Mittwoch, 26. November 1997

26. November

"Wie, du meinst, du kannst heute auch nicht zum Training kommen?"
"Nein, wirklich nicht. Mom muß ja am Nachmittag wieder nach Ulm und ich muß auf Lisa aufpassen."
Nils nickt: "Schon klar." Und ich glaube er hat es sogar verstanden.
"Aber ich kann das Training nicht ausfallen lassen und vorbeikommen, das geht nicht."
"Sollst du doch auch nicht. Gehst halt hin und fertig. Vielleicht magst du ja hinterher noch zu mir kommen."
"Das ist doch 'ne Idee."
Ich weiß nicht, ob es Lisa wirklich besser geht. Das Fieber ist schon ein bißchen weniger. Aber ich weiß eben nicht, ob das an dem Saft oder dem Antibiotikum liegt, was Mom ihr gegeben hat. Lisa und ich malen zusammen um die Wette: Häuser, Berge, Menschen, Wiesen, Blumen und immer wieder lachende Sonnen. Dann schläft sie irgendwann wieder ein. Und ich auch. Bis mich das Telefon weckt. Ich torkele in mein Zimmer, noch völlig beduselt.
"Hi, du bist ja doch zu Hause."
"Blöde Frage, könnte ich sonst ans Telefon gehen?"
In dem Moment merke ich erst, wer da dran ist.
"Ich dachte du hast heute Training."
"Habe ich eigentlich auch, aber, ach, ist ja auch egal. Ist zu kompliziert das zu erklären. Wie geht's dir?"
Ich gucke um die Ecke: Lisa schläft.
"Gut, prächtig. Ich rufe an, weil, diesmal klappt das wirklich mit dem nach Stuttgart kommen. In der Woche vor Weihnachten. Und ich wollte fragen, ob ich ein, zwei Nächte bei dir pennen kann?"
Es war so einfach gewesen. Es hatte sich alles so schön geglättet und beruhigt. Bis zu diesem Moment. Von einer Sekunde auf die andere war alles wieder da. Zum zweiten Mal kündigt sich Heiko an und diesmal scheint es wirklich ernst zu sein.
"Na klar, kein Problem", höre ich mich sagen. Wir verabreden, daß wir am Wochenende noch mal genau telefonieren werden, wie wir das regeln. Dann legen wir auf. Was habe ich gesagt? Kein Problem? Ja, ICH habe das gesagt. Alles andere wäre nicht ICH gewesen. Die Haustür geht auf. Mom und Phil kommen. Lisa schläft noch. Ich setze mich neben ihr Bett. Warum mache ich mir das alles so kompliziert? Für Lisa ist alles so einfach. Als ich so alt war wie sie, war die Welt auch so einfach für mich. Immer schien die Sonne, alle lief wie von selbst, keine Gedanken, keine Probleme hatte ich. Hatte ich wirklich keine?

Es klingelt. Nils steht vor der Tür: "Burger Lieferservice, einmal Big Mac Menü mit großer Pommes."
"Komm rein. Schön, daß du da bist."
"Was ist los? Du klingst so durch den Wind? Ist was mit Lisa? Ist es schlimmer geworden?"
Ich schüttele den Kopf. Was mache ich jetzt nur?

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