Samstag, 6. April 1996
6. April
»Aber kauf dir was anständiges, nicht wieder so’n Tinnef.«
Ich hatte gewonnen. Wir erklärten den Tag zum allgemeinen Einkaufstag. Oma hatte mir heimlich etwas Geld zugesteckt. Sie zottelte mit Mom und Dad los, während ich mit Phil in Richtung Gänsemarkt zog. SkaterZ macht Räumungsverkauf, und ich habe mich mit ein paar T-Shirts, zwei Shorts und einem Paar Vans eingedeckt. Mom wird wieder mosern. »Kauf dir doch mal was Schickes«, sagt sie immer. Sie versteht einfach nicht, daß ich nicht rumlaufen will wie die Spinner von der Elbchaussee.
Ich habe für Tobi eine Postkarte vom Hafen gekauft und dick »Hier beginnt die große weite Welt!« raufgeschrieben. Und ganz klein »Wish you were here« druntergekritzelt. Irgendwie kam mir das aber dann doch zu heftig vor. Ich zerriß die Karte, kaufte eine neue und schrieb nur das mit der großen weiten Welt drauf. »An wen schreibst du denn?« wollte Phil wissen, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf. Er fragte nicht weiter. Anschließend sind wir zu den Schönen Aussichten getapert. Phil machte sich einen Spaß daraus, die arrogante Bedienung anzubaggern.
20:53
Beim Abendessen gab es riesigen Ärger. Phil hat wohl noch immer nicht seine Wehrdienstverweigerung abgeschickt. »Ich sehe es schon kommen, du wirst eingezogen«, orakelte Mom. Dad meinte, er hätte seine Kinder nicht dazu erzogen, daß sie jetzt aus lauter Saumseligkeit zum Bund müßten. Ich finde, sie haben recht, doch ich wollte nicht auch noch auf ihm rumhacken. Plötzlich stand er wütend auf und ging in sein Zimmer. Oma seufzte. Als wir fertig mit dem Essen waren, ging ich zu Phil. Das Zimmer war dunkel. »Willst du mir jetzt auch noch Vorwürfe machen?« fragte er. »Eigentlich ja«, antwortete ich. Er knipste die Nachttischlampe an. »Es kann doch nicht so schwer sein, diesen Brief zu schreiben.«
»Nein«, antwortete er gequält, »ich mach’s ja auch, aber was soll ich denn dann machen? Zivildienst?«
»Es wird dir wohl nix anderes übrigbleiben.«
»Und was?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Stell dir lieber vor, du wirst ein Jahr lang angeschrien, mußt durch den Schlamm robben. Guck dir doch die an, die letztes Jahr Abi gemacht haben und jetzt beim Bund sind. Die benehmen sich so, als hätte man ihnen das Gehirn rausoperiert. Und wer weiß, vielleicht wirst du ja noch irgendwo in die weite Welt geschickt und erschossen. Willst du das etwa?«
»Blöde Frage.« Er knipste das Licht wieder aus. Ich komme irgendwie nicht an ihn heran. Ich will nicht, daß er zum Bund
geht.
23:21
Phil schnarcht, und ich kann nicht schlafen. Ich kann mich gar nicht erinnern, ihn je schnarchen gehört zu haben. Ich muß an Tobi denken. Wish you were here.
Ich hatte gewonnen. Wir erklärten den Tag zum allgemeinen Einkaufstag. Oma hatte mir heimlich etwas Geld zugesteckt. Sie zottelte mit Mom und Dad los, während ich mit Phil in Richtung Gänsemarkt zog. SkaterZ macht Räumungsverkauf, und ich habe mich mit ein paar T-Shirts, zwei Shorts und einem Paar Vans eingedeckt. Mom wird wieder mosern. »Kauf dir doch mal was Schickes«, sagt sie immer. Sie versteht einfach nicht, daß ich nicht rumlaufen will wie die Spinner von der Elbchaussee.
Ich habe für Tobi eine Postkarte vom Hafen gekauft und dick »Hier beginnt die große weite Welt!« raufgeschrieben. Und ganz klein »Wish you were here« druntergekritzelt. Irgendwie kam mir das aber dann doch zu heftig vor. Ich zerriß die Karte, kaufte eine neue und schrieb nur das mit der großen weiten Welt drauf. »An wen schreibst du denn?« wollte Phil wissen, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf. Er fragte nicht weiter. Anschließend sind wir zu den Schönen Aussichten getapert. Phil machte sich einen Spaß daraus, die arrogante Bedienung anzubaggern.
20:53
Beim Abendessen gab es riesigen Ärger. Phil hat wohl noch immer nicht seine Wehrdienstverweigerung abgeschickt. »Ich sehe es schon kommen, du wirst eingezogen«, orakelte Mom. Dad meinte, er hätte seine Kinder nicht dazu erzogen, daß sie jetzt aus lauter Saumseligkeit zum Bund müßten. Ich finde, sie haben recht, doch ich wollte nicht auch noch auf ihm rumhacken. Plötzlich stand er wütend auf und ging in sein Zimmer. Oma seufzte. Als wir fertig mit dem Essen waren, ging ich zu Phil. Das Zimmer war dunkel. »Willst du mir jetzt auch noch Vorwürfe machen?« fragte er. »Eigentlich ja«, antwortete ich. Er knipste die Nachttischlampe an. »Es kann doch nicht so schwer sein, diesen Brief zu schreiben.«
»Nein«, antwortete er gequält, »ich mach’s ja auch, aber was soll ich denn dann machen? Zivildienst?«
»Es wird dir wohl nix anderes übrigbleiben.«
»Und was?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Stell dir lieber vor, du wirst ein Jahr lang angeschrien, mußt durch den Schlamm robben. Guck dir doch die an, die letztes Jahr Abi gemacht haben und jetzt beim Bund sind. Die benehmen sich so, als hätte man ihnen das Gehirn rausoperiert. Und wer weiß, vielleicht wirst du ja noch irgendwo in die weite Welt geschickt und erschossen. Willst du das etwa?«
»Blöde Frage.« Er knipste das Licht wieder aus. Ich komme irgendwie nicht an ihn heran. Ich will nicht, daß er zum Bund
geht.
23:21
Phil schnarcht, und ich kann nicht schlafen. Ich kann mich gar nicht erinnern, ihn je schnarchen gehört zu haben. Ich muß an Tobi denken. Wish you were here.
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