Heute hat es Flo erwischt. Ich habe gar nicht so richtig mitbekommen,
wie es passiert ist. Er hatte jedenfalls gerade mit Nils trainiert, als
wir seinen Schrei hörten. Es war nicht einfach so, als wenn jemand
schreit, weil er sich wehgetan hat, sondern es klang richtig heftig. Flo
lag auf dem Rücken, war total blaß und bekam so wie es aussah nicht
mehr richtig Luft. Er atmete ganz schnell und ganz flach und hielt sich
dabei die rechte Seite. Neben ihm hockte Nils, der mindestens genauso
blaß war. Mahmout kam angerannt.
"Kannst du aufstehen?"
Flo schüttelte mit zusammengebissenen Zähnen den Kopf. Mahmout tastete
Flos Bruskorb ab und irgendwann kam er an eine Stelle, wo er aufschrie.
Inzwischen waren eine Menge Leute um uns herum auch Werner stand da und
Mahmout nickte ihm zu.
"Was ist denn mit ihm?" wollte Leon wissen.
"Sieht aus als wenn eine oder zwei Rippen gebrochen sind. Wir lassen ihn in die Klinik bringen."
"Oh nein, nicht doch so ein Scheiß", jammerte Flo.
Ich guckte zu Nils, der sah aus, als würde er gleich anfangen zu heulen. Ich stand auf, zog ihn hinter mir her in die Umkleide.
"Wie ist denn das passiert?"
"Keine Ahnung. Ich habe nicht weiter gemacht als einen Crossface und ich
glaube ich bin einfach nur unglücklich auf seine Rippe gefallen. Aber
ich habe es doch verdammt noch mal nicht mit Absicht gemacht."
Er sah wirklich so aus, als wenn ich ihn trösten müßte. Ich griff nach
seiner Hand und drückte sie. "Komm, laß uns seinen Rucksack
zusammenpacken, damit er seine Sachen hat, wenn er ins Krankenhaus muß."
Als wir zurück in die Halle kamen, meinte Flo zwar, daß es ihm schon
viel besser geht. Aber das war eindeutig gelogen, denn als er versuchte
aufzustehen, klappte er völlig zusammen. Zum Glück kam gleich darauf der
Krankenwagen. Flo sah wirklich total schrecklich aus. Er zitterte,
hatte Schweiß auf der Stirn und atmete total schnell. Ich gab Flos
Rucksack einem der Sanitäter und drückte noch mal kurz Flos Hand. Ich
kam mir irgendwie total seltsam vor. Was sollte ich denn sagen? Es wird
schon? Ich habe doch keine Ahnung. Mahmout stieg mit in den
Krankenwagen.
Das Training war zu Ende. Keiner hatte mehr Lust weiterzumachen. Nils
saß einfach nur da und starrte ins Leere, schüttelte den Kopf und
murmelte nur "Scheiße, Scheiße."
"Hey komm", versuchte ich, ihn zu trösten, "das wird bestimmt wieder.
Ich denke doch mal, das hast du nicht mit Absicht gemacht."
Das sollte irgendwie ein bißchen lustig sein, aber es kam natürlich nicht so rüber.
"Na los, komm schon, du kannst hier nicht die ganze Zeit in der Umkleide sitzen bleiben. Laß uns umziehen und lostapern."
Die anderen waren schon längst gegangen, als wir schließlich auf dem Parkplatz standen.
"Hat eigentlich irgend jemand bei ihm zu Hause angerufen?"
Nils schüttelte den Kopf: "Ich glaube nicht."
Wir taperten zur nächsten Telefonzelle und ich rief seine Eltern an. "Du
meine Güte", war alles, was sein Vater sagte, ehe er auflegte.
"Willst du heute bei mir pennen?" fragte ich Nils.
Er guckte mich, irgendwie dankbar. "Wenn ich darf."
Ich nahm ihn in dem Arm und in dem Moment war es mir egal, ob uns jemand
sah. Schweigend sind wir nach Hause getapert. Haben eine halbe Flasche
Bailey's ausgetrunken und nun liegt Nils in meinem Bett und schläft.
Es ist so ein bekloppter Sport. Warum machen wir das? Nach jedem
Training tun uns alle Knochen, alle Muskeln weh, immer hat man irgendwo
blaue Flecken, Prellungen. Und trotzdem machen wir weiter. Warum denn
das alles? Ich muß an Flo denken. Was wohl mit ihm ist? Wie es ihm jetzt
in dem Moment geht? Ob sie ihn operieren? Ich glaube morgen, werde ich
versuchen, ihn im Krankenhaus zu besuchen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen