Donnerstag, 30. Mai 1996
30. Mai
9:45
»Und paß auf, daß sie sich nicht kratzt.« Mom ist gerade nach Ulm gefahren, um sich Arbeit nach Hause zu holen. Lisa schläft wieder. Jetzt sieht sie wirklich wie ein Streuselkuchen aus. Mom hat ihr eingetrichtert, daß sie sich nicht kratzen darf, und sie hält sich tapfer dran. Moment, Telefon. Es war Nils. Er meinte, wenn ich das nächste Mal jemand aus einem anderen Verein mitbringe, soll ich besser fragen. Ich erklärte ihm, daß ich Benjamin zwar kenne, daß ich aber nicht wußte, daß er zum Kadertraining kommt. »Und dann noch so ein Kasper«, schnaufte er. Ich mußte lachen.
19:30
Ich habe heute beim Training zum ersten Mal gegen Nils gerungen. Nicht daß wir in unseren privaten Sessions nicht schon öfter gegeneinander gekämpft hätten. Aber irgendwie war es heute anders. Und es war ganz seltsam. Ich meine, er war seltsam. Er war ganz anders als sonst, als wir uns gegenüberstanden. Ich hatte fast Angst vor ihm. Nein, nicht nur fast. Es war nicht der Nils, den ich kannte. Was mir da gegenüberstand, war plötzlich ein teilnahmsloses Etwas, das mich überhaupt nicht zu kennen schien. Dimitri pfiff, und Nils kam auf mich zu. Ja, ich hatte wirklich Schiß und ging immer mehr zurück. Dimitri brüllte, ich solle mich gefälligst anstrengen und kämpfen. Ich schaffte es, ein paar Angriffe von Nils abzublocken. Als Dank dafür schickte mich Dimitri in die Bank. Nils legte seine Hände auf meinen Rücken. Das ging ja noch. Aber dann spürte ich, wie sein Schwanz gegen meinen Hintern drückte. Ich verlor fast die Besinnung. Dimitri pfiff, und ich ließ mich nach vorne fallen. Ich machte mich so breit und schwer, wie es ging. Aber Nils schaffte einen Einsteiger und schulterte mich. Alles, was ich sah, war das Licht des Deckenstrahlers. Das Licht, das immer verschwommener wurde, weil mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich kam mir vor wie am allerersten Trainingstag. Ich wollte einfach nur liegenbleiben. Doch Dimitri brüllte wieder irgendwas. Nils streckte mir seinen Arm entgegen und half mir auf. »Na, alles o.k.?« Plötzlich war er wieder ganz der alte. Ich schluckte und nickte. »Wenn du auf die Matte gehst, denke daran, daß dein Gegner dein Gegner ist.« Ich wußte nicht, was er damit meinte. »Das heißt, du zeigst nichts, keine Angst, kein Grinsen, gar nichts, egal, wie gut du ihn kennst. Gucke ihm nicht in die Augen, gucke auf seinen Körper, seine Hände. Da steht ein Gegner und sonst nichts.«
Ich glaube, ich begriff, was er meinte. Aber ich war trotzdem überrascht, wie er so plötzlich hin und her schalten kann. Dimitri kam auf mich zu und brabbelte mich voll, wenn ich auf der Matte wegrennen würde, sollte ich vielleicht lieber Dauerlauf trainieren und all so einen Quatsch. Ich kann gegen Nils einfach nicht richtig ringen. Zum Schluß sagte er noch etwas Merkwürdiges: »Zeige nie, daß du Angst hast. Denn wenn Angst sich da festsetzt«, er tippte mir gegen den Kopf, »dann ist die Angst überall.« Na toll, aber was ich dagegen machen kann, weiß er wohl auch nicht.
»Und paß auf, daß sie sich nicht kratzt.« Mom ist gerade nach Ulm gefahren, um sich Arbeit nach Hause zu holen. Lisa schläft wieder. Jetzt sieht sie wirklich wie ein Streuselkuchen aus. Mom hat ihr eingetrichtert, daß sie sich nicht kratzen darf, und sie hält sich tapfer dran. Moment, Telefon. Es war Nils. Er meinte, wenn ich das nächste Mal jemand aus einem anderen Verein mitbringe, soll ich besser fragen. Ich erklärte ihm, daß ich Benjamin zwar kenne, daß ich aber nicht wußte, daß er zum Kadertraining kommt. »Und dann noch so ein Kasper«, schnaufte er. Ich mußte lachen.
19:30
Ich habe heute beim Training zum ersten Mal gegen Nils gerungen. Nicht daß wir in unseren privaten Sessions nicht schon öfter gegeneinander gekämpft hätten. Aber irgendwie war es heute anders. Und es war ganz seltsam. Ich meine, er war seltsam. Er war ganz anders als sonst, als wir uns gegenüberstanden. Ich hatte fast Angst vor ihm. Nein, nicht nur fast. Es war nicht der Nils, den ich kannte. Was mir da gegenüberstand, war plötzlich ein teilnahmsloses Etwas, das mich überhaupt nicht zu kennen schien. Dimitri pfiff, und Nils kam auf mich zu. Ja, ich hatte wirklich Schiß und ging immer mehr zurück. Dimitri brüllte, ich solle mich gefälligst anstrengen und kämpfen. Ich schaffte es, ein paar Angriffe von Nils abzublocken. Als Dank dafür schickte mich Dimitri in die Bank. Nils legte seine Hände auf meinen Rücken. Das ging ja noch. Aber dann spürte ich, wie sein Schwanz gegen meinen Hintern drückte. Ich verlor fast die Besinnung. Dimitri pfiff, und ich ließ mich nach vorne fallen. Ich machte mich so breit und schwer, wie es ging. Aber Nils schaffte einen Einsteiger und schulterte mich. Alles, was ich sah, war das Licht des Deckenstrahlers. Das Licht, das immer verschwommener wurde, weil mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich kam mir vor wie am allerersten Trainingstag. Ich wollte einfach nur liegenbleiben. Doch Dimitri brüllte wieder irgendwas. Nils streckte mir seinen Arm entgegen und half mir auf. »Na, alles o.k.?« Plötzlich war er wieder ganz der alte. Ich schluckte und nickte. »Wenn du auf die Matte gehst, denke daran, daß dein Gegner dein Gegner ist.« Ich wußte nicht, was er damit meinte. »Das heißt, du zeigst nichts, keine Angst, kein Grinsen, gar nichts, egal, wie gut du ihn kennst. Gucke ihm nicht in die Augen, gucke auf seinen Körper, seine Hände. Da steht ein Gegner und sonst nichts.«
Ich glaube, ich begriff, was er meinte. Aber ich war trotzdem überrascht, wie er so plötzlich hin und her schalten kann. Dimitri kam auf mich zu und brabbelte mich voll, wenn ich auf der Matte wegrennen würde, sollte ich vielleicht lieber Dauerlauf trainieren und all so einen Quatsch. Ich kann gegen Nils einfach nicht richtig ringen. Zum Schluß sagte er noch etwas Merkwürdiges: »Zeige nie, daß du Angst hast. Denn wenn Angst sich da festsetzt«, er tippte mir gegen den Kopf, »dann ist die Angst überall.« Na toll, aber was ich dagegen machen kann, weiß er wohl auch nicht.
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