Dienstag, 1. Oktober 1996

1. Oktober

"Was guckst du so böse?"
"Ich gucke böse?"
"Na klar, man kriegt ja einen Schreck, wenn man dich anschaut." Ha, das muß ausgerechnet Markus sagen. Er, der immer so cool dreinschaut. Naja, ich habe heute mal das Krafttraining sausen lassen und habe mich mit ihm zum Nachmittag verabredet. Wir sind etwas durch die Stadt gezogen und haben rumgeblödelt. Es war eigentlich ganz witzig. Mir war etwas komisch. Ich hatte echt Schiß, daß mich jemand aus dem Verein sieht und mich dann fragt, warum ich nicht beim Krafttraining bin. Aber ich brauche einfach mal ein bißchen Ruhe von der ganzen Ringerei.
Ich habe jedenfalls festgestellt, daß Skaten nun absolut nichts für mich ist. Markus sieht zwar total niedlich in seinen Skaterklamotten aus. Aber mich selber auf's Board zu stellen - nee bloß nicht. Hinterher waren wir noch bei ihm und haben schreckliche Musik gehört. Sein ganzes Zimmer war noch überhaupt nicht eingeräumt, überall standen noch die Umzugskartons herum. Naja und eigentlich habe ich ja immer gedacht, daß ich nicht besonders ordentlich (so wie Mom immer sagt: chaotisch). Aber Markus' Zimmer ist ja nun wirklich die absolute Krönung. Aber es lenkte mich wenigstens davon ab, ihn immer anzugucken. Ich finde es immer schwieriger einen klaren Kopf zu behalten, wenn ein niedlicher Junge in der Nähe ist.

Nachdem ich gegangen war, bin ich noch zum Kochertalweg getapert. Ich merke, der Sommer ist vorbei. Ich fühle, wie langsam die Kälte in mir hochsteigt. Doch hier ist es anders. In Hamburg ist die Kälte frisch, windig, man kann sie richtig fühlen. Hier ist sie einfach nur da, überall. Und trotzdem habe ich mich hingesetzt und in die aufkommende Dunkelheit geguckt. Wann, wann um alles in der Welt werde ich einen Jungen kennenlernen, den ich lieben kann? Einen Jungen, der mich in den Arm nimmt, den ich fühle, der für mich da ist, für den ich da bin? Warum haben es die Heten so einfach jemanden zu finden und ich so schwer?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen