"Du sagst ja nichts."
"Ich weiß nicht, was ich sagen soll."
"Ich dachte, es ist alles ok, nach gestern."
"Alles ok, alles ok? Was denkst du denn? Du läßt dich von irgendso einer
hergelaufenen Schwuchtel anbaggern und machst mit ihr rum und es ist
alles ok?"
Ich weiß nicht, warum ich so reagierte. Wir waren mit unserem
Sondertraining fertig und saßen vor der Halle und hingen unseren
Gedanken nach. Die letzte Nacht ging es mir ewig nicht aus dem Kopf.
Nils und dieser Sascha. Warum ausgerechnet dieser Typ? Jeden anderen
hätte ich ja vielleicht verstanden. Wobei das absoluter Unsinn ist.
Natürlich hätte ich niemand anderes verstanden. Ich verstehe es aber
auch nicht. Ich war doch in den letzten Tagen so cool. Habe es überhaupt
nicht schlimm gefunden. Und auf einmal will es mir nicht aus dem Kopf
gehen, wie Nils mit diesem Sascha rummacht. Es läuft ein Film in meinem
Kopf ab. Und ich verstehe es nicht. Aber ich gebe zu, daß ich meine
Empörung und meinen Ärger Nils gegenüber tatsächlich auch etwas
übertrieben habe. Ich wollte es eigentlich gar nicht, aber irgendwie
scheint es mir fast Spaß zu machen, ihn mit schlechtem Gewissen zu
sehen.
Nils guckte mich lange an, dann senkte er den Kopf und flüsterte: "Es
tut mir leid. Tim, wirklich, es tut mir leid, was soll ich denn noch
sagen?"
Verdammt noch mal, mein großer Nils, du könntest zum Beispiel sagen, daß
ich, ja ich, Tim Berger, damit angefangen habe, fremd zu gehen. Daß ich
der Letzte bin, der das Recht hat, dir Vorwürfe zu machen. Aber nein.
Du sitzt da, wie ein Häufchen Elend und guckst mich an. Und ich, ich
kann nicht anders, ich muß dich in den Arm nehmen.
"Wie gehst es jetzt weiter mit uns?", höre ich mich sagen.
Eine lange Pause, dann: "Ich weiß nur, daß ich dich nicht verlieren will."
"Ich will dich doch auch nicht verlieren, verdammt noch mal. Aber was passiert jetzt?"
"Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht."
"Wie ist es überhaupt dazu gekommen? Ich meine, er hat dir die Telefonnummer gegeben, und dann?"
Nils erzählte mir die ganze Geschichte. Daß es ihn irgendwie
interessiert hatte, was dieser Sascha denn nun von ihm wollte und
vorhatte. Daß er ihn angerufen hatte, daß sie umständlich ein Date bei
Sascha ausgemacht hatten. Und daß es ihm sogar Spaß gemacht hatte. Aber
daß er nach dem zweiten Mal dann doch festgestellt hat, daß es total
daneben ist und daß er deshalb beschlossen hat, es mir zu sagen.
Mir ging so vieles in dem Moment durch den Kopf. Doch ich drückte ihn
und flüsterte ihm ins Ohr: "Wir bleiben zusammen, was immer auch
passiert."
Nils drückte mich auch, und es schien ihm egal zu sein, daß wir fast im
direkten Licht des Vorplatzes standen. Wir taperten nach Hause,
schweigend. Unser langer Kuß zum Abschied: "Ich liebe dich", sagte Nils.
"Ich liebe dich auch", flüsterte ich.
Nun sitze ich zu Hause und grübele. Ich weiß nicht, was mir alles durch
den Kopf geht. Ich liebe Nils. Ich liebe ihn wirklich. Wenn ich daran
denke, Sachen zu machen, dann denke ich immer daran, sie mit Nils zu
machen. Wenn ich an die Zukunft denke, an Ausziehen, an Wegziehen, an
eine eigene Wohnung, dann ist da immer Nils dabei. Ich liebe ihn, das
was er sagt, wie er es sagt. Ich liebe seine Stimme, seinen Geruch. Ich
liebe seinen Körper, seine Art sich zu bewegen. Ich liebe trotz allem
seine verrückte Unnachgiebigkeit beim Training, ja ich liebe sogar
seinen Fanatismus für's Ringen. Ich liebe es, ihm zuzuhören, mich mit
ihm zu streiten, mich mit ihm zu versöhnen. Eigentlich liebe ich alles
an ihm, auch das, was mich an ihm stört. Und ich will ihn nicht
verlieren.
Aber gleichzeitig ist da auch eine ganz merkwürdige Sache: Für mich kann
ich nicht garantieren, daß, wenn irgendein anderer Typ auftaucht, ich
dann nichts mit dem mache, wenn sich was ergibt. Und das finde ich
gleichzeitig schlimm. Ich liebe Nils und weiß, daß ich eigentlich treu
sein muß und ich will es auch. Aber ich weiß eben auch, daß es sein
kann, daß ich es nicht bin. Es ist nicht so, daß ich jeden Jungen haben
möchte. Aber ich weiß, daß ich spätestens bei Heiko wieder schwach
werde. Heiko, warum geht er mir nicht aus dem Kopf? Das Schlimme ist:
Wenn es mit Heiko wirklich nur um Sex gehen würde, dann wäre das ja
vielleicht ok. Aber da ist mehr. Das ist eben nicht nur Sex, da spielt
sich viel mehr ab und ich habe Angst, daß wieder so eine Phase auftritt,
daß mich irgendwas, eine winzige Kleinigkeit, an ihn erinnert und daß
ich dann wieder für etliche Zeit nicht zu gebrauchen bin, weil ich nur
noch an ihn denke. Ich frage mich echt, ob das bei den Heteros auch so
ist, mit diesen Problemen.
Ich frage mich auch, wie das nun tatsächlich weitergehen soll. Machen
wir jetzt einen Strich unter der Sache mit dem Fremdgehen? Verdammt, das
würde ich so gerne, aber ich weiß eben nicht, ob ich das schaffe. Und
ich weiß eben auch nicht, ob Nils das schafft. Wenn er schon mit so
einem Typen wie Sascha rummacht. Aber was ist die Alternative? Daß wir
uns trennen? Weil wir nicht treu sein können? Verdammt, ich weiß es
nicht.
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