Donnerstag, 20. November 1997

20. November

"Ich muß wieder ins Krankenhaus. Irgend etwas ist wieder gewachsen. In der Milz."
Das war so eine von diesem scheußlichen Situationen. Ich kam gut gelaunt über den Hof als mir Tobi über den Weg lief. Ich fing an rumzublödeln und fragte ob alles ok wäre. Und dann das! Ich kam mir auf einmal so albern und unpassend vor. Ich konnte nur noch stottern: "Wie? Was gewachsen? Ich denke es ist alles weg. Mit dem Chemozeugs und der Bestrahlung."
"93 % Heilungsrate. Wie es aussieht, gehöre ich zu den restlichen 7 %."
"Shit!" Ganz spontan nahm ich ihn in den Arm. Das war einfach so ein Tröstindenarmnehmen, niemand konnte sich dabei irgendwas denken. "Wann mußt du rein?"
"Morgen. Ich muß nach Heidelberg. Da gibt es wohl irgendeinen Spezialisten dafür."
"Die kriegen das hin. Ganz bestimmt. Sie haben es doch beim ersten Mal auch hingekriegt."
"Wohl doch nicht so ganz."
"Hey komm, du schaffst das. Ich komm dich auch besuchen. Wir kommen dich alle besuchen."
An wen dachte ich denn bei 'wir alle'? Wer würde kommen, um Tobias zu besuchen? Außer mir vielleicht noch Nils und Doris und das war es dann. Aber ich sah, wie er lächelte. Er lächelte trotz dieser bekloppten Nachricht. Tobias hat wieder Krebs, oder immer noch. So eine Scheiße. Und ich mache mir Gedanken um irgendwelche Coming-Out-Sachen an der Schule.

Ich weiß nicht, ob es Tobi recht ist, aber ich mußte es einfach Nils und Doris erzählen. Ich glaube, die beiden waren fast genauso fertig wie ich.

Ich liege auf meinem Bett, höre Eno und denke nach, träume. Und seltsamerweise denke ich nicht an Tobias. Ich denke an Heiko. Und zum ersten Mal seit langer Zeit tut es nicht weh, wenn ich an ihn denke. Zum allerersten Mal bin ich einfach nur glücklich, daß ich ihn kenne, das wir befreundet sind. Es tut nicht mehr weh, ich bin nicht mehr traurig. Es ist einfach nur schön, daß es ihn gibt, daß wir miteinander reden können, daß ich ihn irgendwann wiedersehen werde und daß wir uns dann wieder vom ersten Augenblick an verstehen werden, auch ohne daß wir etwas sagen müssen. Es ist ein total schönes, warmes Gefühl. Es ist schön, daß es ihn gibt!

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