Samstag, 12. Juli 1997
12. Juli
"Wie geht es dir?"
"Hatten wir das nicht schon mal?"
"Vielleicht geht es dir ja heute anders?"
"Nils, bitte, laß diese Spielchen. Mir geht es beschissen. Mir geht es dreckig. Oder ganz einfach: Du fehlst mir!"
Hatte ich das gesagt? Hatte ich das wirklich gesagt? Anscheinend ja.
"Du fehlst mir auch. Sehr sogar."
Mir lag die Bemerkung auf der Zunge, daß er sich ja inzwischen mit seinem Mädel trösten kann. Aber ich sagte nichts.
"Was ist mit uns passiert?"
"Ich weiß es nicht", er wich meinem Blick aus, "Tim, ich weiß es echt nicht. Ich glaube wir rennen immer aufeinander zu und doch aneinander vorbei."
"Gut möglich."
Schweigen. Dann ich: "Warum treffen wir uns hier, bei Flo? Und vor allem, wo ist er?"
"Ich finde es gut, daß wir uns hier treffen. Hier hat keiner Heimvorteil. Und wo Flo gerade im Moment ist, weiß ich nicht, ich glaube aber, er ist in Degendorf bei seiner neuen Flamme. Jedenfalls habe ich ihn gefragt, ob wir uns hier treffen können."
"Heimvorteil! Das klingt ja echt wie ein Ringkampf."
"Weißt du, manchmal habe ich wirklich den Eindruck gehabt, daß unsere Beziehung so was ist wie ein Kampf. Wer ist der Stärkere, wer ist der Coolere? Und ich glaube, da hast du bisher immer gewonnen."
"Ich? Interessante Interpretation."
"Siehst du...jetzt wieder. Tim, der Coole. Tim, der über den ganzen Dingen steht. Tim, für den keine Regeln gelten. Tim, der so verdammt überheblich und arrogant sein kann."
Das traf mich. Nils war nicht der erste, der mir vorwarf, arrogant und überheblich zu sein. Etwas ähnliches hatte mir Robert schon mal gesagt und in abgeschwächter Form auch Doris. Bin ich wirklich so schrecklich überheblich? Verdammt noch mal, ich will es doch aber nicht sein!
Schweigen. Eine halbe Ewigkeit.
"Nils, ich bin nicht immer der Starke. Was meinst du denn, wie gut es mir immer ging, wenn du mich einfach nur in den Arm genommen hast und mich festgehalten hast? Verdammt noch mal, das fehlt mir!"
"Wovor hast du Angst? Ich meine wovor hast du am meisten Angst?"
Ich blickte ihn an. Was war das für eine Frage? Was war das für eine Frage von Nils? Wie kommt er denn darauf, mir so eine Frage zu stellen? Ich versuche auszuweichen: "Wie meinst du das?"
"Du weißt ganz genau, wie ich das meine. Also, willst du antworten oder nicht?"
"Und ich denke, du kennst die Antwort sowieso schon."
"Ich will es hören. Ich will es von DIR hören. Ich will ein EINZIGESMAL von dir hören, daß du eine Schwäche zugibst."
War das der Nils, den ich kannte? Was war mit ihm in den letzten beiden Wochen passiert, daß er um zehn Jahre gealtert schien und mir solche Fragen stellte?
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen: "Ok, wenn du es wissen willst: Ja, ich habe Angst davor, mich lächerlich zu machen. Angst davor, wie ein Idiot dazustehen!"
"Und deshalb spielst du immer den Coolen, stimmt's?"
"Ja, verdammt noch mal ja." Ich weiß nicht, warum ich es nicht schaffte, aus dieser Nummer wieder herauszukommen. Ich befand mich plötzlich in einer Situation, in der ich nur noch dabei war, mich zu verteidigen.
Nach einer halben Ewigkeit konnte ich endlich wieder etwas sagen: "Kannst du mir verraten, wie das jetzt mit uns weitergehen soll? Bleiben wir einfach weiter gute Freunde oder gehen wir uns aus dem Weg oder was?"
"Haben wir eine Wahl?"
"Was ist denn das für eine blöde Frage! Ich denke wir wollen hier nicht mehr das Spiel 'Wer ist der Coole' spielen."
"Tim, ich habe Angst."
"Wovor?"
"Davor, daß du mir wieder wehtust. Davor, daß du mich wieder betrügst. Davor, daß ich plötzlich alleine zu Hause sitze und mir die Augen aus dem Kopf heule."
Nils, Nils, mein Nils sitzt zu Hause und heult. Meinetwegen? Noch nie bin ich auf diese Idee gekommen. Immer dachte ich, daß ich der Einzige bin, der total alleine und verzweifelt zu Hause sitzt und heult. Ich schaue ihn wieder an. Und plötzlich ist in diesem Gesicht, das bis eben so erwachsen und ausdruckslos schien, jede Menge Angst und Unsicherheit zu sehen.
"Ich wollte nie, daß du meinetwegen weinst. Ich wollte dir nie wirklich wehtun. Ich war einfach immer nur glücklich, wenn wir zusammen waren. Aber ich hatte auch immer Angst, etwas Falsches zu machen oder zu sagen. Irgendwas, was du vielleicht nicht verstehen könntest. Und ich hatte immer Angst, daß du irgendwann einfach verschwindest."
Schweigen. Dann rutschte es mir raus, ich weiß auch nicht, wie es dazu kam: "Hast du mit Sarah geschlafen?"
"Ja", die Antwort kam blitzschnell, so als hätte er die Frage schon erwartet.
"Hast du mit Heiko geschlafen?"
"Ja." Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, er hatte mir den Rücken zugedreht.
"Ich habe es mir gedacht, aber ich wollte dich damals nicht fragen. Es hätte mir zu sehr wehgetan. Und es tut mir immer noch weh."
"Ich wollte dir nicht wehtun, echt nicht. Aber mußtest du deshalb unbedingt mit diesem Mädel pennen?"
"Vielleicht ja, vielleicht ja gerade deshalb."
"Was soll das heißen?"
"Vielleicht gerade mit einem Mädel. Vielleicht tut dir das ja gerade weh."
Ich blickte ihn mit offenem Mund an: "Das ist nicht dein Ernst."
"Oh doch. Das ist mein voller Ernst."
"Nils, was soll denn das? Ist das jetzt alles, was von uns übrigbleibt, wer wem am meisten wehtun kann?"
"Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr."
Es war eine total abartige Situation. Wir standen in Florians Zimmer, jeder guckte in eine andere Richtung und trotzdem redeten wir miteinander. So konnte das nicht weitergehen. Ich drehte mich zu Nils, ging auf ihn zu, umarmte ihn, drückte ihn ganz fest an mich: "Ich liebe dich", flüsterte ich, "ich liebe dich mehr als alles andere. Ich will dich nicht verlieren."
Er drehte sich zu mir und hatte Tränen in den Augen: "Ich liebe dich doch auch, du kleiner Chaot. Aber ich weiß nicht, ob ich es noch mal aushalte."
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich konnte nichts mehr sagen.
"Versprichst du mir", fragte er, während er sich aus meiner Umarmung löste, "versprichst du mir, nie wieder fremd zu gehen? Nie wieder mit einem anderen Jungen rumzumachen?"
"Ja, Nils, ja, ich verspreche es. Wirklich!"
Ich verspreche es ihm und ich verspreche es mir. Nie wieder werde ich ihn enttäuschen. Nie wieder werde ich ihn alleine lassen. Ich werde immer für ihn da sein.
"Wollen wir es noch einmal versuchen?" fragte ich.
"Ja, um Gottes willen, ja!!! Tim, ich will dich, ich will dich für immer und ich will dich nie mehr verlieren!"
"Hatten wir das nicht schon mal?"
"Vielleicht geht es dir ja heute anders?"
"Nils, bitte, laß diese Spielchen. Mir geht es beschissen. Mir geht es dreckig. Oder ganz einfach: Du fehlst mir!"
Hatte ich das gesagt? Hatte ich das wirklich gesagt? Anscheinend ja.
"Du fehlst mir auch. Sehr sogar."
Mir lag die Bemerkung auf der Zunge, daß er sich ja inzwischen mit seinem Mädel trösten kann. Aber ich sagte nichts.
"Was ist mit uns passiert?"
"Ich weiß es nicht", er wich meinem Blick aus, "Tim, ich weiß es echt nicht. Ich glaube wir rennen immer aufeinander zu und doch aneinander vorbei."
"Gut möglich."
Schweigen. Dann ich: "Warum treffen wir uns hier, bei Flo? Und vor allem, wo ist er?"
"Ich finde es gut, daß wir uns hier treffen. Hier hat keiner Heimvorteil. Und wo Flo gerade im Moment ist, weiß ich nicht, ich glaube aber, er ist in Degendorf bei seiner neuen Flamme. Jedenfalls habe ich ihn gefragt, ob wir uns hier treffen können."
"Heimvorteil! Das klingt ja echt wie ein Ringkampf."
"Weißt du, manchmal habe ich wirklich den Eindruck gehabt, daß unsere Beziehung so was ist wie ein Kampf. Wer ist der Stärkere, wer ist der Coolere? Und ich glaube, da hast du bisher immer gewonnen."
"Ich? Interessante Interpretation."
"Siehst du...jetzt wieder. Tim, der Coole. Tim, der über den ganzen Dingen steht. Tim, für den keine Regeln gelten. Tim, der so verdammt überheblich und arrogant sein kann."
Das traf mich. Nils war nicht der erste, der mir vorwarf, arrogant und überheblich zu sein. Etwas ähnliches hatte mir Robert schon mal gesagt und in abgeschwächter Form auch Doris. Bin ich wirklich so schrecklich überheblich? Verdammt noch mal, ich will es doch aber nicht sein!
Schweigen. Eine halbe Ewigkeit.
"Nils, ich bin nicht immer der Starke. Was meinst du denn, wie gut es mir immer ging, wenn du mich einfach nur in den Arm genommen hast und mich festgehalten hast? Verdammt noch mal, das fehlt mir!"
"Wovor hast du Angst? Ich meine wovor hast du am meisten Angst?"
Ich blickte ihn an. Was war das für eine Frage? Was war das für eine Frage von Nils? Wie kommt er denn darauf, mir so eine Frage zu stellen? Ich versuche auszuweichen: "Wie meinst du das?"
"Du weißt ganz genau, wie ich das meine. Also, willst du antworten oder nicht?"
"Und ich denke, du kennst die Antwort sowieso schon."
"Ich will es hören. Ich will es von DIR hören. Ich will ein EINZIGESMAL von dir hören, daß du eine Schwäche zugibst."
War das der Nils, den ich kannte? Was war mit ihm in den letzten beiden Wochen passiert, daß er um zehn Jahre gealtert schien und mir solche Fragen stellte?
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen: "Ok, wenn du es wissen willst: Ja, ich habe Angst davor, mich lächerlich zu machen. Angst davor, wie ein Idiot dazustehen!"
"Und deshalb spielst du immer den Coolen, stimmt's?"
"Ja, verdammt noch mal ja." Ich weiß nicht, warum ich es nicht schaffte, aus dieser Nummer wieder herauszukommen. Ich befand mich plötzlich in einer Situation, in der ich nur noch dabei war, mich zu verteidigen.
Nach einer halben Ewigkeit konnte ich endlich wieder etwas sagen: "Kannst du mir verraten, wie das jetzt mit uns weitergehen soll? Bleiben wir einfach weiter gute Freunde oder gehen wir uns aus dem Weg oder was?"
"Haben wir eine Wahl?"
"Was ist denn das für eine blöde Frage! Ich denke wir wollen hier nicht mehr das Spiel 'Wer ist der Coole' spielen."
"Tim, ich habe Angst."
"Wovor?"
"Davor, daß du mir wieder wehtust. Davor, daß du mich wieder betrügst. Davor, daß ich plötzlich alleine zu Hause sitze und mir die Augen aus dem Kopf heule."
Nils, Nils, mein Nils sitzt zu Hause und heult. Meinetwegen? Noch nie bin ich auf diese Idee gekommen. Immer dachte ich, daß ich der Einzige bin, der total alleine und verzweifelt zu Hause sitzt und heult. Ich schaue ihn wieder an. Und plötzlich ist in diesem Gesicht, das bis eben so erwachsen und ausdruckslos schien, jede Menge Angst und Unsicherheit zu sehen.
"Ich wollte nie, daß du meinetwegen weinst. Ich wollte dir nie wirklich wehtun. Ich war einfach immer nur glücklich, wenn wir zusammen waren. Aber ich hatte auch immer Angst, etwas Falsches zu machen oder zu sagen. Irgendwas, was du vielleicht nicht verstehen könntest. Und ich hatte immer Angst, daß du irgendwann einfach verschwindest."
Schweigen. Dann rutschte es mir raus, ich weiß auch nicht, wie es dazu kam: "Hast du mit Sarah geschlafen?"
"Ja", die Antwort kam blitzschnell, so als hätte er die Frage schon erwartet.
"Hast du mit Heiko geschlafen?"
"Ja." Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, er hatte mir den Rücken zugedreht.
"Ich habe es mir gedacht, aber ich wollte dich damals nicht fragen. Es hätte mir zu sehr wehgetan. Und es tut mir immer noch weh."
"Ich wollte dir nicht wehtun, echt nicht. Aber mußtest du deshalb unbedingt mit diesem Mädel pennen?"
"Vielleicht ja, vielleicht ja gerade deshalb."
"Was soll das heißen?"
"Vielleicht gerade mit einem Mädel. Vielleicht tut dir das ja gerade weh."
Ich blickte ihn mit offenem Mund an: "Das ist nicht dein Ernst."
"Oh doch. Das ist mein voller Ernst."
"Nils, was soll denn das? Ist das jetzt alles, was von uns übrigbleibt, wer wem am meisten wehtun kann?"
"Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr."
Es war eine total abartige Situation. Wir standen in Florians Zimmer, jeder guckte in eine andere Richtung und trotzdem redeten wir miteinander. So konnte das nicht weitergehen. Ich drehte mich zu Nils, ging auf ihn zu, umarmte ihn, drückte ihn ganz fest an mich: "Ich liebe dich", flüsterte ich, "ich liebe dich mehr als alles andere. Ich will dich nicht verlieren."
Er drehte sich zu mir und hatte Tränen in den Augen: "Ich liebe dich doch auch, du kleiner Chaot. Aber ich weiß nicht, ob ich es noch mal aushalte."
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich konnte nichts mehr sagen.
"Versprichst du mir", fragte er, während er sich aus meiner Umarmung löste, "versprichst du mir, nie wieder fremd zu gehen? Nie wieder mit einem anderen Jungen rumzumachen?"
"Ja, Nils, ja, ich verspreche es. Wirklich!"
Ich verspreche es ihm und ich verspreche es mir. Nie wieder werde ich ihn enttäuschen. Nie wieder werde ich ihn alleine lassen. Ich werde immer für ihn da sein.
"Wollen wir es noch einmal versuchen?" fragte ich.
"Ja, um Gottes willen, ja!!! Tim, ich will dich, ich will dich für immer und ich will dich nie mehr verlieren!"
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