Mittwoch, 15. Oktober 1997

15. Oktober

"Und?"
"Was und?"
"Immer noch keine Freundin?"
"Nein."
Ich wollte eigentlich explodieren, aber ich schaute Tobias nur an und dachte, daß er wahrscheinlich der Letzte auf unserer Schule ist, der mit dem Wort "schwul" etwas anfangen kann.
"Und du?"
"Wie und ich?"
"Hast du ein Mädel oder nicht?"
"Mädel, wie das klingt."
"Du weiß, wie ich das meine, also?"
"Nein, natürlich nicht."
"Was heißt denn hier natürlich. Erinnere dich an, wie hieß sie, Meike?"
"Genau da dran will ich mich nicht erinnern. Die wollte doch nur mit mir schlafen."
"Oups." Mehr brachte ich nicht raus. Seltsamerweise bekam ich bei dem Gedanken, Tobias würde mit einem Mädel schlafen einen Ständer.
"Und überhaupt, ich war schließlich krank."
"Ja doch."
Tobias widerspreche ich nicht mehr. Ich finde ihn manchmal echt anstrengend. Vor allem, wenn er so total erwachsen und abgegessen tut. Na klar hat er diesen Krebs gehabt. Aber der ist jetzt vorbei. Sagt er wenigstens. Außerdem war er vorher schon so komisch. Ich weiß manchmal gar nicht, wie ich mich in ihn verknallen konnte.

Ich trainiere mit Leon. Versuche nett zu sein, nicht zu genervt. Er tut mir immer noch leid. Aber was soll ich denn machen? Ich bin bestimmt nicht der ideale Trainer. Und ich glaube, den Single Leg wird er nie lernen. Irgendwann kommt Nils, sitzt am Rand und grinst. Leon kriegt es mit und verzieht sich. Es ist mir egal.
"Hi, na du?"
"Hi."
Wir haben uns heute nicht in der Schule gesehen. Nils ist wie immer. Ich bin anders. Und ich merke es. Verdammt noch mal, was ist mit mir los? Ich weiß nicht mehr, über was ich mit ihm reden soll. Er redet und ich bin dankbar dafür. Ich wünsche mich tausend Kilometer weit weg. An irgendeinen Strand auf Korsika. Nils neben mir, in meinem Arm. Nicht reden, kein Sex. Einfach nur jemanden in meinem Arm haben.

Das Training rauscht an mir vorüber. Ich bin sauschlecht. Irgendwann stehe ich auf und gehe in die Umkleide. Ich habe keine Lust mehr. Keine Lust auf irgendwas. Ziehe mich an und gehe nach Hause. Gehe nicht nach Hause. Tapere durch die Gegend, irgendwohin, wo ich noch nie war. Es ist kurz vor Mitternacht als ich endlich wieder an unserem Haus bin. Mein Anrufbeantworter voll mit Nils' Anrufen. Es ist zu spät, um ihn anzurufen. Was soll ich ihm auch sagen? Ich weiß selbst nicht, was mit mir ist. Setze mir die Kopfhörer auf und höre Night Swimming. Was ist los mit mir? Ich versuche mir einen runterzuholen, es klappt nicht. Nicht einmal wenn ich dabei an Heiko denken. Vielleicht weil ich dabei an Heiko denke? WAS IST LOS?

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