Sonntag, 17. August 1997

"Na Hauptsache, du hast dich gut erholt."
Gut erholt. Das klingt so nach Kur.
Zurück in Bergbach und seit der Landung in Stuttgart ist mir wieder so als wenn ich in einer Art Gefängnis bin. So muß es sein, wenn man ein Korsett trägt. Auf Korsika war alles frei, ich konnte durchatmen, ICH fühlte mich frei. Hier ist alles wieder so eingeengt.

Der letzte Tag war schön, aber er ging viel zu schnell vorbei. Irgendwann am Morgen wachten wir auf. Genau rechtzeitig zum Sonnenaufgang. Wir haben kein Wort geredet. Saßen einfach nur da, hielten uns fest und schauten zu, wie der rote Ball der Sonne langsam aus dem Meer aufstieg. Dann sammelten wir unsere Sachen und die Reste zusammen und taperten zurück zum Haus. Es war eine seltsame Stimmung. Wir waren beide glücklich, aber wir merkten gleichzeitig, daß unser gemeinsamer Urlaub jetzt vorbei war. Auf einmal schien Nebel aufzuziehen, alles sah seltsam traurig aus. Ein letztes Mal zum Frühstück getapert. Ein letztes Mal im Meer gebadet. Es war schön wie immer, aber trotzdem anders. Wir redeten kaum und wußten doch, was der andere dachte. Es war, als wenn diese Welt, unsere kleine Welt, in der wir zwei Wochen so glücklich waren, stirbt. Sie stirbt, jede Sekunde, jede Minute ein klein wenig mehr.
Der Bustransfer zum Flughafen, Check-In. Alles ganz automatisch. Nils zittert wieder neben mir im Flieger. Ich halte seine Hand. Dann Landung in Stuttgart. Wir liegen uns ein letztes Mal in den Armen, ein langer Kuß. Scheiß drauf, was die anderen Passagiere denken. Ich habe einen Kloß im Hals. In der Halle warten Dad und Lisa. Mom ist in Berlin. Die Fahrt zurück ist voll mit Erzählen. Es geht ganz automatisch. Nils und ich spielen uns die Bälle zu. Endlos die B29, die Kreisel-Baustelle, alles so vertraut und trotzdem so weit weg. Halt vor Nils' Haus. "Wir sehen uns." Nicken. Der Kloß im Hals läßt mich fast nicht atmen. Ich sehe, wie er in der Tür verschwindet, sich noch mal kurz umdreht. Eine Zehntelsekunde zwinkern seine Augen.

Zu Hause mit Mom und Phil telefoniert. Wenn er Glück hat, kann er nächste Woche nach Stuttgart verlegt werden. Ich öffne das Fenster in meinem Zimmer. Es ist so seltsam. Zwei Wochen war ich fast jede Minute mit Nils zusammen. Auf einmal kommt mir mein Zimmer so groß und einsam vor. Zwei Wochen war seine Stimme, sein Atmen, seine Geräusche um mich herum. Und auf einmal bin ich allein und es ist alles plötzlich so still. Ich drehe mich um, doch da ist kein Nils. Keine Veranda, auf der er sitzt. Wir haben natürlich telefoniert. Die halbe Nacht haben wir telefoniert. Doch das ist nicht dasselbe, als wenn er hier ist. Hier bei mir.
Eben bin ich aufgewacht. Ganz automatisch habe ich nach seiner Hand getastet. Aber da war er nicht. Kein Nils. Das "Rappel"-Schild auf meinem Schreibtisch. 'Dann nimm es doch mit als Erinnerung' hatte er gesagt. Ja, als Erinnerung an die schönste Zeit in meinem Leben!!!

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