"Ich überlege es mir. Ist schon irgendwie eine komische Situation."
"Na, du brauchst keine Angst zu haben. Ist doch mein Bruder."
"Vielleicht sehe ich das ja auch alles mal so locker wie du."
"Nils, ich sehe das gar nicht so locker, wie du immer glaubst."
Wir waren in Stuttgart, es hatte zu regnen angefangen und wir waren in
die U-Bahn geflüchtet. Jetzt saßen wir an diesem total unromantischen
Ort, starrten auf die Gleise und redeten über das Thema.
"Ich habe bestimmt genauso viel Angst, daß das die falschen Leute
mitbekommen, wie du. Ich will es doch auch nicht allen Leuten erzählen."
Ein Zug fuhr ein. Warum nennt man eine Straßenbahn U-Bahn? Nur weil sie unter der Erde fährt?
Nils schwieg. Ich ahnte, was in seinem Kopf vorging. Nein, ich weiß es.
Weil es mir doch ganz genau so geht. Ich werde ihm einfach die Zeit
lassen, die er braucht. Denn eigentlich haben wir uns, und das ist doch
alles, was wir brauchen. Wir schauten, ob es aufgehört hatte zu regnen
und gingen zu McDo.
"Wollen wir noch was trinken gehen, im Dorian?"
Ich guckte Nils verwundert an. Er schlug vor, daß wir ins schwule Café
gehen sollen. Ich fand die Idee ganz witzig. Es war richtig voll, aber
wir hatten Glück und haben noch einen Platz bekommen. Ich guckte mich
um. Ich weiß nicht woran es lag, aber mir ist aufgefallen, daß die
meisten Leute, die in dem Laden waren, total uninteressant und häßlich
aussahen. Mein Blick blieb kurz an einem jungen Typen hängen, der
wahrscheinlich so alt war wie ich oder noch jünger. Er erinnerte mich
gleich an Maik, obwohl er noch viel tuntiger und dürrer war. Na toll, er
hatte mitgekriegt, daß ich ihn angesehen hatte und stürmte auf unseren
Tisch zu: "Na ihr zwei? Ihr seid doch bestimmt ein Paar, oder?" Und das
in einer Lautstärke, daß es der halbe Laden hören mußte. Ich hasse
Situationen, in denen ich am liebsten wie ein Maulwurf in der Erde
verschwinden möchte. Ich bin ein Maulwurf, wo ist mein Erdloch?
"Was geht dich das an?", motzte Nils ihn an.
"Oh, ganz prollig", der Typ guckte zu mir, "da hast du dir wohl einen Hetero angelacht, was?"
"Laß uns einfach in Ruhe, ok?"
"Schon gut, schon gut."
Er zottelte wieder zurück zu seinem Platz. Nils und ich guckten uns an und mußten lachen. Wir konnten gar nicht mehr aufhören.
"Wenn ich jemals so tuntig werde, dann sage mir bitte rechtzeitig vorher Bescheid."
"Das werde ich schon schön verhindern, daß du je so wirst."
Wir kicherten immer noch, als wir das Café verließen. Nils taperte noch
zurück, weil er noch mal auf's Klo gehen wollte, bevor wir zurückfuhren.
Als er wiederkam, grinste er mich noch breiter an: "Stell dir vor, der
Typ ist mir sogar auf's Klo hinterhergekommen."
"Und?"
"Er hat mir seine Telefonnummer gegeben und gemeint, ich soll ihn mal anrufen."
"Na dann los, da vorne ist eine Telefonzelle."
Die ganze Zugfahrt über brauchten wir uns nur anzugucken und schon fingen wir wieder an zu kichern.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen