Montag, 3. Februar 1997

3. Februar

"Kann ich mich neben dich setzen, so lange, wie Doris nicht hier ist?"
Ich guckte auf. Vor mir stand Markus und lächelte mich an. Er LÄCHELTE! Ich habe noch nie einen Skater lächeln gesehen. Ich war völlig verdattert und nickte nur. Es dauerte einen Moment, bis ich bemerkte, daß er seinen linken Arm im Gips hatte. "Berufsunfall", meinte er, "so was passiert halt mal." Ich konnte mir denken, woher er das hatte. Nils machte ein total komisches Gesicht als er in die Klasse kam und sah, daß Markus neben mir sitzt. Ich wollte es ihm eigentlich erklären, aber es ging den ganzen Tag nicht, weil ständig irgendwelche Leute um uns herum waren. Dafür hatte ich ihn heute als Trainingspartner. Und er war unerbittlich. Als er irgendwann auf mir drauflag und mich so fest im Griff hatte, daß ich kaum noch atmen konnte, fragte er: "Warum sitzt Markus jetzt neben dir?" Ich dachte ich höre nicht richtig. Ich meine, da liege ich auf der Matte, kann mich kaum bewegen und Nils hat nichts Besseres zu tun, als mich nach Markus zu fragen. "Er hat mich gefragt", war alles, was ich in dieser Situation hervorbringen konnte. Mehr ging nicht. Dimitri pfiff. Nächste Übung, nächster Griff. Ich hatte gegen Nils keine Chance. Jetzt befand ich mich kopfüber auf der Matte: "Und wie geht das jetzt weiter?" Er zog seinen Griff noch fester. Verdammt noch mal, was wollte er? Ich bekam in diesem Moment richtig Angst vor ihm. Zum Glück pfiff Dimitri ab. Ich blickte Nils in die Augen und wurde nicht schlau aus ihm. Zum Kuckuck noch mal, das konnte doch so nicht weitergehen. Ich zog ihn von den anderen weg in den Geräteraum. "Was verdammt noch mal soll denn das?" "Was soll was?" fragte er mit unschuldigem Gesicht. "Du weißt sehr gut, was ich meine. Die Sache eben. Da ist nichts mit Markus. Ist das so schwer so verstehen?" "Schrei nicht so." Er guckte sich ängstlich um. "Ich finde es nur seltsam." "Seltsam? Der Einzige, der sich hier seltsam benimmt, bist du." Ich war stinksauer. Und es passierte etwas, mit dem ich nie gerechnet hatte. Nils senkte seinen Kopf und brummelte irgendwas von "Entschuldigung". Dabei stubste er seinen Kopf an meine Brust. Ganz so wie ein kleines Kätzchen. Wie gerne hätte ich ihn in diesem Moment umarmt. Doch das ging natürlich nicht, denn genau in dem Moment kam einer von der E-Jugend vorbei und wollte den Dummy holen. "Verpiß dich", zischte ich ihm zu, doch das schien er nicht mitbekommen zu haben, denn er wühlte fröhlich im Geräteraum rum. Wir taperten zurück zu den anderen, wo und Dimitri schon erwartete: "Na, haben die Herren ihren Kriegsrat beendet?" "Ja, und Tim wird jetzt um drei Klassen besser ringen als zuvor, nicht wahr Tim?!" Ich nickte mechanisch und hätte ihm am liebsten sofort den Hals umgedreht.
Der Abschied von Nils fällt mir immer schwerer. Ich würde ihn am liebsten gar nicht mehr loslassen. Ich möchte für ewig seine Lippen spüren, seine Finger, wie sie sanft über meinen Nacken streichen. Einfach die Augenblick einfrieren. Für immer und ewig festhalten. Doch es geht nicht. Wann haben wir das letzte Mal miteinander geschlafen? Ich weiß es nicht, es muß eine halbe Ewigkeit her sein. Und ich habe solche Lust auf ihn.

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