"Und du meinst, die Sache ist nun ok?" Doris' Stimme klang skeptisch
"Himmel noch mal ja. Ich hoffe es. Ich hoffe es es wirklich. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
"Ich glaube, du hast wirklich mehr Glück als Verstand."
Was das nun wieder sollte.
"Sag mal, habt ihr zwei nicht Lust heute Nachmittag mit nach Stuttgart
zu kommen? Ich treffe mich da mit Tara einer guten Freundin, die hier
mal auf unsere Schule gegangen ist. Wir könnten Eis essen, uns auf den
Schloßplatz in die Sonne legen und Leute erschrecken."
"Wieso denkst du denn, daß ich Leute erschrecken, nur weil ich auf dem Schloßplatz liege?"
"Du nicht, aber Tara."
"Aha", mir schwante fürchterliches.
Ich rief Nils an und fragte ihn, ob er Lust hätte. Und er fand die Idee
ganz witzig. Ich glaube, wir beide waren ganz froh, daß wir diesen
ersten Tag nicht alleine mit uns verbringen mußten. Und so tuckerten wir
also mit dem Zug in richtung Stuttgart. Doris war einfach genial. Sie
schaffte es, eine total lockere Stimmung zu zaubern und Nils und ich
waren nur noch am kichern.
Dann sind wir erst mal wie die Bekloppten durch halb Stuttgart gerannt,
weil Doris natürlich die genaue Adresse verbusselt hatte und sich nur
noch dunkel an ihren letzten Besuch erinnert hat. Naja, jedenfalls haben
wir dann nach einer halben Ewigkeit dieses Haus un der Ludwigstraße
gefunden. Wobei Haus eigentlich total zu viel gesagt ist. So was kenne
ich eigentlich nur noch aus alten Fernsehbildern aus der Hafenstraße
oder aus Berlin. Naja, und dementsprechend war auch Tara. Daß sich
manche Sachen aber auch so bewahrheiten müssen. Ich meine, als ich das
Haus gesehen habe, wußte ich ganz genau, wie Tara aussehen wird...und
was war, na klar! Aber trotzdem war sie total nett und witzig. Irgendwie
total logisch, daß sie sich mit Doris gut versteht. Aber die Wohnung in
der sie wohnt sieht wirklich total versifft aus. Nils und ich guckten
uns an und wußten nicht so recht, ob wir grinsen oder das Gesicht
verziehen sollten. Zum Glück blieben wir nicht lange da und taperten los
um die Innenstadt unsicher zu machen. Tara erzählte Stories, wie sie
bei ihrem HL-Markt um die Ecke permanent Joghurt schon im Laden aufißt
ohne ihn zu bezahlen. Aber sie brachte das so locker rüber, daß Nils und
ich nach kurzer Zeit anfingen, darüber zu lachen. Jedenfalls nahmen wir
jede zweite Eisdiele mit und als wir endlich am Schloßplatz waren,
blieb uns gar nichts anderes übrig, als uns hinzusetzen, so pappsatt
waren wir. Doris knipste unaufhörlich mit ihrer Ritsch-Ratsch-Kamera
herum und wir genossen die Sonne. Zu gerne hätte ich meinen Kopf einfach
so auf Nils' Brust gelegt, ihn gespürt. Aber das ging natürlich nicht,
um uns herum tobte das Leben. Irgendwann zottelten die beiden Mädels los
zum Klamotten-Einkaufen und Nils und ich baumelten mit den Füßen im
Brunnen.
"Weiß sie Bescheid?" fragte er.
"Wer? Tara? Keine Ahnung."
"Es ist komisch", meinte er, "ich glaube, es würde mir nichts ausmachen.
Im Gegenteil, ich würde das sogar gut finden, weil, dann müßte man
nicht so aufpassen und Theater spielen."
Ich guckte ihn an, wahrscheinlich mit großen Augen. Was hatte er da gerade gesagt? War das MEIN Nils, der das gesagt hatte?
"Meinst du, daß wir irgendwann, einfach so Hand in Hand durch die Gegend laufen können?"
"Ich weiß es nicht. Ich glaube in Bergbach bestimmt nicht. Und wenn ích
mir das hier so angucke...hier laufen die Typen auch nicht Hand in Hand
durch die Gegend. Aber eigentlich ist das auch egal. Solange wir uns
nicht total verstecken müssen."
"Ist das in Hamburg anders?"
"Keine Ahnung. Du bist doch mein erster Freund. Vielleicht ist es da
nicht ganz so spießig wie hier. Aber ich würde mich das am Gysue auch
nicht trauen."
Ich merkte, wie er ganz leicht nach meiner Hand griff und sie drückte.
Wir schauten uns an und brauchten nichts zu sagen. Nils, es ist MEIN
Nils.
Nach einer halben Ewigkeit kamen die Mädels zurück. Als sie anfingen,
uns die Klamotten, die sie erstanden hatten, zu präsentieren, haben wir
allerdings sehr schnell abgewunken. Frauen haben schon einen seltsamen
Geschmack.
Irgendwann machten wir uns dann wieder auf in Richtung Bahnhof und fuhren zurück nach Hause.
"Pennst du morgen nach dem Wettkampf bei mir? Meine Eltern sind weg." fragte Nils.
Ich merkte, wie mein Herz wieder aufging. "Jaaaa, nichts lieber als
das." Und ich nahm ihn in den Arm, drückte ihn ganz fest und küßte ihn.
Es war mir egal, ob uns jemand an der Kreuzung sah.
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