"Na dann los", sagte Dad und ließ den Wagen unsere Straße runterrollen.
Eine ganz witzige Sache, wir wetteten immer, wie weit der Wagen ohne
Gasgeben rollen würde. Meistens schafften wir es vorbei an meiner
Schule, runter bis zum Bäcker. Dann abbiegen, Richtung Stuttgart und
Autobahn, vorbei an "unserer" Kreuzung, vorbei an unserer
Trainingshalle. Ich sitze hinten und wir sind auf dem Weg nach
Düsseldorf, oder nach Köln oder sonstwohin. Ich bin immer noch wirr im
Kopf von der letzten Nacht mit Nils. Und ich frage mich gerade, was ich
eigentlich in diesem Auto mache. Ich habe gerade in der letzten Nacht
mit meinem Freund geschlafen. Also richtig geschlafen. Und ich glaube
mehr als vorher, daß wir ganz richtig zusammengehören. Und trotzdem
sitze ich in diesem Auto und fahre mit meinem Dad nach Köln. Warum? Was
will ich da? Will ich Heiko so haben, wie ich Nils habe? Will ich ihn
einfach nur wiedersehen? Was will ich denn, verdammt noch mal? Ich weiß
es nicht. Ich habe Angst, daß es wehtut.
Ein paar Stunden später sitze ich bei McDo. Dad hat mich in der
Innenstadt von Köln abgesetzt und wird mich am Sonntag Nachmittag wieder
hier abholen. Er hat mir viel Glück für das Turnier gewünscht. Ich
fühle mich mies, warum nur lüge ich alle Leute an? Auf der anderen
Seite, was habe ich denn für eine Alternative? Es sind noch drei Stunden
hin, bis sich diese Gruppe trifft und je näher die Zeit kommt, desto
abartiger finde ich die ganze Sache. WAS MACHE ICH HIER EIGENTLICH? Ich
fahre quer durch die halbe Republik, um einen Jungen wiederzusehen, der
gar nichts von mir will, der mir an den Kopf geworfen hat "Dich hatte
ich doch schon mal". WAS ERWARTE ICH DENN? Ich komme immer mehr zu dem
Entschluß, daß ich total bekloppt bin. Vor allem, WENN er kommt, WENN
ich ihn treffe, WENN wir wenigstens miteinander reden, WAS DANN? Ich
glaube so viele Fragezeichen hatte ich noch nie in meinem Leben auf
einmal. Am liebsten würde ich gleich wieder zurückfahren. Zurück zu
Nils, meinem Nils, ihm alles erzählen, ihn um Verzeihung bitten und mich
einfach in seinen Armen ausweinen. Ich mache nichts dergleichen. statt
dessen sitze ich hier, süffele den was weiß ich wievielten Milch-Shake.
Neben mir wuselt die Welt, ich nehme alles nur unscharf wahr. Die Sachen
rauschen an mir vorüber. Ja, der Platz neben mir ist noch frei, nein
ich komme nich aus Köln, nein ich weiß nicht, wo der und der Laden ist.
Ich hole den Stadtplan raus, den ich mir noch rasch gekauft habe und
suche wenigstens mal die Jugendherberge raus. Ich bete, daß die dort
wenigstens ein Bett frei haben. Was soll ich denn machen wenn nicht?
Soll ich unter einer Brücke pennen? Dieses ganze Unternehmen ist so
bescheuert und daneben, daß ich mich selber ohrfeigen könnte. Was Nils
wohl gerade macht? Wie schön könnte ich jetzt mit ihm am Kochertalweg
sitzen, einfach nur dasitzen, auf Bergbach runtergucken und träumen. Ich
glaube, ich werde noch wahnsinnig!
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