Mittwoch, 31. Dezember 1997

"Du bist verrückt. Du bist der verrückteste Tim, den ich kenne."
Nils hat recht. Aber es mußte einfach sein. Ich wollte es. Nils und ich waren gestern auf Sylt!
Gleich als er aus der Dusche kam, habe ich ihn mir gegriffen, habe schnell noch Phil und Oma Bescheid gesagt und dann sind wir ab zum Bahnhof. Da saßen wir dann, im Zug nach Westerland. Nils hörte gar nicht mehr auf, den Kopf zu schütteln. Westerland, Sylt. Wir nahmen den Bus in Richtung Hörnum, stiegen inmitten dieser unwirklichen Landschaft aus. Natürlich konnten wir nicht in das Heim gehen. Dort, wo alles eigentlich erst richtig angefangen hatte. Aber wir taperten zu der Stelle, wo wir am Abend danach am Strand waren. Und da standen wir also wieder am Meer. Nils schüttelte immer wieder den Kopf und gleichzeitig strahlten seine Augena. Nein, der ganze Nils strahlte. Wir waren beide so glücklich, daß wir überhaupt nicht froren. Und es war bestimmt verdammt kalt. Da standen wir, das schrecklichste Wetter, was man sich vorstellen kann, kalt, naß, jede Menge Wind. Das Meer brüllte uns an und wir, wir standen da, eng umschlungen, küßten uns und vergaßen alles andere.
"Du bist verrückt. Du bist der verrückteste Tim, den ich kenne. Mein kleiner verrückter Tim."
Vielleicht war es verrückt. Nein, nicht nur vielleicht. Es war wirklich verrückt. Es ist verrückt. Doch es war einer der schönsten Momente in meinem Leben. Momente. Ich weiß nicht, wie lange wir da einfach nur so standen, aneinander geklammert, gleichzeitig schwebend und fliegend. Und dann den ganzen langen Weg zurück, den ganzen Abend. Wir haben nicht ein Wort miteinander geredet. Es hätte alles kaputt gemacht. Wir haben uns einfach nur in die Augen geschaut und es reichte. Ein leichter, fast zögernder Kuß zum Einschlafen. Nils, mein Nils.

Heute wird wohl kein Schiff mehr gehn und keiner geht vor die Tür.
Alle sind heute verschüchtert, nur ich bin es nicht und das liegt an dir.
Am Fenster fliegt eine Kuh vorbei, da kommt jede Hilfe zu spät.
Ein Glas auf die Kuh und eins auf die See.

Ich liebe die See und sie liebt mich auch, hörst du, wie sie nach mir brüllt?
Ich hätte sie niemals verlassen soll'n, das ist's, was ich mir klarmachen will.
Wenn hinter uns nicht der Deich wär', käm' jede Hilfe zu spät.
Ein Glas auf den Deich und eins auf die See.

Hier wurd' ich an Land gespült, hier setzt' ich mich fest.
Von dir weht mich kein Sturm mehr fort, bei dir will ich bleiben, solang' du mich lässt.
Deine Hand kommt in meine und jede Hilfe zu spät.
Ein Glas auf uns und eins auf die See.

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