Mittwoch, 20. August 1997
20. August
"Und jetzt ist Schluß mit der Rumschlamperei."
Na klar, es hätte mich ja auch gewundert, wenn es anders gekommen wäre. Wieder Voll-Power-Training und das bei dieser Hitze. Das einzig Positive ist, daß ich merke, wie meine Beinangriffe tatsächlich besser werden. Das ist aber auch alles. Als das Training zu Ende war, blieb ich noch eine ganze Weile auf der Matte sitzen. Am anderen Ende der Halle tobten sich ein paar Leute von der ersten Mannschaft aus. Aber da ich mich nie darum gekümmert habe, wer nun genau wer ist, erkannte ich sie natürlich nicht. Nils blickte durch die Tür, um nach mir zu schauen: "Wo bleibst du denn? Willst du da sitzen bleiben?"
"Nee, ich wollte nur nicht gleich loswuseln."
Er kam zu mir und setzte sich neben mich. "Ist was mit dir?"
"Nein. Nicht wirklich."
Die letzten Leute verließen die Halle. Es war eine merkwürdige Stimmung. Auf einmal war alles ganz ruhig, nur wir zwei waren noch da.
"Warum ringst du? Warum ausgerechnet Ringen?", fragte ich Nils.
Der schaute mich an, als würde er die Frage nicht richtig verstehen. "Ich weiß nicht, es hat nie was anderes für mich gegeben. Mein Vater hat mich irgendwann im Verein angemeldet und ich bin zum Training gegangen. Und es hat mir gefallen."
"Aber WARUM gefällt es dir?"
"Ich weiß nicht, vielleicht weil es so ist, daß wenn du gewinnst, es DEIN Erfolg ist. Du bist nicht auf irgendwelche Deppen angewiesen, die dir einen bekloppten Ball zuspielen. Nein, nur du ganz alleine, du und dein Gegner auf der Matte."
"Ich glaube, ich verstehe."
"Und du? Warum ringst du?"
"Wir haben doch schon so oft darüber geredet."
"Ja und? Jedesmal hast du mir ein Stück mehr erzählt. Vielleicht kommst du ja jetzt mit der ganzen Wahrheit raus."
"Ganze Wahrheit, was heißt denn das? Meine Güte, du weißt doch, daß ich eigentlich damit angefangen habe, um Tobias eins auszuwischen. Und dann, naja und dann wollte ich dich halt beeindrucken. Ich gebe es ja zu."
"Sind denn wirklich immer nur andere Leute der Grund, warum du das machst?"
Ich mußte einen Moment überlegen. "Nein, nicht nur. Es macht mir ja auch Spaß zu kämpfen und zu gewinnen. Und vielleicht ist es ja tatsächlich auch der gleiche Grund wie bei dir, daß man alles was man macht, selber macht. Wenn ich gewinne, ist es mein Sieg. Und...", ich stockte.
"Ja?"
"Und da ist noch etwas. Vielleicht kannst du es nicht verstehen, weil du es ja schon so ewig machst. Aber für mich ist Ringen etwas, was mir eben nicht leicht fällt. Tennis zu spielen, das ist kein Problem, das habe ich schon eine Ewigkeit gemacht, total easy. Aber beim Ringen muß ich zum ersten Mal etwas vollkommen neu lernen. Und alles, was ich lerne, was ich kann, jeder kleine Fortschritt, das alles habe ICH MIR ERARBEITET."
Nils schaute mich verwundert an: "Das hätte ich ja gar nicht von dir gedacht, daß du das so siehst."
Ich war selbst überrascht. Erst als ich es ausgesprochen hatte, wurde mir das richtig klar. Nils strich langsam mit seinem Finger meinen Rücken runter. Es kitzelte und ich zitterte. "Mach weiter", flüsterte ich, "mach weiter und ich kann für nichts garantieren."
Er lachte: "Das fehlte gerade noch, wir beide hier auf der Matte erwischt."
"Der erste schwule Ringer bei einer Olympiade. Das wäre doch was."
"Hör bloß auf."
"2000, Sydney?"
"Ganz bestimmt nicht, nicht mal 2004, vielleicht danach."
"Jeez, so weit möchte ich gar nicht denken. 2000 sind wir 20 und 2004 dann 24 und 2014 34."
"Willst du noch weiterzählen?"
"Im Moment nicht."
"Na los, oder wolltest du hier liegenbleiben und dich über Nacht einschließen lassen?"
"Nein, da kann ich mir nettere Orte vorstellen."
Das letzte Eis des Tages, wir bummeln durch unsere tolle Fußgängerzone. Manchmal ist sogar Bergbach schön.
Na klar, es hätte mich ja auch gewundert, wenn es anders gekommen wäre. Wieder Voll-Power-Training und das bei dieser Hitze. Das einzig Positive ist, daß ich merke, wie meine Beinangriffe tatsächlich besser werden. Das ist aber auch alles. Als das Training zu Ende war, blieb ich noch eine ganze Weile auf der Matte sitzen. Am anderen Ende der Halle tobten sich ein paar Leute von der ersten Mannschaft aus. Aber da ich mich nie darum gekümmert habe, wer nun genau wer ist, erkannte ich sie natürlich nicht. Nils blickte durch die Tür, um nach mir zu schauen: "Wo bleibst du denn? Willst du da sitzen bleiben?"
"Nee, ich wollte nur nicht gleich loswuseln."
Er kam zu mir und setzte sich neben mich. "Ist was mit dir?"
"Nein. Nicht wirklich."
Die letzten Leute verließen die Halle. Es war eine merkwürdige Stimmung. Auf einmal war alles ganz ruhig, nur wir zwei waren noch da.
"Warum ringst du? Warum ausgerechnet Ringen?", fragte ich Nils.
Der schaute mich an, als würde er die Frage nicht richtig verstehen. "Ich weiß nicht, es hat nie was anderes für mich gegeben. Mein Vater hat mich irgendwann im Verein angemeldet und ich bin zum Training gegangen. Und es hat mir gefallen."
"Aber WARUM gefällt es dir?"
"Ich weiß nicht, vielleicht weil es so ist, daß wenn du gewinnst, es DEIN Erfolg ist. Du bist nicht auf irgendwelche Deppen angewiesen, die dir einen bekloppten Ball zuspielen. Nein, nur du ganz alleine, du und dein Gegner auf der Matte."
"Ich glaube, ich verstehe."
"Und du? Warum ringst du?"
"Wir haben doch schon so oft darüber geredet."
"Ja und? Jedesmal hast du mir ein Stück mehr erzählt. Vielleicht kommst du ja jetzt mit der ganzen Wahrheit raus."
"Ganze Wahrheit, was heißt denn das? Meine Güte, du weißt doch, daß ich eigentlich damit angefangen habe, um Tobias eins auszuwischen. Und dann, naja und dann wollte ich dich halt beeindrucken. Ich gebe es ja zu."
"Sind denn wirklich immer nur andere Leute der Grund, warum du das machst?"
Ich mußte einen Moment überlegen. "Nein, nicht nur. Es macht mir ja auch Spaß zu kämpfen und zu gewinnen. Und vielleicht ist es ja tatsächlich auch der gleiche Grund wie bei dir, daß man alles was man macht, selber macht. Wenn ich gewinne, ist es mein Sieg. Und...", ich stockte.
"Ja?"
"Und da ist noch etwas. Vielleicht kannst du es nicht verstehen, weil du es ja schon so ewig machst. Aber für mich ist Ringen etwas, was mir eben nicht leicht fällt. Tennis zu spielen, das ist kein Problem, das habe ich schon eine Ewigkeit gemacht, total easy. Aber beim Ringen muß ich zum ersten Mal etwas vollkommen neu lernen. Und alles, was ich lerne, was ich kann, jeder kleine Fortschritt, das alles habe ICH MIR ERARBEITET."
Nils schaute mich verwundert an: "Das hätte ich ja gar nicht von dir gedacht, daß du das so siehst."
Ich war selbst überrascht. Erst als ich es ausgesprochen hatte, wurde mir das richtig klar. Nils strich langsam mit seinem Finger meinen Rücken runter. Es kitzelte und ich zitterte. "Mach weiter", flüsterte ich, "mach weiter und ich kann für nichts garantieren."
Er lachte: "Das fehlte gerade noch, wir beide hier auf der Matte erwischt."
"Der erste schwule Ringer bei einer Olympiade. Das wäre doch was."
"Hör bloß auf."
"2000, Sydney?"
"Ganz bestimmt nicht, nicht mal 2004, vielleicht danach."
"Jeez, so weit möchte ich gar nicht denken. 2000 sind wir 20 und 2004 dann 24 und 2014 34."
"Willst du noch weiterzählen?"
"Im Moment nicht."
"Na los, oder wolltest du hier liegenbleiben und dich über Nacht einschließen lassen?"
"Nein, da kann ich mir nettere Orte vorstellen."
Das letzte Eis des Tages, wir bummeln durch unsere tolle Fußgängerzone. Manchmal ist sogar Bergbach schön.
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