Sonntag, 25. Mai 1997

25. Mai

Doris war da. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie es geklingelt hatte. Die Tür ging auf und plötzlich stand sie in meinem Zimmer. Sie sagte nicht ein Wort. Sie setzte sich ganz einfach mir gegenüber und blickte mich an. Ich wurde wütend. Weil ich dises Schweigen nicht aushielt. Weil ich irgendwann, nach einer halben Ewigkeit anfing zu reden. Nein, ich fragte sie: "Warum bist du gekommen?"
Nichts, keine Antwort, nur Schweigen.
"Warum verdammt noch mal, bist du hier? Hat Nils dich angerufen?"
"Tickst du eigentlich noch ganz richtig Tim?" endlich hatte sie etwas gesagt.
"Nein, das tue ich nicht. Wie denn auch? Weißt du denn, wie es in mir drin aussieht?"
"Du bist so ein selbstmitleidiger Feigling. Aber nicht mal das reicht dir ja anscheinend aus. Du mußt auch noch den, der dich liebt von dir wegstoßen."
Ich hörte ihre Worte und tief drinnen weiß ich, daß sie recht hat. Aber es drang nicht bis zu mir vor.
"Wie lange soll denn das so weitergehen?"
Ich saß nur da und blickte durch sie hindurch.
Dann stand sie auf, ging zum Telefon und hielt mir den Hörer hin: "Hier!"
"Was soll das denn jetzt?"
"Du rufst jetzt auf der Stelle Heiko an und sagst ihm, was Sache ist. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende."
"Was soll denn das bringen?"
"Daß du es von ihm selber hörst, daß du ihn dir aus dem Kopf schlagen sollst."
"Ich kann ihm ja nicht einmal richtig schreiben. Da soll ich mit ihm telefonieren?"
Doris stand auf: "Weißt du was. Ersaufe doch in deinem Selbstmitleid. Ich werde jedenfalls kein Wort mehr mit dir reden, bis die Sache nicht endgültig geklärt ist."
Sie rauschte aus meinem Zimmer. Nils war weg. Doris war weg. Nur noch einer war da. Und der wußte noch nicht mal, daß er in meinem Kopf herumspukte. Ich lege mich unter meine Kopfhörer, Sinead O'Connor als Endlosschleife.

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