"Los, jetzt du."
"Nein."
"Wie nein?"
"Das mache ich nicht. Weder mache ich den Überwurf noch lasse ich werfen."
"Du machst das. Los jetzt."
"Ich habe gesagt, ich mache das nicht und fertig."
"Tim, los auf die Matte!" Nils' Stimme hatte mal wieder diesen Ton, der
keinen Widerspruch, nicht die kleinste Diskussion überhaupt zuließ. Aber
ich kannte diesen Ton und es ist genau dieser Tonfall, der mich erst
recht bockig werden läßt.
Ich stand auf und ging in die Umkleide. Ich hatte keinen Bock auf
Diskussionen, weder mit Mahmout und erst recht nicht mit Nils. Ich stand
einfach auf. Ich glaube, alle haben ziemlich verdattert geguckt. Zwei
Minuten später stand Nils in der Tür zur Umkleide.
"Bist du jetzt völlig abgedreht, oder wie? Was soll DAS denn jetzt?"
"Ich habe gesagt ich mache keinen Überwurf und fertig. Ich habe einfach
keine Lust auf Diskussionen. Ganz einfach. Und auf so einen
überheblichen Tonfall von dir vor den ganzen anderen habe ich erst recht
keine Lust. Das kotzt mich an. Echt. Und das weißt du."
"Da passiert nichts dabei. Dabei kann gar nichts passieren."
"Das ist mir total egal, ob da was passieren kann oder nicht. Ich habe 'nein' gesagt und damit basta."
"Hier kann doch nicht jeder machen, was er will. Schließlich trainierst du hier, um was zu erreichen."
"Ich trainiere hier, weil es mir Spaß macht. Deshalb. Und wenn es mir keinen Spaß macht, dann höre ich eben auf."
"Denkst du denn, das ist deine Privatveranstaltung? Du hast doch gehört:
Du sollst am Samstag wieder antreten. Da kannst du doch nicht einfach
sagen, das mache ich und das nicht."
"Mich stört dein Ton. Mich stört dein Ton total. Merkst du denn nicht,
daß du mit der Art, wie du Anweisungen gibst, genau das Gegenteil
erreichst?" Ich war so richtig in Fahrt: "Und noch mal: Wenn es mir
keinen Spaß mehr macht, dann höre ich eben mit dem Ringen auf. Ganz
einfach so."
Ich sah ihm in die Augen und bemerkte eine Sekunde lang tatsächlich so
etwas wie Panik darin. Und dann sah ich, wie er unsicher wurde. Es
dauerte einen Moment, bis er überhaupt etwas sagen konnte.
"Ich mache das doch, damit du was lernst und weiterkommst." Seine Stimme
klang plötzlich müde. Ich hatte ihn. Ich hatte ihn genau auf dem
richtigen Fuß erwischt.
"Ich weiß. Aber manchmal bist du einfach unausstehlich."
"Denkst du, du bist viel besser?"
Ich mußte lachen: "Ich hoffe doch."
Er grinste.
"Ich gehe nach Hause. Das bringt mir heute nichts. Wir sehen uns morgen in der Schule."
Ein schneller Kuß, dann taperte er wieder in die Halle. Vielleicht höre
ich ja wirklich auf. Aber irgendwie geht das nicht einfach so. Nils
würde mir das nie verzeihen.
Zu Hause rief ich Heiko an. Ich weiß nicht wieseo. Doch, ich weiß
natürlich schon wieso, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wieso ich
ausgerechnet Heiko anrief. Er war total übergerascht: "Oh, du rufst mich
an? Ist ja mal ganz was ungewöhnliches. Aber schön. Wie geht's?"
Ich erzählte ihm ein bißchen, wie es mir geht und was ich im Moment
mache. Dann erzählte ich ihm die Sache heute mit Nils beim Training. Ich
wollte einfach wissen, was er dazu sagt. Wollte seine Meinung hören.
"Naja, Nils ist eben sehr ehrgeizig. Und bestimmt nicht nur für sich
sondern auch gleich für dich noch mit. Wenn du gewinnst, ist es eben
auch sein Erfolg."
"Ich finde das affig."
"Ist aber so."
"Aber das macht keinen Spaß. Ich werde immer öfters bockig, wenn er mir irgendwelche Anweisungen beim Training gibt."
"Ich glaube, ihr spielt da noch so einen Machtkampf."
"Wie meinst du das?"
"Wer ist bei euch der Aktive?"
"Wie meinst du das?"
"Meine Güte! Wer fickt wen bei euch?"
"Borrh, das werde ich dir gerade erzählen."
"Natürlich, wenn nicht mir, wem denn dann?" Ich konnte sehen, wie er am anderen Ende der Leitung grinste. Das war Heiko pur.
"Laß mich raten, eigentlich eher mehr du. Hab ich recht?"
"Ja doch."
"Na also. Ist doch auch ok."
"Ja und? Was soll ich jetzt mit der Situation machen?"
"Ich weiß nicht. Warte halt ab. Das geht vorbei. Und nimm das einfach doch alles nicht so ernst."
"Na toll."
"Und sonst?"
"Nix besonders. Ich mache jetzt Führerschein. Morgen habe ich die zweite Fahrstunde."
"Cool, dann kannst du mich ja mal wieder besuchen kommen."
Ich lachte: "Erst mal ein Auto haben."
Wir redeten noch eine ganze Weile. Heiko erzählte mir von seinen letzten
Sexabenteuern. Und auch wenn er mir eigentlich mit der Sache mit Nils
nicht so richtig weiterhelfen konnte, so geht es mir doch nach dem
Telefonat irgendwie besser. Heiko. Ich glaube, wenn er mit mir
trainieren würde, hätte ich nicht diese Probleme. Aber er ist eben auch
ein paar hundert Kilometer weit weg.
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