Mir geht so viel durch den Kopf. Irgendwann bin ich doch eingeschlafen
und aufgewacht, als Nils mich sanft auf die Stirn küßte und so etwas wie
"Aufstehen" flüsterte. Wir waren allein im Zimmer, Leon wahrscheinlich
unter der Dusche.
"Du bist wohl ziemlich spät zurückgekommen?"
Kein Vorwurf, einfach nur ein Feststellung.
Ich nickte. Konnte ihm nicht in die Augen sehen.
"Na, ich hoffe ihr habt Spaß gehabt."
Da schaute ich hoch, blickte in seine Augen und wollte etwas sagen. Doch
es ging nicht. Noch eine Frage. Frag' bitte, flehte ich ihn stumm an.
Ich hätte es ihm gesagt. Ich WOLLTE es ihm sagen, doch er fragte nicht.
Ich weiß nicht, ob es ihm egal war, oder ob er das Thema absichtlich
nicht ansprach. Jedenfalls war er den ganzen Morgen, den ganzen Tag über
so wie immer. Einfach nur Nils. Ich sah Heiko noch einmal beim
Frühstück. Wir lächelten uns über die endlosen Tischreihen an. Ich wäre
am liebsten zu ihm rübergerannt, hätte ihn in den Arm genommen und
einfach mitgeschleift.
Der Abschied war auch wieder typisch Heiko-like: "Na dann, vielleicht
sehen wir uns ja mal." Dann drehte er sich um und war verschwunden, ohne
sich ein einziges Mal umzudrehen. Und ich, ich mußte tatsächlich mit
den Tränen kämpfen.
Die Fahrt zurück war nicht sonderlich spannend. Nils und Leon redeten
die meiste Zeit, während ich ab und zu wegnickte. Mein kleines
verrücktes Leben. Ich habe einen Freund und ich habe irgendwo jemanden,
der etwas ist, für den ich kein Wort finden kann. Ich hatte Heiko
besiegt, aber komischerweise war es mehr der sportliche Erfolg, der mir
etwas bedeutete. Es war nicht mehr dieses Besiegenwollen der eigenen
Hilflosigkeit. Heiko und ich hatten eine der schönsten und geilsten
Nächte zusammen verbracht und ich freue mich, daß ich es "geschafft"
hatte. Ich freue mich, daß Heiko, diese Nacht mit MIR verbringen wollte.
Ich freue mich, daß ich vielleicht doch irgendeine Rolle in seinem
Leben spiele.
Dad holte uns in Stuttgart vom Zug ab. Hier war ich also wieder und
während wir in Richtung Bergbach düsten, wunderte ich mich, daß die
Landschaft, daß alles wieder so aussah wie vorher. Wir setzen Leon ab
und Dad bringt Nils nach Hause. Ich steige mit aus, sage Dad, er soll
schon vorfahren, ich komme zu Fuß nach. Das Schöne an Dad ist, daß er
nie dumme Fragen stellt. Nils und ich stehen uns schweigend gegenüber.
Dann plötzlich: "Du hast mir die Frage von vorhin noch nicht
beantwortet. Hast du deinen Spaß gehabt?"
Ich nicke und versuche, meine Tränen runterzuschlucken. Er nimmt mich in
den Arm und drückt mich ganz fest: "Es ist ok, mein kleiner Tim. Es ist
doch ok."
Mein kleines verrücktes Leben.
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