im Hinausrennen, »sie zeigt mir die Stadt.« Tür zu, uff, ich war draußen. »Alles bereit, für die Stadtführung?« Wir radelten durch die Innenstadt, sie zeigte mir die Thermen, das Bergwerksmuseum, das Movieplex, die Disco im Gewerbepark. Beim katholischen Jugendzentrum streikte ich, dafür wollte sie nicht zu McDonald’s – na ja, Vegetarierin. Und weil ich mir keinen Vortrag über die Abholzung der Regenwälder und Beipackstoffe in Burgern anhören wollte, schlug ich vor, daß sie mir noch etwas von der Umgebung zeigt. Wir fuhren also raus aus Bergbach, durch einen kleinen Wald auf einen Hügel. Plötzlich hatten wir einen tollen Ausblick auf Bergbach. »Schau, dahinten ist unsere Schule«, sagte sie. Ich versuchte mich
zu orientieren und fand unser Haus. »Und wo wohnst du?« fragte ich. Sie zeigte auf einen kleinen Bauernhof, der ziemlich verloren am Rande eines großen Feldes stand. »Ich komme gerne hierher«, sagte sie. Oje, jetzt bitte keine romantische Szene, dachte ich und schwang mich wieder auf mein Rad. Auf dem Rückweg fuhren wir bei ihr vorbei. »Hier wohne ich, wenn du magst, kannst du mich ja mal besuchen.«
»O.k., mal sehen«, sagte ich. Eigentlich ist sie ganz nett.
Am Abend rief Phil an. Lange mit ihm gequatscht, Oma freut sich, daß sie nicht mehr alleine wohnt. Jetzt liege ich in meinem Bett und male mir wieder aus, wie es wäre, auf Nils zu warten, ihm um den Hals zu fallen, ihn zu küssen, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. So eine Scheiße, warum geht so was nicht?
Heute hatte ich zum ersten Mal Sport. Am CaZe ist alles ein bissele andersch. Hier duscht niemand nach dem Sport. Was auch eigentlich kein großer Verlust ist. Tobias ist, wenn er sein T-Shirt auszieht, ziemlich dürr, und seine Boxershorts schlabbern entsetzlich. Auch die anderen Jungs sehen nicht besonders atemberaubend aus. Zwei tragen tatsächlich schreckliche Opa-Unterhosen. O.k., wenigstens kriege ich hier bestimmt beim Umziehen keinen Ständer. Ich überlege, wie eigentlich die anderen die Mädels zum Beispiel im Schwimmbad angucken? Genauso wie ich die Jungs angucke? Ich wünschte, ich könnte jemanden fragen.
Der einzige zum Hingucken ist Nils. Er hat einen sehr schönen Körper. Ich habe einen schnellen Blick auf ihn werfen können, als er nur in seinen Calvins dastand. Viel scheint er allerdings nicht in der Hose zu haben. Vor der Turnhalle wurde er von einem tierisch geschminkten Mädel erwartet, das ihm gleich um den Hals fiel. Na toll, war ja auch klar. Auf dem Heimweg malte ich mir aus, ich wäre sie (natürlich ohne Schminke).
Als ich nach Hause kam, war niemand zu da. Mom holte Lisa wohl aus dem Kindergarten ab. Ich lief durch das ganze neue Haus. Mom hatte wahre Wunder vollbracht und es geschafft, innerhalb weniger Tage alle Umzugskisten verschwinden zu lassen. Obwohl es fast alles unsere alten Möbel sind, sieht nichts mehr so aus wie in Hamburg. Ok, einzig vielleicht Dads Arbeitszimmer, das wie immer chaotisch mit Ordnern und Akten übersät ist. Es ist komisch. Ich hatte ihn ein paar Mal in seinem Büro an den Deichtorhallen besucht. Da war alles extrem ordentlich und aufgeräumt.
Anschließend ging ich in den Keller und machte mein Fahrrad fit. Doris wollte mich am Nachmittag abholen und mir etwas von Bergbach zeigen.
»Nimm doch bitte ein Glas.« Mom und Lisa kamen herein, als ich mir gerade etwas zum Trinken holte. Lisa zeigte mir ein Bild, das sie gemalt hatte und plapperte gleich drauflos, was sie alles im Kindergarten gemacht hatte. Das ersparte mir die übliche Fragen von Mom, wie es denn in der Schule war.
Irgendwann klingelte es. »Ist das das Mädchen aus deiner Schule?«
»Ja«, rief ich im Hinausrennen, »sie zeigt mir die Stadt.« Tür zu, uff, ich war draußen. »Alles bereit, für die Stadtführung?« Wir radelten durch die Innenstadt, sie zeigte mir die Thermen, das Bergwerksmuseum, das Movieplex, die Disco im Gewerbepark. Beim katholischen Jugendzentrum streikte ich, dafür wollte sie nicht zu McDonald’s – na ja, Vegetarierin. Und weil ich mir keinen Vortrag über die Abholzung der Regenwälder und Beipackstoffe in Burgern anhören wollte, schlug ich vor, daß sie mir noch etwas von der Umgebung zeigt. Wir fuhren also raus aus Bergbach, durch einen kleinen Wald auf einen Hügel. Plötzlich hatten wir einen tollen Ausblick auf Bergbach. »Schau, dahinten ist unsere Schule«, sagte sie. Ich versuchte mich
zu orientieren und fand unser Haus. »Und wo wohnst du?« fragte ich. Sie zeigte auf einen kleinen Bauernhof, der ziemlich verloren am Rande eines großen Feldes stand. »Ich komme gerne hierher«, sagte sie. Oje, jetzt bitte keine romantische Szene, dachte ich und schwang mich wieder auf mein Rad. Auf dem Rückweg fuhren wir bei ihr vorbei. »Hier wohne ich, wenn du magst, kannst du mich ja mal besuchen.«
»O.k., mal sehen«, sagte ich. Eigentlich ist sie ganz nett.
Am Abend rief Phil an. Lange mit ihm gequatscht, Oma freut sich, daß sie nicht mehr alleine wohnt. Jetzt liege ich in meinem Bett und male mir wieder aus, wie es wäre, auf Nils zu warten, ihm um den Hals zu fallen, ihn zu küssen, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. So eine Scheiße, warum geht so was nicht?
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