"Hast du von Tobias gehört?"
Es war halb acht Uhr morgens und Doris klang total aufgeregt. Es dauerte
einen Augenblick bis ich halbwegs klar denken konnte: "Nein, was ist
denn mit ihm?"
"Er ist in der Klinik in Stuttgart."
"Und wieso?"
"Ich weiß es nicht. Meine Mutter hat gestern zufällig seine Mutter am
Bahnhof getroffen und sie haben nur ganz kurz miteinander geredet."
"Ja und was HAT er nun?"
"Ich weiß es nicht. Ich dachte du wüßtest etwas. Schließlich seid ihr ja befreundet oder ward es mal."
"Ich weiß es nicht. Ich versuche es aber mal rauszubekommen."
Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Tobias. Tobi, in den ich doch mal so
verknallt war. Was ist mit ihm? So ein Mist. Ich war wirklich so total
mit meinen Sachen beschäftigt, daß ich mich schon gar nicht mehr daran
erinnern kann, wann ich das letzte Mal länger mit ihm geredet hätte. Ich
versuchte, bei ihm zu Hause anzurufen, aber es ging niemand ans
Telefon. Ich taperte runter zum Frühstück und fragte Mom und Dad, was
man machen könnte, um rauszukriegen, in welchem Krankenhaus er denn ist.
"Also, wenn er in Stuttgart ist, dann muß es ja wohl was Ernstes sein.
Also nichts mit Marienhospital oder so. Versuche doch mal in der
Uniklinik anzurufen."
Ich hing eine halbe Ewigkeit in der Warteschleife, dann landete ich
endlich irgendwo in der Telefonzentrale. "Zimmer zwölf, auf der
Onkologie." Er hatte kein Telefon dort. Ich legte auf. Schlug nach, was
Onkologie heißt und bekam einen riesigen Schreck. Das ist tatsächlich
irgendwas mit Krebs. Ich dachte ja wirklich zuerst, daß er vielleicht
irgendwas mit dem Blinddarm hat, oder vom Rad gefallen wäre oder so was.
Ich versuchte noch mal seine Mutter anzurufen, aber es ging immer noch
niemand an's Telefon.
"Er liegt auf der Krebsstation", sagte ich
Mom und Dad schauten mich ernst an: "Weißt du, was er hat?"
"Nein, er hat da kein Telefon und seine Mutter meldet sich auch nicht."
Es war ein stiller Vormittag. Irgendwann rief ich Nils an und erzählte
ihm, was ich erfahren hatte. Ich hörte, wie er am anderen Ende der
Leitung schluckte. Dann rief ich Doris an. Wir verabredeten uns, daß wir
morgen nach Stuttgart fahren und versuchen wollen, ihn zu besuchen. Dad
hat sich angeboten, uns hinzufahren und ich glaube, daß werde ich auch
machen.
Nils kam vor dem Turnier vorbei und wollte mich abholen. Ich sagte ihm,
daß ich nicht in der Stimmung bin, um zuzuschauen. Er nickte. Ich saß
den ganzen Nachmittag in meinem Zimmer, guckte aus dem Fenster und
dachte darüber nach, wann ich wirklich das letzte Mal längere Zeit mit
Tobias geredet hatte. Ich habe mein altes Tagebuch vorgekramt. Oh Gott,
was war ich damals in ihn verknallt, verliebt, was weiß ich. Und jetzt?
Ich merke, wie ich durch den Wind bin, seit ich weiß, daß er Krebs hat.
Aber was hat er genau? Etwas Bösärtiges oder was, was man operieren
kann?
Telefon! Nils ist dran. Er fragt, ob er vorbeikommen kann. Ich
freue mich darauf, ihn zu sehen. Einfach darüber, daß er vorbeikommt.
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