"Ich muß los, meine Eltern sind bestimmt schon sauer, daß ich so spät
komme. Ruf mich an, wenn was ist, ok? Auf jeden Fall heute Abend, ob er
sich gemeldet hat, ok?"
"Es war schön, daß du da warst heute Nacht."
Er umarmte mich, ein langer Kuß zum Abschied. Dann eierte und
schlidderte er die Straße runter. Kurz vor der Kurve drehte er sich um
und winkte. Ich liebe ihn!
Eine total verrückte Tofa-Nacht. Heiko kam kurz nach acht und war
irgendwie ziemlich nölig drauf. Ich weiß ja auch nicht, was war.
Jedenfalls habe ich ihm vorgeschlagen, daß wir in die Tofa gehen
könnten, um ein bissele Party zu machen. Er nölte weiter, und maulte
rum, daß er keine Lust hat. Ich wollte mir aber von ihm nicht die gute
Laune vermiesen lassen und sagte, daß ich dann eben alleine gehe. Das
fand er dann wohl doch nicht so toll und meinte dann, er kommt mit.
"Nils kommt auch."
"Und er weiß, daß ich komme?"
"Ja, er hat es ja sogar vorgeschlagen."
"Verstehe ich nicht. Als wir uns heute früh am Bahnhof getroffen haben,
sah es so aus, als hätte er mich am liebsten erwürgen wollen."
"Vielleicht hat er ja eingesehen, daß es total kindisch ist, wenn ihr
nicht miteinander redet. Und vielleicht siehst du das ja auch ein."
"Wieso ich? Ich habe damit kein Problem."
Ich guckte ihn an. Das kam so spontan, so selbstverständlich, daß ich ihm fast glaubte.
Ich gebe zu, daß ich schon ein komisches Gefühl hatte, als wir
lostaperten. Ich war mir nicht sicher, ob das gutgehen würde. Nils und
Heiko zusammen in der Tofa. Wir holten Nils ab. So die ersten Minuten
war die Stimmung schon noch etwas gespannt. Aber dann fing Heiko an zu
reden und setzte sein Lächeln auf. Ich merkte, wie Nils innerhalb
kürzester Zeit total locker wurde, selber anfing, drauflos zu reden und
zu lachen. Jedenfalls kamen wir total vergackert in der Tofa an.
Merkwürdigerweise schien heute wieder Bergbach-Complete angesagt zu
sein. Es waren alle möglichen und unmöglichen Leute da. Flo mit Ina,
Max, Kevin und sogar Jonas. Na toll. Aber das Verrückteste war, daß
Doris auf einmal vor mit stand. Ich guckte sie total verdattert an: "Was
machst du denn hier?"
"Was soll denn diese Frage? Darf ich nicht?"
"Natürlich darfst du, hey, ich freue mich sogar, daß du da bist. Aber wie denn? Das ist doch hier nicht dein Laden."
"Manchmal hast du seltsame Gedanken, Tim. Aber vielleicht bin ich ja auch nur zum Heiko-Gucken gekommen."
"Zum Heiko-Gucken? Woher wußtest du denn...?"
Nils, Nils diese kleine Ratte! Was sollte DAS denn jetzt. Ich suchte
ihn, wollte ihn fragen, was das sollte. Ich fand ihn in dem Gewühle
nicht. Statt dessen rannte ich direkt Jonas in die Arme. "Ich denke, ihr
hattet heute Wettkampf, da geht man nicht mehr weg."
"Wir hatten keinen Wettkampf." Das kommt davon, wenn man lügt.
"Dein Freund ist ein Arsch."
"Vorsichtig, ganz vorsichtig! Nils ist kein Arsch!"
Toll, ganz toll. Jetzt durfte ich Nils' Lügerei ausbaden. Ich war
richtig froh, als Ina angehüpft kam und mich auf die Tanzfläche mitzog.
Es war richtig gute Stimmung und gute Musik. Nach einer Weile bekam ich
mit, wie Flo am Rand der Tanzfläche stand und mich ziemlich finster
anguckte. Oh Shit, na klar. Warum nicht gleich noch ein Problem mehr?
Ich ließ Ina stehen und ging zu Flo, griff in am Arm und zog ihn in eine
halbwegs stille Ecke. Ich hatte keine Lust mehr auf irgendwelche
Komplikationen, auf Probleme, auf Eifersuchtsszenen, auf verstockte,
vermaulte Laute, auf Leute, die nichts verstehen oder alles falsch
verstehen. Ich wollte einfach nur reinen Tisch machen. "Paß auf
Florian", begann ich, "bevor du auch nur irgendwas denkst oder sagst:
Nein, nein, nein! Ich habe nichts mit Ina, ich will nichts mit Ina haben
und ich WERDE vor allem auch nie was mit Ina haben. Ist das klar?! Du
brauchst also gar nicht so finster zu gucken, ich nehme sie dir nicht
weg."
Mein Gefühlsausbruch war wohl etwas heftig denn er guckte mich total
verdattert an. Doris kam vorbei uns ich zottelte sie an unseren Tisch.
"Damit du siehst, daß ich es ernst meine, das hier", ich zeigte auf
Doris, "das hier ist meine beste Freundin." Und um das Ganze noch zu
bekräftigen gab ich ihr einen Kuß auf die Wange. Flo und Doris guckten
sich eine Sekunde lang an und fingen dann an zu lachen. Es muß aber auch
eine total komische Szene gewesen sein.
"Weißt du was, Tim, ich glaube dir. Ich glaube dir auf's Wort." Er kicherte.
Auftritt Heiko. "Gehst du irgendwann noch mal Bier holen?"
"Nee, hatte ich eigentlich nicht vor, wieso?"
Er drückte mir drei Mark in die Hand: "Bring mir mal eines mit."
"Äh, hallo? Ich habe gesagt, ich gehe nicht so bald Bier holen."
"Ich will aber eines und mag mich nicht anstellen."
Ich verstand das gar nicht richtig, ich war einerseits verwirrt und auf
der anderen Seite so überdreht, daß ich gar nicht weiter nachdachte. Ich
taperte also zum Tresen, mogelte mich durch die Schlange und kam mit
zwei Bier zurück. Heiko nickte mir zu und zottelte wieder weiter. Jetzt
erst, wenn ich das schreibe, frage ich mich echt, was das für ein Ding
war. Was sollte denn das? Doris blickte mich an und sagte nichts. Ina
kam von der Tanzfläche und klammerte sich an Flo. Ich versuchte
krampfhaft, sie nicht anzugucken. Auftritt Nils: "Ach hier seid ihr."
"Ja, vorne war es uns zu laut."
"Wenn es dir zu laut ist, bist du zu alt."
"Haben wir gelacht."
"Stundenlang."
"Wo ist Heiko?"
"War bis eben noch hier, keine Ahnung, wo er hinwollte."
Doris blickte von Nils zu mir und wieder zurück. Es sah so aus, als
würde sie bei einem Tennismatch zuschauen. Ich bekam wieder einen
Lachanfall und rettete mich auf die Tanzfläche.
Irgendwann sah ich Flo am Rand der Tanzfläche, er machte unser
"Ich-gehe-jetzt-Zeichen" und zog ab. Ich taperte zu Doris und Nils, die
noch am Rand standen. Doris verabschiedete sich auch und Nils gähnte.
"Was hältst du von gehen?"
"Gute Idee, ich bin auch genug gehüpft für heute. Ich werde mal Heiko einsammeln und dann kann es losgehen."
Doch Heiko war nirgends zu finden. Inzwischen war es ziemlich leer
geworden und wir durchkämmten den Laden zweimal hintereinander. Ich
guckte sogar auf den Klos nach.
"Und?"
"Nichts. Verschwunden. Verdunstet."
"Und jetzt?"
"Keine Ahnung. Also hier ist er definitiv nicht."
Wir warteten noch eine halbe Stunde. Dann fingen wir das ganze
Suchspielchen noch mal von vorne an, aber Heiko blieb verschollen.
Langsam wurde ich sauer.
"Ich gehe jetzt nach Hause", beschloß ich.
"Und Heiko? Findet der alleine zurück?"
"Muß er wohl. Vielleicht sitzt er ja schon bei mir vor der Tür und heult sich die Augen aus."
In diesem Moment war es mir scheißegal, was mit Heiko war.
"Das hättest du wohl gerne, was?"
Wir taperten los. Ich war ziemlich kaputt von der ganzen Tanzerei. Ich
kuschelte mich in Nils Arm. Irgendwie kamen wir ganz automatisch bei mir
zu Hause an.
"Kein Heiko. Niemand da."
Ich blickte Nils an. Ich brauchte nichts zu sagen, nicht zu fragen. Er kam einfach mit.
"Dein Heiko scheint ein ziemliches Chaoskind zu sein", sagte er, als er Heikos verteilte Klamotten sah.
"Er ist nicht MEIN Heiko."
"Ich glaube, ich kann dich inzwischen besser verstehen. Er hat was. Wenn er einen anlächelt, dann wird man butterweich."
Ich blickte ihn mißtrauisch an.
"Nein, keine Angst, ich finde ihn NICHT niedlich und ich habe mich auch
NICHT in ihn verguckt. Ich meine nur, ich kann dich jetzt irgendwie
verstehen."
Ich küßte ihn, er sollte nicht mehr reden. Ich wollte ihn einfach nur fühlen, einfach nur noch mit ihm zusammen sein.
"Vielleicht hat ihn Jonas abgeschleppt?", meinte Nils beim Frühstück.
"Das kann ich mir nun überhaupt nicht vorstellen. Ich glaube nicht, daß
Heiko auf Jonas abfahren würde. Aber ich mache mir echt Sorgen. Er hat
nicht mal angerufen."
"Und was machen wir jetzt?"
"Keine Ahnung. Wir können ja schlecht die Polizei anrufen. Die lachen uns ja aus."
"Also warten wir ab?"
"Müssen wir wohl."
Als Nils sich verabschiedet hatte, wurde ich noch unruhiger. Ich rannte
in der Wohnung hin und her, probierte das Telefon aus, ob es
funktionierte. Das kann doch alles nicht wahr sein. Ich versuche, erst
mal was zu essen.
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