"Dann geht doch einfach richtig schön und schnuckelig essen."
"Wo geht man denn in Stuttgart schön und schnuckelig essen?"
"Keine Ahnung, das müßtest DU doch als Luxuskind am ehesten wissen."
"Danke, du bist wirklich eine große Hilfe."
"Ich erkundige mich mal. Ok?"
"Findest du nicht, daß das irgendwie ein bißchen zu spiessig ist, nobel auszugehen?"
"Hey, ich versuche mich nur, deinem und Nils' Niveau anzupassen."
"Borrh, ich glaub das ja alles nicht. Gehen wir jetzt in ein Luxusrestaurant, wo das Essen Hunderte von Mark kostet?"
"Du bist unmöglich. Bist du überhaupt kein bißchen romantisch?"
"Was soll das denn? Ich würde am liebsten den ganzen Tag mit ihm
entweder irgendwo am Strand sitzen und aufs Meer rausgucken oder einfach
nur im Bett liegen und kuscheln."
"Aber ich nehme mal an, daß ihr genau DAS am Samstag nicht machen könnt."
"Ja."
"Na also."
"Ich könnte ja mal Tara fragen."
"Was fragen?"
"Ob ihr bei ihr pennen könnt."
"Ich glaube nicht...nein halt, ich bin mir ganz sicher, daß Nils und ich NICHT bei Tara pennen wollen."
Doris hat manchmal total abartige Ideen. Aber es ist wirklich schwierig, sich irgendwas zu überlegen.
Training war heute ziemlich unspektakulär. Ich finde es immer noch sehr
angenehm, daß ich am Regioturnier nicht teilnehmen muß. So kann ich
alles immer noch ziemlich locker angehen und ich merke, wie gut ich das
finde. Nein, ich werde nicht aufhören mit dem Ringen, aber ich werde
vielleicht nicht mehr ganz so heftig trainieren. Ich werde garantiert
kein Württembergischer Meister werden, also was soll's.
Ich merke aber eine komische Sache. Ich merke, wie ich immer mehr weiß,
was ich eigentlich will oder was ich nicht will. Daß mir immer mehr
Sachen viel klarer werden als vor einem oder vor zwei Jahren. Ich weiß,
daß ich schwul bin. Ok, daß weiß ich schon eine ganze Weile. Aber ich
weiß auch, daß ich keine Lust mehr habe, lange Versteck zu spielen. Ich
weiß, daß ich es spätestens nach dem Abi allen sagen werde. Daß ich aus
diesem Kaff weggehen werde, zurück nach Hamburg. Daß Nils und ich
zusammen weggehen werden auch wenn er schreit und jammert. Ich will mit
ihm zusammen raus aus dieser spiessigen und vermufften Einöde. Und ich
will mit Nils zusammen sein. Ich will endlich dann Spaß haben, wenn ich
es will und nicht dann, wenn zufällig die Tofa offen hat oder mal ein
Zug nach Stuttgart fährt. Ich will leben!!!
Was ist das für mich: Leben? Das ist Nils. Mein Nils. Das weiß ich
jetzt. Wir gehören zusammen. Wir haben uns hier gefunden und wir werden
wahrscheinlich noch in hundert Jahren zusammen sein. Ich möchte leben
mit Nils. Ich will nicht alles mit ihm machen, Will nicht jede Minute am
Tag mit ihm zusammen sein. Aber immer dann, wenn wir uns brauchen, sind
wir da für uns. Ich will leben, Leben ohne Angst. Ohne Angst daß uns
jemand bei irgendwas "erwischt". Leben, ohne darüber nachzudenken, ob
ich ihn jetzt umarmen und küssen darf oder nicht.
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