"Und? Haben Mom und Dad mit dir gestern Abend gesprochen?"
"Ja. Ach und du hast davon gewußt?"
"Na klar. Sie haben mich ja gefragt, ob ich weiß, was du so machst, wenn
du weg bist. Ob ich deine Freunde kenne, ob du trinkst oder Drogen
nimmst und so weiter."
"Jeeez! Das ist doch alles nicht wahr! Was MACHE ich denn besonderes?
Wieso muß ich unbedingt Drogen nehmen, nur weil ich keine Lust haben, am
Sonntagmorgen mit der ganzen Familie den Frühstückstoast zu schmieren?"
"Hey, reg dich nicht bei mir auf. Ich hab dich ja verteidigt. Habe
gesagt, daß du eben so viel mit dem Ringen beschäftigt bist und
trainierst. Und daß sie sich keine Sorgen wegen Drogen zu machen
brauchen, weil das ja nicht zusammengeht."
Ich fand es natürlich toll, daß Phil mich so in Schutz genommen hat.
Aber auf der anderen Seite finde ich es gar nicht toll, daß das
überhaupt erst nötig ist. Ob ich Drogen nehme...so ein Wahnsinn!
Phil meint, daß ich vielleicht einfach mehr erzählen soll, wo ich
hingehe und was ich mache. Na toll. Soll ich etwas sagen, daß ich schwul
bin und daß ich bei meinem Freund bin? Ok, naja, ich weiß ja was er
meint. Das Blöde ist echt, daß Phil so ein totaler Mustersohn war. Er
hat eigentlich fast immer gesagt, wo er hingeht, mit wem und wann er
zurück kommt. Aber ich bin eben nicht Phil und ich will auch gar nicht
so sein.
"Wie soll das erst werden, wenn ich ihnen irgendwann erzähle, daß ich schwul bin?"
"Um Gottes Willen bloß nicht. Das wäre das totale Desaster. Tim, laß
das. Das bringt überhaupt nicht. Ich glaube, Mom und Dad rasten dann
aus."
"Ich will aber nicht immer lügen müssen, ich will mich nicht immer für
irgendwas entschuldigen müssen oder schämen. Verdammt noch mal, ich
liebe einen Jungen. Ja und? Bin ich deswegen schlecht oder weniger
wert?"
"Darum geht es doch nicht. Sie haben eben ein Bild von dir. Und zu
diesem Bild gehört eben, daß du ein lieber netter Junge bist, der
irgendwann eine kleine Freundin heiratet und Kinder kriegt."
"Für's Kinderkriegen bist du doch da."
Phil lachte. Dann wurde er wieder ernst: "Aber ich glaube nicht, daß es in ihrem Plan paßt, daß du schwul bist."
"Was soll denn das heißen...nicht in den Plan paßt? Ich habe meinen
eigenen Plan. Das heißt, eigentlich hab' ich ihn nicht. Aber mich kotzt
es echt an, daß alle Welt immer glaubt irgendwelche Pläne für mich
machen zu wollen. Verdammt noch mal ICH will entscheiden, was ICH
mache."
"Hast du dir eigentlich schon mal überlegt, was du für Nachteile hast,
wenn die Leute erfahren, daß du schwul bist? Du kriegst doch keinen Job,
wenn das jemand mitkriegt."
"Bis ich einen Job kriege, dauert das noch ewig. Da denke ich doch nicht jetzt dran."
Ich finde es ja wirklich nett, wenn sich Phil über solche Sachen
Gedanken macht. Aber das ist doch auch MEIN Ding. Ich muß damit
klarkommen. Es ist doch wirklich so, als wenn alle Welt mich an die Hand
nehmen will und mir sagen will, wo ich lang gehen soll. Alle haben
einen Plan, was mit mir passiert, passieren muß oder passieren könnte.
Shit und es sind nicht nur Mom und Dad oder Phil. Es ist auch Nils, der
glaubt, genau zu wissen, was für mich richtig ist. Ich frage mich echt,
ob ich das noch bin, der hier die Entscheidungen trifft oder ob nicht
schon längst alle möglichen anderen Leute sich was für mich ausgedacht
haben. Mom und Dad wollen den lieben kleinen Tim, verheiratet und mit
Kindern. Phil will das wahrscheinlich auch. Nils träumt immer noch
davon, aus mir den großen, toll motivierten Ringer zu machen oder
zumindest das ER es war, der es aus mir gemacht hat. Doris träumt davon,
daß ich der liebe kleine schwule Tim bin, der immer nur für Nils da ist
und nie fremdgeht. Und Heiko...Shit. Selbst Heiko hat Pläne für mich.
Hatte Pläne für mich. Die Aktion in der Halle, total geplant. Aber das,
verdammt noch mal, das ist endlich mal ein Plan, der total ok war. Der
genau DAS war, was ich wollte. Na toll, und schon habe ich wieder Heiko
im Kopf. Es ist echt kein Tag, wo ich nicht an ihn denken muß. Zwar
nicht mehr so schlimm wie am Anfang, aber denken muß ich immer noch an
ihn.
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