"Ach herrje, die ganzen Kiddies aus der Zwölften. Und da ist ja auch unser Mr. Neugierig."
Ich war gerade dabei, das soundsovielte Bier für Nils und mich zu holen,
als Jonas mir über den Weg lief. Komisch, ich hatte ihn noch nie vorher
in der Tofa gesehen. Aber das lag vielleicht auch da dran, daß ich ihn
vorher auch gar nicht kannte. Jonas war besoffen, jedenfalls noch
verpeilter als wir, denn er hatte Schwierigkeiten gerade zu gehen. Ich
wußte nicht, was ich sagen sollte. "Was machst du denn hier in der
Tofa?"
"Wieso? Dürfen Schwule jetzt nicht mehr in die Tofa? Stört es dich etwa,
daß ich hier bin? Stört es dich, daß hier auch Schwule reindürfen?"
Das Gespräch war peinlich, Jonas war peinlich. Shit, bin ich auch so peinlich, wenn ich so bebiert bin?
"Ich meine", ich fing an zu stottern, "was machst du denn hier? Das ist
doch kein schwuler Laden hier?" Was für eine bekloppte Frage. Aber
irgendwie mußte ich ja versuchen, aus der Situation herauszukommen.
"Was weißt du denn schon über schwule Läden? Hä?"
"Na jedenfalls laufen im X1 mehr Schwule rum. Oder im Dorian."
Es war, als hätte jemand die Musik ausgestellt, als wären alle Menschen
um uns herum plötzlich verschwunden. Da war auf einmal nichts mehr. Nur
noch Jonas und ich in einer leeren, total stillen Tofa. Und Jonas schien
von einer Sekunde auf die andere nüchtern geworden zu sein. Und erst in
dem Augenblick wurde mir bewußt, WAS ich da eben gerade gesagt hatte.
Jonas Augen verengten sich und er begann zu grinsen: "Woher kennst du
das Dorian?"
Schweigen, dann: "Du bist auch schwul. Du bist eine verdammte kleine
Schwuchtel. Und dein Kumpel, mit dem du immer rumhängst, dieser coole
Sportheini, das ist dein Freund. Na klar!"
Dieses verdammte Bier. Ich versuchte, klar zu denken, mir irgendwas
zusammen zu spinnen. Nachdenken, nachdenken. Wie komme ich aus dieser
Situation raus? In meinem Kopf ging es rund wie in einem Mixer, aber ich
konnte keinen vernünftigen Gedanken fassen. Ich schaute ihn einfach nur
an. Ich blickte Jonas in die Augen und sagte nichts.
"Ok, ok, schon gut. Vergiß es! Ich geh lieber, bevor ich noch mal eins auf's Maul kriege."
Er drehte sich um und zog ab. Ich stand da eine ziemliche Weile und versuchte, meine Gedanken wieder zu ordnen.
"Kommst du auch irgendwann mal mit dem Bier? Dann hätte ich ja gleich
selber gehen können. Tim? Tim! Hallo? Jemand zu Hause? Was ist denn
los?"
"Jonas hat mich eben gefragt, ob ich schwul bin." Ob wir schwul sind korrigierte ich mich in Gedanken.
Ich weiß nicht, ob es daran lag, daß Nils auch schon etwas abgefüllt
war, aber er rastete nicht aus sondern fragte nur: "Und? Was hast du
geantwortet?"
"Nichts. Gar nichts. Bevor mir überhaupt was eingefallen ist, ist er
abgezottelt. Ich glaube, er hatte Angst, daß ich ihm eine runterhaue
nach der Frage."
Nils grinste: "Du kannst aber wirklich manchmal richtig böse gucken."
"Ich? Böse gucken? Ach geh'!"
"So was kommt von so was."
"Ja, ja."
"Und nun?"
"Was und nun?"
"Was passiert jetzt?"
"Was weiß denn ich? Keine Ahnung!"
"Der läßt bestimmt keine Ruhe. Findest du ihn irgendwie niedlich?"
"Nein. Also ich weiß nicht. Nein, wirklich nicht."
Ich mußte überlegen, wie Jonas eigentlich aussieht. Gut? Schlecht? Ich
weiß es nicht. Ich glaube nicht schlecht. Aber auch nicht gut. Also
nicht so, daß ich mich in ihn verlieben könnte. Äh, nee, was ist denn
das wieder. Nein, also Jonas ist nicht mein Ding. So. Und das habe ich
auch Nils gesagt.
Aber die ganze Sache geht mir doch noch ziemlich durch den Kopf. Jonas
hat es denn Leuten aus seiner Stufe gesagt. Und es geht ihm nicht gut
damit. Also irgendwie ist mir dann auch klar, daß ich das nicht machen
werde.
Ich habe gerade mal nachgeguckt. Wir haben heute Wettkampf gegen
Degendorf. Toll, gaaanz toll! Das heißt, daß ich wahrscheinlich gegen
Benji antreten darf. Eigentlich kann ich gleich zu Hause bleiben. So ein
Mist!
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