Freitag, 5. September 1997
5. September
"So, und jetzt noch eine Runde."
"Ich kann nicht mehr."
"Du kannst, und wenn ich dich auf die Matte prügeln muß."
Ich weiß nicht mehr, was ich machte. Meine Füße liefen automatisch, meine Körper funktionierte automatisch. Ich war wie im Koma. Eine halbe Stunde joggen, dann Schnelligkeitstraining. Nils pfiff und ich mußte mich auf die Matte fallen lassen und wieder aufstehen. Fünf Minuten, zehn Minuten, ich weiß nicht mehr wie lange. Dann in den Kraftraum. Eine Stunde 100 - 80 - 60. Dann Sauna und alles wieder von vorne. Zweite Runde, dritte Runde. Dann als Abschluß einen Kampf gegen Nils. Keine Kraft mehr. Nur noch blockieren, störrisch sein. Auf die Matte pressen, die Arme ausgestreckt. Arme und Beine sind die Zeiger einer Uhr. Ist es Zeit zu gewinnen oder zu verlieren? Nils schleppte mich unter die kalte Dusche. Ich begann ihn zu hassen. Zum ersten Mal seit langer Zeit haßte ich meinen Nils. Warum tat er mir das an? Warum tue ich mir das an? Habe ich das nötig?
"Na? Willst du wieder kotzen?"
"Du bist so ein Arsch."
"Erinnerst du dich, was Dimitri bei einem der ersten Trainings zu dir gesagt hat? Ringen ist nicht irgendein Sport. Es wird dir wehtun, alles wird dir wehtun. Du wirst nicht mehr wissen, wie es weitergeht, du wirst bluten. Und du wirst weitermachen. Du merkst, daß du gar nicht mehr anders kannst."
Ich ließ es über mich ergehen. Ich wollte ja, ich will ja weitermachen, ich will ihn nicht enttäuschen, ich will gewinnen. Aber jetzt, genau jetzt, kann ich nicht mehr.
Müde kroch ich aufs Rad und wir fuhren los. Jeder Tritt in die Pedale ein Stück Folter. Wir fuhren nicht die Friedrichstraße sondern den Nebenweg. Plötzlich hielt Nils an, zog mich vom Rad in ein Gebüsch. Ich wußte erst gar nicht, was passierte. Ich ließ es geschehen, es war total geil, auch wenn ich alles wie durch einen Schleier wahrnahm. Nils und ich, in einem Gebüsch. Zwanzig Meter von uns entfernt das nächste Haus. Und ich explodierte wie im siebenten Himmel.
"Sooo kaputt kannst du ja noch nicht gewesen sein."
Ich war total außer Atem, wollte so etwas sagen, wie 'Dafür kann ich nie kaputt genug sein' aber ich schwieg und blickte ihn nur an. Freitagnacht, elf Uhr. Alle Welt sitzt entweder vor dem Fernseher oder macht sich fertig für irgendwelche Parties. Nur Nils und ich, wir trainieren wie die Bekloppten und treiben es in irgendeinem Gebüsch. Er 'liefert' mich zu Hause ab. Ich lasse das Rad im Garten liegen, keinen Bock, keine Kraft mehr, es in den Keller zu bringen. Schleiche mich in mein Zimmer. Aber seltsamerweise, so kaputt wie ich auch bin, irgendwie geht es mir gut. Mein Herz klopft, ich bin auf einmal knallwach. Reiße das Fenster auf, hole tief Luft. Alles riecht nach feuchter Wiese. Meine Knochen, meine Muskeln tun mir weh. Doch auf einmal ist es angenehm. Ich spüre meinen Körper, spüre eben jeden Muskel, spüre, daß ich lebe. Tim Berger, 17 Jahre, schwul und Ringer, auf dem Weg nach Leipzig. Ich lebe, ich lebe so intensiv wie es nur geht. Es ist mein Leben und ich mache, was ich will!
"Ich kann nicht mehr."
"Du kannst, und wenn ich dich auf die Matte prügeln muß."
Ich weiß nicht mehr, was ich machte. Meine Füße liefen automatisch, meine Körper funktionierte automatisch. Ich war wie im Koma. Eine halbe Stunde joggen, dann Schnelligkeitstraining. Nils pfiff und ich mußte mich auf die Matte fallen lassen und wieder aufstehen. Fünf Minuten, zehn Minuten, ich weiß nicht mehr wie lange. Dann in den Kraftraum. Eine Stunde 100 - 80 - 60. Dann Sauna und alles wieder von vorne. Zweite Runde, dritte Runde. Dann als Abschluß einen Kampf gegen Nils. Keine Kraft mehr. Nur noch blockieren, störrisch sein. Auf die Matte pressen, die Arme ausgestreckt. Arme und Beine sind die Zeiger einer Uhr. Ist es Zeit zu gewinnen oder zu verlieren? Nils schleppte mich unter die kalte Dusche. Ich begann ihn zu hassen. Zum ersten Mal seit langer Zeit haßte ich meinen Nils. Warum tat er mir das an? Warum tue ich mir das an? Habe ich das nötig?
"Na? Willst du wieder kotzen?"
"Du bist so ein Arsch."
"Erinnerst du dich, was Dimitri bei einem der ersten Trainings zu dir gesagt hat? Ringen ist nicht irgendein Sport. Es wird dir wehtun, alles wird dir wehtun. Du wirst nicht mehr wissen, wie es weitergeht, du wirst bluten. Und du wirst weitermachen. Du merkst, daß du gar nicht mehr anders kannst."
Ich ließ es über mich ergehen. Ich wollte ja, ich will ja weitermachen, ich will ihn nicht enttäuschen, ich will gewinnen. Aber jetzt, genau jetzt, kann ich nicht mehr.
Müde kroch ich aufs Rad und wir fuhren los. Jeder Tritt in die Pedale ein Stück Folter. Wir fuhren nicht die Friedrichstraße sondern den Nebenweg. Plötzlich hielt Nils an, zog mich vom Rad in ein Gebüsch. Ich wußte erst gar nicht, was passierte. Ich ließ es geschehen, es war total geil, auch wenn ich alles wie durch einen Schleier wahrnahm. Nils und ich, in einem Gebüsch. Zwanzig Meter von uns entfernt das nächste Haus. Und ich explodierte wie im siebenten Himmel.
"Sooo kaputt kannst du ja noch nicht gewesen sein."
Ich war total außer Atem, wollte so etwas sagen, wie 'Dafür kann ich nie kaputt genug sein' aber ich schwieg und blickte ihn nur an. Freitagnacht, elf Uhr. Alle Welt sitzt entweder vor dem Fernseher oder macht sich fertig für irgendwelche Parties. Nur Nils und ich, wir trainieren wie die Bekloppten und treiben es in irgendeinem Gebüsch. Er 'liefert' mich zu Hause ab. Ich lasse das Rad im Garten liegen, keinen Bock, keine Kraft mehr, es in den Keller zu bringen. Schleiche mich in mein Zimmer. Aber seltsamerweise, so kaputt wie ich auch bin, irgendwie geht es mir gut. Mein Herz klopft, ich bin auf einmal knallwach. Reiße das Fenster auf, hole tief Luft. Alles riecht nach feuchter Wiese. Meine Knochen, meine Muskeln tun mir weh. Doch auf einmal ist es angenehm. Ich spüre meinen Körper, spüre eben jeden Muskel, spüre, daß ich lebe. Tim Berger, 17 Jahre, schwul und Ringer, auf dem Weg nach Leipzig. Ich lebe, ich lebe so intensiv wie es nur geht. Es ist mein Leben und ich mache, was ich will!
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