Samstag, 23. August 1997

23. August

Es ist schon seltsam. Wir haben den ganzen Samstag nichts besonderes gemacht. Irgendwann sind wir beide gleichzeitig aufgewacht, sind zusammen in die Badewanne gesprungen und haben mal wieder das halbe Bad unter Wasser gesetzt. Dann haben wir mit allen Schikanen gefrühstückt und den Vormittag über in der Sonne verbracht. Immer, wenn uns nach Kuscheln war, sind wir reingegangen. Gegen eins hat Dad angerufen und Bescheid gesagt, daß sie jetzt in Berlin losfahren. Wie lange brauchen sie? Sechs, sieben Stunden? Gnadenfrist für Nils und mich. Gegen fünf zottelt er dann los. Vorher haben wir das Chaos im Haus beseitigt. Ich möchte ihn nicht loslassen, umarme ihn fest, so fest, daß er fast keine Luft mehr bekommt. Dann düst er los, ich sehe, wie er die Straße hinunter fährt und hinter der Kurve verschwindet. Und plötzlich ist mir, als wenn es kühler wird, als wenn die Sonne nicht mehr so hell scheint. Ich gehe ins Haus, in mein Zimmer, mache mein Bett. Nils' Geruch auf dem Kopfkissen. Ich vergrabe mein Gesicht darin. Sammele die Handtücher ein, sein altes T-Shirt. Es ist ein seltsames Gefühl, wie Abschied nehmen. Plötzlich komme ich mir so einsam vor. Ein Tag mit Nils und schon fühle ich mich nach einer Stunde ohne ihn total allein. Ich sage mir, daß das doch alles Unsinn ist, daß ich ihn morgen wiedersehen werde. Aber das hilft mir nicht wirklich. Ich vermisse ihn, und das nach einer Stunde.

Phil ist wieder da. Mit Gipsarm, dünn ist er geworden, aber sonst ist er ganz der alte Phil. Mein Brüderchen ist wieder da! Lisa ist todmüde von der Mammuttour und Mom und Dad scheinen total genervt zu sein. Jedenfalls haben Phil und ich noch total lange gequatscht, obwohl er auch total müde gewesen war. Er hat mir die ganze Story noch mal erzählt, wie das alles passiert ist. Daß die ganzen Wehrpflichtigen bis zum Umfallen geschuftet haben, während die Berufssoldaten dumme Sprüche gemacht und rumgesoffen haben. Mir lag zwar immer wieder "Selber schuld" auf der Zunge, aber irgendwie wäre es dann doch unpassend gewesen, in dem Moment.
"Brauchst du eine Krankenschwester, die dich ins Bett bringt?" wollte ich wissen.
"Hättest du denn eine für mich?"
"Für mein Brüderchen organisiere ich alles."
Es ist schön, daß er wieder da ist. Daß unsere Familie wieder zusammen ist.
Ich werde noch mal Nils vor dem Einschlafen anrufen.

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